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(GZ-19-2022)
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► Gemeinsame Sitzung der Innen- und Justizminister in München:

 

Mehr Sicherheit im digitalen Raum

Die Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch und Kinderpornografie, die Sicherheit im digitalen Raum sowie die Konsequenzen der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Arbeit des Verfassungsschutzes standen im Zentrum einer gemeinsamen Sitzung der Innen- und Justizminister der Länder im Schloss Nymphenburg.

Wichtiger Austausch: Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann begrüßten ihre Amtskollegen zu einer gemeinsamen Sitzung von Justizministerkonferenz und Innenministerkonferenz auf Schloss Nymphenburg. Die Ministerinnen und Minister der Bundesländer diskutierten ein breitgefächertes Themenspektrum vom Kampf gegen Kindesmissbrauch über den Hass im Internet bis hin zu Cybercrime. Bild: Georg Eisenreich
Wichtiger Austausch: Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann begrüßten ihre Amtskollegen zu einer gemeinsamen Sitzung von Justizministerkonferenz und Innenministerkonferenz auf Schloss Nymphenburg. Die Ministerinnen und Minister der Bundesländer diskutierten ein breitgefächertes Themenspektrum vom Kampf gegen Kindesmissbrauch über den Hass im Internet bis hin zu Cybercrime. Bild: Georg Eisenreich

Nach den Ausführungen des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, sollen im Kampf gegen Kinderpornografie die Melde- und Löschprozesse effektiver gestaltet werden. Strafbare Inhalte sollen nur so lange im Netz verbleiben, wie es zwingend für die Ermittlungen und strafrechtliche Verfahren notwendig sei.

Vorratsdatenspeicherung ist vom Tisch

Ein wichtiger Aspekt sei dabei das Urteil des Europäischen Gerichtshofs: „Es ist klar, dass das Thema Vorratsdatenspeicherung vom Tisch ist. Es bleibt auf der Tagesordnung die Frage der Speicherung von IP-Adressen durch die Provider. Dies ist vom Europäischen Gerichtshof ausdrücklich als zulässig erklärt worden“, betonte Herrmann. Die Innen- und Justizminister müssten sich jetzt intensiv damit beschäftigen, wie damit umzugehen sei. Im Kreise der Innenminister gebe es hierbei bereits breiten Konsens, IP-Adressen für die Fahndung im Bereich Kindesmissbrauch zu verwenden.

Laut Herrmann hat sich die IMK zudem mit dem Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe anlässlich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz befasst. Der Bericht zeige deutlich die besonderen Herausforderungen, vor die das Urteil die Gesetzgeber in Bund und Ländern nun stellt. Das höchste deutsche Gericht hatte am 26. April 2022 die gegen das Bayerische Verfassungsschutzgesetz erhobene Verfassungsbeschwerde zum Anlass genommen, ein Grundsatzurteil zu den Befugnissen des Verfassungsschutzes zu treffen. Die Innenministerkonferenz hat nun in ihrem aktuellen Beschluss einstimmig festgestellt, dass der Bericht für die Verfassungsschutzgesetze in Bund und Ländern „angemessene Lösungen“ aufzeige.

Verfassungsschutz ist wesentlicher Baustein einer wehrhaften Demokratie

Wie der Minister unterstrich, werde Bayern sein Verfassungsschutzgesetz auf dieser Grundlage ändern. Ein entsprechender Vorschlag befinde sich gerade in der Abstimmung und solle in Kürze in den Landtag eingebracht werden. Dabei betonte Herrmann, dass das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich klargestellt habe, dass der Verfassungsschutz einen wesentlichen Baustein in der wehrhaften Demokratie bildet, zu der sich das Grundgesetz ganz bewusst entschieden hat. „Wir brauchen deshalb einen starken Verfassungsschutz, um dem von Corona und Ukraine-Krieg profitierenden Extremismus ebenso wie den hybriden Bedrohungen aus dem Ausland entschieden entgegentreten zu können.“

