(GZ-4-2023) |
► Bayerische Immissionsschutztage in Augsburg: |
Klimaschutz und Versorgungssicherheit |
Zum 13. Mal in Folge veranstaltete das Kumas Umweltnetzwerk die Bayerischen Immissionsschutztage in Augsburg. Dabei standen aktuelle Entwicklungen im Immissionsschutz, Genehmigungsmanagement, Luftreinhaltung sowie Anforderungen an Klimaschutzprojekte auf der Agenda.
Mit der Novelle des Bayerischen Klimaschutzgesetzes sollen die Grundlagen für ein klimaneutrales Bayern im Jahr 2040 gelegt werden. Der Klimaschutz mit seinem umfassenden und alternativlosen Ansatz, die Entkopplung von fossilen Energieträgern voranzutreiben, hat durch die Ereignisse in der Ukraine inzwischen höchste industrie- und sicherheitspolitische Relevanz erlangt.
Die bayerische Staatsverwaltung will hierbei eine Vorbild- und Vorreiterrolle übernehmen und Treibhausgasemissionen, die nicht vermieden werden können, durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen frühzeitig kompensieren. Aber auch die kommunalen Träger sollen in gleicher Weise gefordert und gefördert werden, um diese Rolle ebenfalls ausfüllen zu können.
Auf Basis des Beitrags „Das Bayerische Klimaschutzgesetz – auf dem Weg zum klimaneutralen Bayern 2040“ von Robert Winkler, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, wurde darüber diskutiert, wie die ehrgeizigen Ziele der Bayerischen Staatsregierung zu erreichen sind.
Moore: Erhalt und Wiedervernässung
Einigkeit bestand darin, dass dem Ausbau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, d.h. Windkraft und Photovoltaik, auch in Bayern in Zukunft eine wichtige Rolle zukommen wird. Ein Klimaschutzprogramm mit den fünf Aktionsfeldern „Erneuerbare Energien und Stromversorgung“, „CO2-Speicherung“, „Klimabauen“ und „Klimaarchitektur“, „Nachhaltige Mobilität“, „CleanTech“, „Klimaforschung und Green IT“ soll hier flankierend wirken und einen Beitrag dazu leisten, die Ziele zu erreichen. Im Bereich der natürlichen CO2-Speicherung will man vor allem auf den Erhalt und auf die Wiedervernässung von Mooren setzen. In weiteren Beiträgen ging es um die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren durch den Vorrang Erneuerbarer-Energien-Projekten auf Basis des „überragenden öffentlichen Interesses“. Hier zeichnen sich heute schon Konfliktpotenziale insbesondere bei Beachtung des Arten- und Naturschutzes ab. Die Lösung dieser Konflikte wird nur im Verständnis einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe und unter Anwendung aller zur Verfügung stehender Beteiligungsinstrumente zu leisten sein, lautete der Tenor. Anlagenbetreiber und Planer sind gefordert, Anlieger solcher Anlagen frühzeitig einzubeziehen, um die Akzeptanz entscheidend zu fördern. Wenn es nicht gelingt, den Hochlauf von Wind- und Solaranlagen extrem zu beschleunigen, werden die Klimaziele nur schwer zu erreichen sein.
Die Umsetzung des europäischen Green Deals wird weitreichende Auswirkungen auf vielerlei Bereiche der Umweltgesetzgebung haben. Die Novelle der Industrieemissionsrichtlinie legt hierfür die Spur, um die ambitionierten Ziele der EU-Initiative zu erreichen. Betroffen sein werden vor allem das Ziel der Klimaneutralität 2045, Kreislaufwirtschaft und Immissionsschutz (Zero Waste- und Zero Pollution Ambition) und vieles mehr. Hierzu soll die Industrieemissionsrichtlinie in einen zukunftsbezogenen Rechtsrahmen umgeformt werden, der geeignet ist, die große Transformation zu begleiten. Auch wenn die Industrieemissionsrichtlinie noch nicht in ihrer endgültigen Fassung vorliegt, zeichnet sich schon heute ab, dass die Wirkung auf den Industrieanlagenbetrieb umfassend und fordernd sein wird. Mit der Umsetzung in nationales Recht ist allerdings nicht vor 2027 zu rechnen.
