Im ersten Schritt sollte dazu ein Runder Tisch zwischen Vertretern der Politik, Aufsicht und Banken durchgeführt werden, der durch einen „Fitness Check“ der regulatorischen Vorgaben ergänzt wird. Zwar sei im Auftrag des Bundesfinanzministeriums eine Evaluierung auf deutscher Seite bereits im vergangenen Jahr durchgeführt worden, jedoch müssten die Erkenntnisse dieser Studie im Lichte der Corona-Krise neu bewertet werden.
Erste Beispiele, wo coronabedingt Lehren gezogen und Bankenregulierung umfassend auf ihre Praxistauglichkeit untersucht werden sollten, gibt ein aktuelles Positionspapier des GVB.
Belastetes Eigenkapital
„Strenge regulatorische Vorgaben erschweren die Sanierungsbegleitung der Banken für notleidende Kreditnehmer in der Corona-Krise. Denn seit Anfang 2019 müssen Banken für neue notleidende Forderungen eine verstärkte Risikovorsorge vornehmen, selbst wenn sie diese mit Sicherheiten belegt haben oder diese wertberichtigt sind“, heißt es in dem Papier.
Mit steigenden NPL (Non Performing Loans)-Volumina infolge der Corona-Krise werde der Backstop in den kommenden Monaten und Jahren das Eigenkapital der Banken zusätzlich belasten. Dies schmälere die Kapazitäten der Institute zur Kreditvergabe und verstärke den Anreiz, eine schnelle Abwicklung und Sicherheitenverwertung statt einer Sanierung des Kreditnehmers zu verfolgen. Um diese Effekte zu verhindern, sollte der Backstop verhältnismäßig gestaltet werden.
Als Reaktion auf die Corona-Krise hat die Aufsicht laut GVB einen flexiblen Umgang mit den aufsichtlichen Vorgaben zu notleidenden und gestundeten Krediten angekündigt.
„Das ist gut, denn die Krise hat gezeigt, dass Banken im Kreditgeschäft mehr Spielraum brauchen, um die Unternehmen unbürokratisch zu unterstützen. Falsch wäre es, wenn die aufsichtlichen Vorgaben aufgrund neuer europäischer Standards zukünftig wieder verschärft würden.“
Genau das drohe mit den EBA Leitlinien zu notleidenden und gestundeten Forderungen sowie ergänzend dazu den EBA Leitlinien zur Kreditvergabe und Kreditüberwachung die von den EU-Aufseher vorgelegt wurden und in Deutschland noch umgesetzt werden sollen. Die Regelungen sind aus GVB-Sicht zu komplex für das kleinteilige Kreditgeschäft in Deutschland:
„Es ist zu befürchten, dass die Leitlinien die Kreditversorgung hierzulande empfindlich einschränken. Bevor diese umgesetzt werden, sollte die BaFin daher deren Proportionalität prüfen und Anpassungen vornehmen.“
Schnelle Kreditvergabe ist unerlässlich
Die gesetzgeberischen Erleichterungen bei der Sanierungskreditvergabe erhöhten langfristig die Bereitschaft der Banken, sich an der Sanierung in der Krise befindlicher Unternehmen zu beteiligen. Denn durch die Neuregelungen könnten Banken auch während der Corona-Krise betroffenen Unternehmen Kredite gewähren, ohne dass sie befürchten müssen, dass andere Gläubiger später die Rückzahlung dieser Kredite anfechten könnten. Dies wäre aus GVB-Sicht auch nach der Corona-Krise gesamtwirtschaftlich sinnvoll, so dass eine – zumindest eingeschränkte – Beibehaltung dieser Neuregelungen wünschenswert wäre.
In der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass eine schnelle und unbürokratische Kreditvergabe an Unternehmen unerlässlich ist. Von einer Anwendung der Nachhaltigkeitsvorgaben auf die Kreditvergabe sollte daher abgesehen werden.
Basel III-Standards
Die EU-Kommission erwägt, die Umsetzung der finalen Basel III-Standards in Europa zunächst aufzuschieben, um die Ressourcen der Banken in der Corona-Krise nicht zu beanspruchen. Die Regeln, die ursprünglich im Januar 2022 in Kraft treten sollten, sind nach den Vorgaben des Baseler Ausschusses nun erst zum Januar 2023 umzusetzen. Der Aufschub ist aus GVB-Sicht richtig, um die Bewältigung der Krise zu erleichtern.
