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(GZ-3-2023)
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► Neue Difu-Studie:

 

Frischer Wind in die Innenstädte

Welche Handlungsoptionen haben Kommunen, um in den Stadtzentren Leerstand zu vermeiden, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen und den Innenstadtbesuch langfristig attraktiv zu machen? Diesen und weiteren Fragen ging das Deutsche Institut für Urbanistik in einem interdisziplinären Forschungsprojekt nach. Die daraus entstandene Difu-Studie „Frischer Wind in die Innenstädte“ soll einen Beitrag zur künftigen Ausrichtung der Innenstädte liefern und eine kritische Reflexion der bisherigen und zukünftigen Innenstadtpraxis anregen.

Kommunen benötigen ein widerspruchsfreies gemeinsames „Zielbild“ für ihre Innenstadt, das die langfristig gewünschte Entwicklung definiert. Ein Beispiel könnte laut Studie die „Alltägliche Innenstadt“ sein. Damit die Innenstadt die Stadtgesellschaft verbindet, brauche es eine Vielfalt an Angeboten und Anlässen „von Hochglanz bis ohne Glanz“, um das Verweilen für alle zur Normalität werden zu lassen.

Nutzungsvielfalt erweitern

Die vorhandene Nutzungsvielfalt sollte laut Difu-Forschungsteam erweitert und bisher eventuell weiter entfernte Nutzungen in die Innenstadt integriert werden, beispielsweise Bildung, nichtkommerzielle Kultur- und Freizeitangebote, Gesundheitsangebote, soziale Einrichtungen, Wohnen und Verwaltung. Zudem sollte Multifunktionalität ein selbstverständlicher Bestandteil der Gebäude- und Flächennutzung werden. So könnten Gebäude morgens anderen Zwecken dienen als abends. Mischen sei möglich und notwendig, müsse aber gesteuert werden, um Konflikte zu vermeiden.

Urbane Transformation

Oft noch zu wenig Relevanz bei der Innenstadtentwicklung wird aus Difu-Sicht den zentralen „Transformationsbausteinen“ Klimaanpassung, Klimaschutz, Mobilitätswende, sozialer Zusammenhalt, Gemeinwohlorientierung und Kreislaufwirtschaft zugestanden. Dabei könnten sie viele wirksame Impulse für die Resilienz und „frischen Wind“ in die Innenstädte tragen.

Die urbane Transformation biete viele Möglichkeiten, die Innenstadt im Kaleidoskop der Zukunftsthemen zu positionieren: So könnten freiwerdende Flächen neu oder anders genutzt werden. Versiegelte Straßen und Plätze, Dach- und Fassadenflächen aber auch Gebäude für Klimaschutz, Klimaanpassung sowie Energieerzeugung könnten eine stärkere Rolle spielen. Aufenthalts- und Lebensqualität seien durch eine mobilitätsgerechte Stadt – gut erreichbar, aber wenig fahrende oder parkende Autos – zu verbessern.

Unterschiedliche soziale Realitäten

Als Begegnungsort der Stadtgesellschaft zeige sich in der Innenstadt auch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher sozialer Realitäten, heißt es weiter. Durch vielfältige Angebote für das Miteinander könne die Innenstadt zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen und ihn fördern. Eine stärkere Ausrichtung der Innenstadt auf das Gemeinwohl sei außerdem notwendig, um unsoziale Logiken des Immobilienmarktes zu durchbrechen und Zugänglichkeit, breite Nutzungsmischung und bezahlbare Flächen für Kleingewerbe, Handwerk, Kunst, Kultur und Soziales zu ermöglichen.

Europäischer „Green Deal“

Mit dem europäischen „Green Deal“ werde die Kreislaufwirtschaft zu einem Handlungsfeld für die kommunale Wirtschaftsentwicklung, die auch die Innenstädte betrifft. Angebote zum Reparieren und Wiederverwenden, nachhaltige Bauweisen und „Urban Mining“ sollten ins urbane Repertoire gehören. Denkt man all diese Perspektiven weiter, könnte die Innenstadt in ihrer zentralen Funktion auch ein „Schaufenster der zukunftsorientierten Transformation“ werden.

Verwaltung steht oft in der Kritik, wenn es um schnelle Umsetzung und klare Verantwortlichkeiten geht. Im Rahmen der Transformation der Innenstadt sind laut Untersuchung eine Ansprechperson bzw. eine Präsenz vor Ort notwendig. Diese sollte aber nicht als Einzelkämpfer mit Allzuständigkeit (z.B. Innenstadtmanager) verstanden werden. Vielmehr müsse dahinter „eine ressortübergreifende Arbeitsstruktur mit Entscheidungskompetenz“ aufgebaut werden. Es gelte, Verwaltungshierarchien aufzubrechen und die städtischen Zielkonflikte auszuhandeln.

Erweiterung der Förderprogramme

Mit Blick auf weitere Bundes- und Landesförderungen hält das Forschungsteam eine Erweiterung bestehender Förderprogramme (z.B. Mobilität, Klima) um den Fokus Innenstadt für zielführender als ein eigenes Transformationsförderprogramm für die Innenstadt. Aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sollten verstärkt Förderungsmöglichkeiten für Rückbau und Nachnutzung von Bestandsflächen zur Verfügung gestellt werden.

Da die Handlungsspielräume der Kommunen insbesondere durch ein vielerorts geringes kommunales Flächenvermögen in der Innenstadt eingeschränkt sind, bedürfe es überdies einer Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten, wie etwa durch Maßnahmen der Innenstadtentwicklung, Regelungen zum Gewerbemietrecht oder den Schutz für bestimmte Nutzungen. Welche Rolle eine zeitgenössische Innenstadt tatsächlich ausfüllen kann, muss aus Difu-Sicht letztlich stadtindividuell entschieden werden.

„Die Innenstadt ist ein Gemeinschaftswerk. Die jetzt notwendige Transformation kann sich für Kommunen als Chance erweisen, die Stadtgesellschaft in diesen wichtigen Prozess einzubinden“, betont Difu-Wissenschaftlerin Sandra Wagner-Endres. Einige Städte zeigten dies bereits. Für „frischen Wind in der Innenstadt“ brauche es große Ideen und die Bereitschaft, mutige Entscheidungen zu treffen.

DK

 

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