Restriktionen aus Karlsruhe

Mit Blick auf den gesetzlichen Änderungsbedarf verwies der Innenminister zum Beispiel auf die einschränkenden Vorgaben aus Karlsruhe für die Weitergabe von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes an Strafverfolgungsbehörden. Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Informationsweitergabe nur bei konkretem Verdacht für eine besonders schwere Straftat zugelassen hat, komme der Bericht zu dem Schluss, dass die vergleichsweise knappen Urteilsausführungen viele Fragen offenlassen. Würde man als ‚besonders schwere Straftat‘ nur die in der Strafprozessordnung so bezeichneten Delikte verstehen, führe dies „zu massiv irritierenden Ergebnissen“, die womöglich das Vertrauen der Bevölkerung in wirksamen staatlichen Rechtsgüterschutz beeinträchtigen könnten. „Wie unter anderem die Untersuchungsausschüsse zum NSU und zu Anis Amri eindeutig gezeigt haben, brauchen wir mehr, nicht weniger Informationsaustausch. Ich verstehe nicht, warum der Verfassungsschutz einen Neonazi, der einen Juden oder einen Moslem verprügelt, nicht anzeigen darf. So etwas gibt es in keinem anderen Rechtsstaat“, machte Herrmann deutlich.

Schutzauftrag für Kinder

Wie der Vorsitzende der Justizministerkonferenz und bayerische Justizminister Georg Eisenreich mitteilte, haben Deutschlands Jugendämter laut einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts im Juli 2021 seit Beginn der Pandemie einen Höchststand bei Kindeswohlgefährdungen festgestellt. Jedes dritte gefährdete Kind sei jünger als fünf Jahre alt gewesen. Betroffen waren fast 60.600 Kinder und Jugendliche, etwa 5.000 mehr als im Vorjahr. Eisenreich zufolge nimmt die bayerische Justiz den im Grundgesetz verankerten Schutzauftrag für Kinder sehr ernst. Das Kindeswohl stehe an oberster Stelle. Deshalb sei in allen drei Oberlandesgerichtsbezirken das Schutzkonzept „Kompetenzpartner Kinderschutz“ (KPK) der bayerischen Justiz eingeführt worden.

Gemeinsam mit dem Präsidenten des Oberlandesgerichts München, Dr. Hans-Joachim Heßler, und der Präsidentin des Amtsgerichts München, Beate Ehrt, stellte der Minister die Kompetenzpartnerin Kinderschutz für den Oberlandesgerichtsbezirk München vor. Familienrichterin Ulrike Sachenbacher, weitere aufsichtführende Richterin am Amtsgericht München, ist seit Jahresbeginn zentrale Ansprechpartnerin für alle Fragen des Kinderschutzes.

Laut Eisenreich müssen Familienrichter schwere und tiefgreifende Entscheidungen und geeignete Maßnahmen zum Schutz von Kindern treffen. Dies könne auch bedeuten, ein Kind zu seinem Schutz aus seiner Familie zu nehmen. Aufgabe des KPK sei es, die Familienrichter als zentrale Ansprechpartner zu unterstützen und den fachlichen wie persönlichen Austausch zu fördern. Zudem solle der Kompetenzpartner als Bindeglied zu Stellen außerhalb der Justiz fungieren.

Justizintern bieten die „Kompetenzpartner Kinderschutz“ bei Bedarf ihren Richterkollegen im jeweiligen Bezirk bei konkreten Einzelfragen in Kinderschutzverfahren Unterstützung an. Sie organisieren regelmäßige Fachgespräche und bauen einen Wissenspool auf. Über den Austausch mit den anderen KPK soll so ein bayernweites Netzwerk für die Familiengerichte im Bereich Kinderschutz entstehen. Eisenreich zufolge liegt das Augenmerk auf Spezialisierung und Vernetzung.

Zudem ist es den KPK ein besonderes Anliegen, auch als Ansprechpartner für Jugendämter, Polizei, Kliniken, Sachverständige und sonstige mit dem Kinderschutz befasste Fachstellen zur Verfügung zu stehen und den interdisziplinären Austausch zu fördern. Eine reibungslose und vertrauensvolle Kooperation der verschiedenen Verfahrensbeteiligten ist aus Eisenreichs Sicht unerlässlich, um Kinder bestmöglich zu schützen: „Neben der Spezialisierung und Vernetzung der KPK ist der interdisziplinäre Austausch von zentraler Bedeutung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Entscheidungsträger wird durch das Schutzkonzept noch weiter verstärkt.“

DK

 

 

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