„Wichtiger ist allerdings, dass die Regeln so umgesetzt werden, dass sie die Kreditvergabe an die Realwirtschaft nachhaltig unterstützen und die Gegebenheit der europäischen Wirtschaft beachten.“
Konkret bedeute dies: KMU-Faktor und bestehende Mengengeschäftsregelungen beibehalten, keine Due-Diligence für externe Unternehmensratings sowie stabile Risikogewichte für langfristige Unternehmensbeteiligungen. Möglichkeiten für eine Anpassung ergäben sich durch die Vorlage des europäischen Umsetzungsgesetzes durch die EU-Kommission bzw. in den anschließenden Beratungen der europäischen Gesetzgeber.
Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde die staatliche Haltung für Förderkredite ausgeweitet. Obwohl sich dadurch das Risiko für die Bank reduziert, können die Haftungsfreistellungen nicht mildernd bei der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalunterlegung der Förderkredite angerechnet werden.
Die Förderkreditvergabe im Zuge der Corona-Programme belastet laut GVB somit langfristig die Eigenmittel der Banken. Kapital, das für zusätzliche Kredite vergeben werden könnte, werde über die gesamte Darlehensdauer gebunden. Um die Kreditvergabe zu unterstützen, sollte die staatliche Haftungsfreistellung bei Förderkrediten daher im EU-Bankaufsichtsrecht als vollwertige Garantie anerkannt werden.
Auch seien Kredite mit hundertprozentiger Haftungsfreistellung dauerhaft bei der Berechnung der Verschuldungsquote (LR) auszunehmen. Hierzu sollte eine Klarstellung in der CRR, beispielweise im Zuge der Umsetzung der Basel III-Finalisierung in Europa, erfolgen.
Bewährte Lockerungen
„Die Lockerungen der strengen Informations- und Dokumentationspflichten während der Corona-Krise haben sich bewährt, weil sie eine schnelle und vereinfachte Beratung und Orderabwicklung in Krisenzeiten ermöglichte.
Die Vorschriften sollten daher dauerhaft entbürokratisiert werden“, heißt es weiter. So könnte die Pflicht zur Aufzeichnung telefonischer Wertpapierdienstleistungen auf Wunsch des Kunden ausgesetzt werden. Zudem wäre es hilfreich, Erleichterungen auch bei der Zusendung von Ex-ante Kosteninformationen und Produktinformationen zu schaffen oder den Kunden zumindest den Verzicht darauf zu ermöglichen.
Um in den Banken zusätzliche Ressourcen zur Bewältigung der Corona-Krise freizusetzen, haben Aufsichtsbehörden die Fristen für Meldungen gelockert. Die umfassenden und regelmäßigen Meldepflichten seien insbesondere für kleinere Banken ein deutlicher administrativer Aufwand, der nicht im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn der Aufsicht steht.
Daher sollten Meldehäufigkeit und -intensität für kleine, nicht komplexe Institute gelockert werden. So könnten beispielweise Meldungen halbjährlich oder jährlich anstatt quartalweise erfolgen oder ganz entfallen. Zudem sollte die Reduktion von Meldekosten für kleine, nicht-komplexe Banken deutlich ambitionierter ausfallen als die bisher vom EU-Gesetzgeber vorgesehenen zehn bis 20 Prozent. „Ziel muss ein einfaches und übersichtliches Meldewesen sein.“
Institute entlasten
In der Corona-Krise wurden die Fristen zur Umsetzung neuer bankaufsichtlicher Vorgaben verlängert. Die Verlängerung war dem GVB zufolge „ein wichtiger Schritt, um Banken kurzfristig zu entlasten. Denn oftmals sind neue Gesetzesvorschriften, Rundschreiben, Allgemeinverfügungen sofort anzuwenden oder haben nur geringe Umsetzungsfristen.
Im Anschluss an die Krise sollten Aufsicht und Gesetzgeber den Banken grundsätzlich mehr Zeit für die Umsetzung gewähren. Das würde die Institute deutlich entlasten und Ressourcen für die Kreditbearbeitung und Kundenbetreuung freisetzen.“
Die Corona-Krise belaste Banken doppelt. Einerseits werde durch die expansiven geldpolitischen Maßnahmen die Niedrigzinsphase dauerhaft zementiert, anderseits sorgten die wirtschaftlichen Effekte für Wertberichtigungen bei Krediten und Anlagen. Um den Kostendruck von den Banken zu nehmen, sollte die EZB daher ihren Freibetrag für Nega-
tivzinsen erhöhen.
DK