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(GZ-11-2023)
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► Bayernplan Energie 2040:

 

Wege zur Treibhausgasneutralität

 

Am 1. Januar 2023 ist das neue Bayerische Klimaschutzgesetz in Kraft getreten. Danach soll der Freistaat bis spätestens 2040 klimaneutral sein. Bayern will dieses Ziel damit fünf Jahre schneller als der Bund und sogar zehn Jahre früher als die EU erreichen. Eine vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) in Auftrag gegebene Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), erstellt in Kooperation mit der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, hat nun anhand verschiedener Szenarien untersucht, wie das Vorhaben zu bewerkstelligen ist. Hierbei zeigen sich in den einzelnen Energieverbrauchssektoren unterschiedliche, aber in jedem Fall sehr erhebliche Herausforderungen.

Laut dem „Bayernplan Energie 2040“ müssen alle verfügbaren klimaneutralen Technologien zum Einsatz kommen und auch weiterhin Energie importiert werden. In Anbetracht des rasant fortschreitenden Klimawandels ist das Projekt Klimaneutralität Bayern bis 2040 „alternativlos“, enorme finanzielle Aufwendungen und ein massiver Um- und Ausbau der Energieinfrastruktur sind dafür notwendig. Nach eigenem Bekunden unterstützen VBEW und vbw den Willen der Bayerischen Staatsregierung, die Klimaneutralität Bayerns bis 2040 zu erreichen.

In allen Szenarien wurde ein europäisches Energiesystem modelliert, in dem der Import von Energie nach Bayern nach 2040 möglich bleibt und auch notwendig sein wird. Grundlegendes haben alle Szenarien gemeinsam: Strom entwickelt sich zum Hauptenergieträger, Wasserstoff kommt als Rohstoff und Energieträger zum Einsatz und wird verstärkt in allen Endenergiesektoren ab 2030 Einsatz finden. Ein beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren Energien insbesondere durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen ist in allen bayerischen Regionen erforderlich. Nur mit der Energiegewinnung auf heimischer Fläche allein ist das klimaneutrale Bayern ökonomisch nicht sinnvoll. Fossile Energieträger werden bis ins Zieljahr 2040 in Bayern nahezu vollständig aus dem System gedrängt. Es werden aber auch CO2-Kompensationsmaßnahmen wie die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 erforderlich sein, um die Klimaneutralität zu erreichen.

Sinkender Endenergiebedarf

In allen Szenarien sinkt der klassische Endenergiebedarf bis 2040 erheblich. Während Bayern im Zeitverlauf zunehmend weniger auf fossile Energieträger angewiesen ist, steigt der Import von Strom auf bis zu 57 TWh/Jahr an. Dies entspricht über zwei Drittel des heutigen jährlichen Strombedarfs.

Die Gaswirtschaft wird die größte Herausforderung in ihrer Geschichte bewältigen. Sie wird das fossile Erdgas aus ihren Leitungen bis 2040 verbannen und durch klimaneutrale Gase wie Wasserstoff und Biomethan ersetzen.

Elektrifizierungsmaßnahmen spielen in allen Szenarien und Sektoren eine wichtige Rolle, z. B. durch die zunehmende Umstellung beim Heizen auf Wärmepumpen und in der Individualmobilität auf Elektro-Pkws. Ein Teil der benötigten Prozesswärme in der Industrie wird mit Strom geleistet. Klimaneutrale Gase kommen immer dann zum Einsatz, wo die direkte Elektrifizierung aus technischen Gründen nicht möglich oder als nicht wirtschaftlich darstellbar zu erwarten ist.

Die notwendige thermische Kraftwerksleistung verbleibt ungefähr auf dem Niveau von heute. Als Brennstoffe kommen ab 2030 Wasserstoff und weitere klimaneutrale Gase zum Einsatz. Nach dem Ausstieg aus der Kernkraft müssen dafür auch neue Kraftwerke in Bayern errichtet werden.

Ausstieg aus der Kohle

Der schnelle Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland, ob bis 2030 oder bis 2038, wird weitere Herausforderungen auch für Bayern mit sich bringen. Die Möglichkeiten für Stromimporte in Zeiten einer Dunkelflaute werden weiter reduziert, stattdessen müssen klimaneutrale Gase über Rückverstromung und Batterien verstärkt für den Stromausgleich sorgen.

Das größte Flexibilisierungspotenzial in der Stromnachfrage wird durch die Batteriespeicher der Elektrofahrzeuge zur Verfügung gestellt, wenn diese in der Lage sind bidirektional zu laden. Darüber hinaus weist die Studie darauf hin, „dass sich kein Landkreis zu jeder Stunde im Jahr selbst versorgen kann: Es geht nur gemeinsam und mit viel Flexibilität im Energiesystem.“

Stellungnahmen der Wasserkraftverbände

Bekräftigt wurden die Forderungen aus dem „Bayernplan Energie 2040“ unter anderem von den Bayerischen Wasserkraftverbänden. Die Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V. (VWB) und der Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke eG (LVBW) fordern daher, dem in Gesetzen auf EU-, Bundes- und Landesebene verankerten überragenden öffentlichen Interesse von Erneuerbaren-Energien-Anlagen endlich das notwendige Gewicht in Genehmigungsverfahren und anderen Verwaltungsentscheidungen einzuräumen. „Dafür ist es dringend nötig, dass die zuständigen bayerischen Staatsministerien Vollzugshinweise, die bei jedem Verwaltungshandeln mit Bedeutung für die Energiewende zu beachten sind, an die ihnen unterstellten Behörden richten,“ erklärt Dr. Martin Schröder, Vorstand der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern. Denn an ihre Weisungen sind die Beamten gebunden.

