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(GZ-18-2022)
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► Zukunftskongress Staat & Verwaltung 2022:

 

Kommunen im Spannungsfeld

Resilient, nutzerorientiert, effizient und international: Dies sind nur einige Attribute eines modernen, digitalen Staats von morgen, die auf dem 8. Zukunftskongress Staat & Verwaltung in Berlin diskutiert wurden. „10 Aufgaben für Deutschland und seine Verwaltungen bis 2025“ lautete das diesjährige Motto.

Die dreitägige Leitveranstaltung des öffentlichen Sektors für die digitale Transformation mit knapp 2.000 Teilnehmern identifizierte folgende zehn Handlungsfelder, die aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre bzw. Jahrzehnte einen wesentlichen Beitrag leisten sollen, damit Staat und Verwaltung schneller im digitalen Heute ankommen:

1. Staat & Verwaltung brauchen eine wirkliche innere Motivation und Bereitschaft für einen Kultur- und Mentalitätswandel hin zu einer Dienstleistungsorientierung und mehr Agilität.

2. Mit Veränderungen auch im Kleinen beginnen und nicht nur auf neue Vorgaben oder Strategien (von oben) warten.

3. Föderale und europäische Zusammenarbeit im Zeitalter der Digitalisierung beschleunigen und digital unterstützen.

4. Es bedarf harmonisierter IT-Strategien im föderalen System, die umgehend eine Verbindlichkeit im Hinblick auf Architektur, Standards und Schnittstellen schaffen.

5. Eigenleistungsfähigkeit, operative Fähigkeiten und digitale Kompetenzen der Verwaltung erhöhen.

6. An einer leistungsfähigen und konsolidierten IT-Infrastruktur arbeiten, die (möglichst) Ebenen übergreifend harmonisiert ist und sich schneller den Zukunftstechnologien wie Cloud oder KI öffnet.

7. Digitale Verwaltung und Umsetzung OZG: „Nicht verrennen und verzetteln“.

8. Datenschutz modernisieren: Datenschutz muss konstruktiver Partner der Veränderung und der digitalen Transformation werden.

9. Mehr Innovationen fördern sowie kürzere Innovationszyklen besser abbilden.

10. Nachhaltige Entwicklung einer Investitionsfähigkeit des Staates im Umfeld der Modernisierung auch in schwieriger werdenden Haushaltslagen.

Dr. Markus Richter, Bundes-CIO und Staatssekretär im BMI, lud zur gemeinsamen Ideensammlung und zum Netzwerken ein. Um einen resilienten, nutzerorientierten Staat zu bauen, sei es wichtig, dass alle Akteure zusammenarbeiten, Leistungen einheitlich angeboten werden und dafür eine gut funktionierende Infrastruktur geschaffen wird. Die aktuellen Herausforderungen würden durch hervorragende Mitarbeiter in der Verwaltung gemeistert, dies habe sich insbesondere in Krisenzeiten von Corona und des Angriffskrieges auf die Ukraine gezeigt.

Nun komme es darauf an, bestehende Prozesse und Abläufe massiv zu ändern, denn auch die Welt verändere sich, so Richter. Die Zyklen aufkommender Krisen verkürzten sich, Ausnahmezustände würden dauerhafter und daher sei es wichtig, der Verwaltung effiziente Instrumente an die Hand zu geben, um einen resilienten Staat zu schaffen. Ein Blick in den Koalitionsvertrag zeige, dass es viel Rückenwind für die Verwaltungsdigitalisierung gebe, und mit diesem Rückenwind müsse man jetzt weiter tatkräftig zusammenarbeiten.

Zukunftsforum

Im Rahmen eines Zukunftsforums erörterte Ernst Bürger (BMI) gemeinsam mit Vertretern aus Verwaltung und Wirtschaft, unter ihnen AKDB-Vorstandsvorsitzender Rudolf Schleyer, das Thema „Das OZG als Beginn eines langfristigen Transformationsprozesses“. Im Plenum wurde deutlich, dass die nächsten Schritte der OZG-Umsetzung nun das Ausrollen der Leistungen in die Fläche sowie die „Ende-zu-Ende-Digitalisierung“ sind. Dazu müssten unter anderem eine gemeinsame föderale IT-Architektur und ein gemeinsames Zielbild geschaffen sowie die Fachseite stärker eingebunden werden, so Bürger. Außerdem gehe es weiterhin darum, das „Mindset“ zu verändern und den Transformationsprozess im Ganzen zu betrachten, damit dieser gelinge.

Über die Registermodernisierung diskutierten Maximilian Schröter (BVA), Dr. Rudolf Hauber Leiter Geschäftsprozessmanagement Kreisverwaltungsreferat Stadt München und Tomma Brandis-Schwarz (init) gemeinsam mit dem Publikum. Zentrales Thema waren dabei die Anforderungen und Herausforderungen der registerführenden Behörden. Auch die Behördennummer 115 stand auf der Agenda. Als direkter Draht der Bürgerinnen und Bürger in die Verwaltung sei die 115 ein wichtiges Element der Verwaltung, betonte BMI-Referentin Petra Streiber. Derzeit gehörten bereits der Bund, 14 Länder sowie zahlreiche Kommunen dem Verbund der 115 an. Mit einer Zielvorgabe von maximal 60 Sekunden Wartezeit werde auf Fragen jeglicher Art telefonisch Auskunft gegeben. Kernstück des Service sei eine gute Wissensdatenbank, die auf den Standards von FIM und dem Datenaustauschformat XZuFi 2.1.0 beruht. Künftig soll eine 24/7 Auskunft über einen Chatbot gewährleistet werden.