Neufassung TA Luft
Nach mehrjähriger Beratung trat am 1.12.2021 die Neufassung der TA Luft in Kraft. Als Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz beschreibt sie den aktuell anzuwendenden Stand der Technik in der Luftreinhaltung. Wie Dr. Anita Wolf vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz berichtete, folge auf die lange Aktualisierungs- und Überarbeitungsphase der Norm nun ihre ebenso herausfordernde Umsetzung im Vollzug. Dabei sei eine Vielzahl von Sanierungsfristen mit diversen Übergangs- und Sonderregelungen zu beachten – in Teilen sei die TA Luft sogar rückwirkend anzuwenden. Für Bayern bedeute dies, dass in den kommenden Jahren die Bescheide für mehr als 10.000 genehmigungsbedürftige Anlagen zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen sind.
Wolf zufolge zeigt sich fast ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten jedoch auch, dass die novellierte Fassung der TA Luft zahlreiche Anwendungsfragen aufwirft, die im Sinne eines bundeseinheitlichen Vollzugs vorzugsweise national abgestimmt zu beantworten sind. Um dem Anspruch weitestgehender Einheitlichkeit gerecht zu werden, erarbeite der Ausschuss für anlagenbezogenen Immissionsschutz und Störfallvorsorge (AISV) im Auftrag der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) themenfeldbezogene Auslegungshinweise. Große Bedeutung komme dabei gerade auch den Tierhaltungsanlagen zu. Bayern bringe sich sektorübergreifend intensiv und konstruktiv in diese Beratungen ein und wirke in den genannten Gremien engagiert mit.
Siedlungsdruck
Der anhaltende Siedlungsdruck bringt weitere Anforderungen an den Ausgleich zwischen Wohn- und Industriegebieten. Auf der einen Seite besteht der Schutz für bestehende Anlagen, auf der anderen Seite ergeben sich neue Anforderungen an die räumlich heranrückenden Nutzungen. Der Schutz vor Lärmeinwirkungen oder auch vor luftgetragenen Immissionen muss dennoch gewährleistet werden und stellt sowohl planende Gemeinden, Gutachter und Betreiber vor neue Herausforderungen und Konflikte in der Beurteilung, wie Eduard Wensauer Müller, BBM Industry Solutions GmbH, Planegg, erläuterte.
Nahwärmeversorgung und Abwärmenutzung
Projekte zur Nahwärmeversorgung bzw. Abwärmenutzung im Quartier stellte schließlich Felix Schwahn, GP JOULE Think GmbH & Co. KG, Buttenwiesen, vor. Nach seinen Worten verbindet GP JOULE bei Nahwärmenetzen Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit und begleitet Wärme-Vorhaben, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse und Marktgegebenheiten vor Ort.
Das erste Nahwärmenetz, das GP JOULE auf den Weg brachte, befindet sich im heimischen Buttenwiesen (Landkreis Dillingen). 2013 wurde zusammen mit der Gemeinde die Betreibergesellschaft Renergiewerke Buttenwiesen gegründet und das Versorgungsnetz anschließend in Betrieb genommen. Damit nimmt die Gemeinde die Wärmeversorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger selbst in die Hand.
Darüber hinaus entwickelt GP JOULE derzeit in Zöschingen (Landkreis Dillingen) ein Nahwärmenetz, über das künftig alle Haushalte der 740-Einwohner-Gemeinde mit Wärme aus regenerativer Energie versorgt werden können. Die Energie für die Wärmeversorgung in Zöschingen wird fast vollständig von einer im Süden der Gemeinde geplanten Freiflächen-Photovoltaikanlage bereitgestellt, die rund 2.700 MWh Strom pro Jahr erzeugt. Eine große Wärmepumpe wandelt diesen Strom in Wärme um. Damit können 97 Prozent der benötigten Energie gewonnen werden.
Im Juli 2022 war Spatenstich für das Nahwärmenetz in Adelzhausen (Landkreis Aichach-Friedberg). Nicht nur bei dem nun entstehenden Neubaugebiet macht die Gemeinde Nägel mit Köpfen. Gleich im ersten Bauabschnitt werden mehrere ihrer Gebäude angeschlossen: die Kindertagesstätte „Haus der Kinder“, die Grundschule mit Turnhalle, das Rathaus, die Feuerwehr und der geplante Kindergarten. Das Wärmekonzept für Adelzhausen basiert auf verschiedenen Einheiten: Die Hackschnitzelanlage bildet den Anfang. Später können mit steigender Anzahl an angeschlossenen Verbrauchern eine Luft-Wärme-Pumpe oder eine Power-to-Heat-Anlage mit Strom aus Photovoltaik hinzukommen, betonte Schwahn.
DK
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