„Gute Pflege muss uns etwas wert sein. Es darf nicht der Arbeitgeber im Nachteil sein, der gerechte Löhne zahlt“, erläuterte Huml. Bereits vor zwei Jahren hatte sich die Ministerin erfolgreich im Bundesrat dafür eingesetzt, dass gezahlte Tariflöhne im Rahmen von Pflegesatzverhandlungen von den Kassen und Sozialhilfeträgern nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden dürfen. In Bayern wird die Tarifvergütung bereits seit 2013 in den Pflegesätzen von den Pflegekassen berücksichtigt.
Qualifiziertes Personal
Wie Huml bekräftigte, bleibe eines der dringlichsten Themen die Gewinnung von qualifiziertem Personal. Hier seien alle Akteure gefordert - neben Bund und Ländern vor allem auch die Bundesagentur für Arbeit, die Kostenträger und vor allem die Einrichtungen als Arbeitgeber.
Bayern hatte die erfolgreiche Kampagne „Herzwerker“ ins Leben gerufen, um mehr Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen. Huml erläuterte: „Die Schülerzahlen in der Altenpflege in Bayern sind seit dem Schuljahr 2009/2010 um fast 40 Prozent gestiegen. Darauf wollen wir aufbauen.“ Außerdem habe die Staatsregierung dafür gesorgt, dass die Schüler für die Altenpflegeausbildung in Bayern kein Schulgeld mehr zahlen müssen - anders als in anderen Bundesländern.
Mitarbeiterzufriedenheit
Laut Ministerin ist die Gestaltung von Arbeitsbedingungen an erster Stelle Aufgabe der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Angesichts des in nahezu allen Branchen bestehenden Fachkräftebedarfs stellen auch Pflegeeinrichtungen die Personalgewinnung und die Mitarbeiterzufriedenheit zunehmend in den Vordergrund. „Wir unterstützen sie hierbei, zum Beispiel durch die Herzwerker-Kampagne, die modellhafte sozialpädagogische Begleitung von Altenpflegeschülern oder durch die Entbürokratisierung in der Pflege. Hierzu haben wir ein Begleitgremium unter Vorsitz der früheren Staatsministerin Christa Stewens ins Leben gerufen.“
In Bayern leben gegenwärtig 320.000 pflegebedürftige Menschen. Die steigende Lebenserwartung legt nahe, dass die Zahl bis 2030 um über 50 % anwächst. Jeder zweite Über-90-Jährige ist auf Pflege angewiesen. Eine große Rolle spielen dabei Demenzerkrankungen. Für 2050 prognostiziert die Forschung 3 Millionen Demenzpatienten in Deutschland. Vor diesem Hintergrund sagen Pflegekräfte über ihre Funktion in der Gesellschaft: „Wir sind Leistungsträger“.
Bessere Arbeitsbedingungen
Für bessere Arbeitsbedingungen gingen am „Tag der Pflege“ allein in Nürnberg rund 400 bayerische Pflegekräfte auf die Straße. Eine wesentliche Forderung der Demonstranten richtete sich auf eine bessere Finanzierung der Altenpflege. Seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 seien deren Leistungen lediglich um 8,2 % angehoben worden, während allein der Inflationsausgleich eine Erhöhung um 42,6 % erfordert hätte. Besonders prekär ist nach Darstellung der Demonstranten die Situation in der ambulanten Pflege. Trotz jahrelanger Verhandlungen und trotz eines Transparenzverfahrens, in dem die Wohlfahrtsverbände ihre Kosten schonungslos offenlegten, verweigerten die Kranken- und Pflegekassen nach wie vor leistungsgerechte Entgelte.
Politische Rückendeckung
Bei der von allen großen Wohlfahrtsverbänden veranstalteten Demonstration betonte der Pflegebeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Hermann Imhof, es gebe für die Pflegebranche in Politik und Gesellschaft nicht die nötige Rückendeckung. Den Pflegekräften fehle eine starke Interessenvertretung.
Trotz erreichter Verbesserungen in den vergangenen Jahren seien die Rahmenbedingungen noch mangelhaft. In den Pflegeheimen müsse es einen besseren Personalschlüssel geben; Aufstockung sei der Dreh- und Angelpunkt. Dazu müsse die Pflegeversicherung „besser unterfüttert“ werden.
Stimmten die Rahmenbedingungen, würden nach Imhofs Ansicht viele junge Leute gerne in der Pflege arbeiten. Heute würde ihnen aber oft von einer solchen Ausbildung abgeraten. Tatsache sei, dass immer mehr Pflegekräfte nicht nur frustriert, sondern inzwischen auch resigniert seien.
Der Bayerische Heilbäder-Verband e.V. (BHV) hat zum „Tag der Pflege“ einen gesetzlichen Kuranspruch für pflegende Angehörige gefordert. „Pflegende Angehörige sollten ähnlich wie bei den Mutter-Kind-Kuren diesen Anspruch bekommen“, erklärte der Vorsitzende des BHV, Klaus Holetschek. „Denn die Angehörigen leisten einen unersetzlichen Dienst, der nicht nur aus menschlicher Sicht sehr wertvoll ist. Dieser Dienst spart den Krankenkassen auch sehr viel Geld. Und er ist körperlich und seelisch äußerst belastend.“
Der Verband hatte es in der Vergangenheit erlebt, dass pflegende Angehörige nach dem Tod des umsorgten Familienmitglieds keine Kur bekamen, obwohl sie am Ende ihrer Kräfte waren und jahrelang für eine aufopferungsvolle Pflege ihre eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund gestellt hatten. Exemplarisch dafür steht eine Frau aus der Nähe von Kitzingen, die ihren schwerst kranken Mann zehn Jahre lang gepflegt hatte. Nach seinem Tod war sie selbst Patientin. Erst nach Intervention und der Veröffentlichung des Falles durch den Bayerischen Heilbäder-Verband e.V. und im letzten Widerspruchsverfahren genehmigte die Krankenkasse eine dreiwöchige Kur.
Hoher Krankenstand
Für Pflegekräfte hat der BHV mit dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) ein wissenschaftlich begleitetes Projekt gestartet. „Nach dem AOK Report Pflege ist der Krankenstand der Beschäftigten in bayerischen Pflegeheimen um mehr als 40 Prozent höher als der Durchschnitt der Beschäftigten aller Branchen“, stellte Holetschek fest. Dies sei nicht überraschend. Pflegekräfte arbeiteten unter einer hohen psychischen und körperlichen Belastung.
„Wir müssen jetzt auch handeln. Die steigende Zahl von Pflegebedürftigen machen die Arbeit der Pflegekräfte zunehmend unentbehrlich“, unterstrich Holetschek. Ziel des Projekts sei ein wissenschaftlich evaluiertes, mehrtägiges Präventionsprogramm für Pflegekräfte, das dann auch auf andere Kurorte und Heilbäder übertragen werden kann. „Unsere Heilbäder und Kurorte bieten als Gesundheits-Kompetenzzentren die idealen Voraussetzungen dafür.“
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