Mit zahlreichen Fragen des kommunalen Managements – nicht nur im Kontext der digitalen Transformation – befassten sich Experten im Rahmen des KGSt®-Kommunalforums, einer weiteren Veranstaltung innerhalb des Zukunftskongresses. Laut Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung soll die öffentliche Verwaltung ermöglichen und lernen. Sie soll das Leben der Bürgerinnen und Bürger einfacher machen. Leistungen sollen schneller, effektiver und wirtschaftlicher erbracht werden. Außerdem sollen Innovationsprozesse befördert, eine Kultur der Zusammenarbeit etabliert und die Kraft der Zivilgesellschaft genutzt werden. Dafür braucht es nach Auffassung der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement einen Perspektivwechsel – „insbesondere, wenn wir uns vor Augen führen, dass sich viele Kommunen in einem Spannungsfeld befinden: zwischen rasant zunehmender Digitalisierung auf der einen Seite und der Schwierigkeit, die notwendigen personellen, technischen oder finanziellen Ressourcen bereitstellen zu können, auf der anderen Seite“.

Freiräume schaffen

Zahlreiche Kommunen wünschten sich eine grundsätzliche „Verringerung“ der Komplexitäten und Rahmenbedingungen, um Verwaltungsleistungen höchst effizient anbieten zu können. Dies schaffe Freiräume für identitätsstiftende Aufgaben, insbesondere im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge. In diesem Rahmen braucht es laut KGSt einen kritischen Blick auf die Bereitstellung der digitalen Services und mögliche Optimierungspotenziale durch innovative Formen der Bereitstellung im föderalen System. Aus IT-fachlicher Sicht gebe es viele Gestaltungspotenziale, die den Weg für weitere Ansätze einer Aufgabenverteilung im föderalen System bereiten können. Im Sinne des „Ermöglichens“ und „Lernens“ sei das kommunale Management gefragt, hier mitzugestalten und Erfahrungen in den weiteren Prozess einzubringen.

Im Ergebnis waren sich Anika Krellmann und Marc Groß (beide KGSt), Prof. Henning Lühr, Dr. Hanna Sommer (Deutscher Städtetag), Thomas Köster (Stadt Hamm) und Dr. Klaus Effing (KGSt) einig: Eine zentrale Bereitstellung von digitalen Services kann den Digitalisierungsprozess beschleunigen und ist – wenn Kommunen bei der Erstellung aktiv beteiligt werden – nicht weniger nutzerfreundlich.

„Kommunen können Projekte: Einfach. Machen.“ Darüber diskutierten Dr. Ulrich Keilmann (Hessischer Rechnungshof) und Hendrik Ewens (KGSt) in einer Partnerveranstaltung der Gesellschaft für Projektmanagement und der KGSt. Ihrer Meinung nach wird das Projektgeschäft in Kommunen zunehmen. Gründe dafür sind die wachsende Krisendichte und unterschiedliche Transformationsprozesse.

Professionalisierung

Wichtig sei, dass Kommunen Projekte aktiv angehen und durchführen. Dafür sollten sie zu Beginn möglichst einfach starten. Im Mittelpunkt stehe dabei der Aufbau von Projektmanagementkompetenzen. Dies könne auf der einen Seite durch Schulungen erfolgen. Praktische Erfahrungen in Projekten zu sammeln und dadurch Kompetenzen beim „Tun“ aufzubauen, sei die andere Seite. Schritt für Schritt könne so das Projektmanagement weiter angepasst und professionalisiert werden. Eine solche Professionalisierung erfolge beispielsweise durch ein Projektmanagement-Office (PMO), das bereits in einigen Kommunen erfolgreich eingesetzt werde.

Stichwort Reorganisation und Veränderung: Gudrun Aschenbrenner, Mitglied des Vorstands und Direktorin der AKDB, berichtete ihrerseits von der größten Neuorganisation, die die AKDB in ihrer 50-jährigen Geschichte umgesetzt hat. Sie hat sich in diesem Rahmen komplett entlang von Kundensegmenten (u. a. Verwaltung, Bürger) im Sinne von digitalen Ende-zu-Ende-Prozessen aufgestellt.

Fazit: Eine wirksame Digitalisierung muss mit und in den Kommunen gestaltet werden. Sie sind das Zünglein an der Waage, wenn es um Erfolg oder Misserfolg bei der Digitalisierung geht. Das hat nicht zuletzt die Umsetzung des OZG gezeigt. Die Relevanz der kommunalen Ebene muss sich jetzt in einer noch intensiveren Zusammenarbeit im föderalen System und wirksamen Instrumenten und Rahmenbedingungen äußern.

DK

 

 

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