In Bayern dauert es derzeit durchschnittlich sieben Jahre, bis die Zulassung einer Wasserkraftanlage erteilt ist. Wenn es schnell geht, liegt die Zulassung nach drei Jahren vor. „Bei solchen Zeiträumen kann die Energiewende nicht schnell genug umgesetzt werden“, mahnt Schröder. „So kann auch das Potenzial der grundlastfähigen kleinen Wasserkraft zur Dekarbonisierung und Sicherung der Energieversorgung nicht gehoben werden.“

Dienstanweisung des StMUV

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) hat deshalb im Februar 2023 eine schriftliche Dienstanweisung zur „Berücksichtigung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes bei Verwaltungsentscheidungen“ an die Landratsämter und Regierungen, an die Wasserwirtschaftsämter und das Bayerische Landesamt für Umwelt herausgegeben.

„Die Vollzugshinweise des StMUV sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie müssen aber jetzt von den unteren Behörden, von den Landratsämtern und den Wasserwirtschaftsämtern, beachtet werden. Dafür muss das Ministerium sorgen. Das StMUV steht weiter in der Pflicht“, stellt Schröder fest.

Weitere Ministerien in der Pflicht

Für die Wasserkraft sei zudem eine Dienstanweisung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) nötig, da dieses für die Fischerei und Fischereifachberater der Bezirke zuständig ist. „Außerdem sollte sich auch das Bayerische Innenministerium um eine gesetzeskonforme Umsetzung des Vorrangs kümmern, da erneuerbare Energien kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung der öffentlichen Sicherheit dienen.“ Ohne eine ausreichende Energieversorgung sind die Existenz des Staates, die öffentliche Ordnung und jeder Einzelne gefährdet.

Landwirtschafts- und Innenministerium sollten sich an dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz orientieren, appelliert Schröder im Namen der Wasserkraftverbände. Das Umweltministerium verlangt in seiner Dienstanweisung vom Februar 2023, dass die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes in allem staatlichen Handeln berücksichtigt wird, sofern im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Entscheidungsspielräume bestehen. „Der durch geltende Gesetze begründete, regelhafte Vorrang der erneuerbaren Energien vor anderen Schutzgütern muss in unserem Rechtsstaat von den Behörden beachtet werden und es braucht deutlich mehr Tempo bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen“, bekräftigt der VWB-Vorstand.

Laut einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2022 kann einer Maßnahme nicht entgegengehalten werden, dass sie nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz leistet. „Das heißt, auch kleinere Mengen regenerativer Strom sind nach der gesetzlichen Gewichtung ein wertvoller Beitrag. Ohne Zweifel wird die kleine Wasserkraft dadurch gestärkt“, unterstreicht Schröder.

Nach Auffassung der Lechwerke AG bedarf es für das Erreichen der Klimaneutralität nicht nur des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien. Nötig seien auch die richtigen Rahmenbedingungen, etwa für den notwendigen Ausbau der Stromnetze. Damit dies gelingt, haben die Lechwerke folgenden 10-Punkte-Plan zur Beschleunigung der Energiewende in Bayern erarbeitet:

1. Landesbedarfsplangesetz – Umsetzungskonzept zur Energiewende Bayerns: Staatsregierung, Landkreise und Kommunen sollten Vorrangflächen für den künftigen Erneuerbare Energien Ausbau festlegen. Sie sind Grundlage für eine zielgerichtete und vorausschauende Netzplanung.

2. „Spreu vom Weizen trennen“: Bayerns Staatsregierung muss darauf hinwirken, einen schnellen Anschluss von Erneuerbare Energien Anlagen mit hoher Realisierungswahrscheinlichkeit an die Stromnetze zu ermöglichen.

3. Clustering statt Einzelanfragen: Bayerns Staatsregierung, Kommunen und Netzbetreiber sollten ein Clustering von Erneuerbare Energien Anlagen an einem Netzanschluss („Einspeisesteckdose“) ermöglichen, um die Vielzahl an Einzelanfragen zu bündeln.

4. Sofortmaßnahme Genehmigungsbeschleunigung: Bayerns Staatsregierung, die Bezirksregierungen und Kommunen sollten ein Sofortmaßnahmenpaket zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren auf den Weg bringen.

5. Vereinfachungen für Erneuerbare Energien/Anlagen und Netzbetreiber: Bayerns Staatsregierung sollte im Bund auf eine Reduzierung von Komplexität und Bürokratie für den Anschluss Erneuerbarer Energien Anlagen und den damit beim Netzbetreiber verbunden Aufwand hinwirken.

6. Mehr Flexumer anreizen: Bayerns Staatsregierung muss Anreize schaffen, erneuerbare Stromerzeugung und Stromverbrauch örtlich und zeitlich in Einklang zu bringen. Erneuerbare Energien müssen regional dann verbraucht werden, wenn sie zur Verfügung stehen.

7. Gesicherte Leistung für Bayern: Die Staatsregierung muss ein Mindestmaß an gesicherter Erzeugungsleistung definieren und in den Regionen vorhalten.

8. Kupfer mit Köpfchen - Digitalisierung der Energieversorgung ermöglichen: Bayerns Staatsregierung sowie die Landes- und Bundesregulierungsbehörde sollten die Rahmenbedingungen zur Digitalisierung der Energieversorgung richtig setzen

9. Regulierung für die Klimaneutralität: Die Landes- und Bundesregulierungsbehörde muss den gestalterischen Auftrag von Netzbetreibern für eine klimaneutrale Energiezukunft anerkennen.

10. Akzeptanzkampagne „Pro Netzausbau“: Politik, Energiewirtschaft, Industrie, Kommunen und Verbände sollten positiv zum notwendigen Infrastrukturausbau kommunizieren.

DK

 

 

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