Nach den Worten von Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistags, „dürfen die vielen Trümpfe, die wir in Bayern aufgrund unserer leistungsfähigen Wirtschaft haben, nicht darüber hinwegtäuschen, dass Vorwärtsstrategien für alle ländlichen Räume notwendig sind und es für gleichwertige Lebensverhältnisse von Stadt und Land noch einiges zu tun gibt“. 4.0 betreffe nicht nur die Industrie und den privaten Bereich der Bürger, sondern vor allem auch die Verwaltung. Für Städte, Gemeinden und Landkreise gäbe es nur einen zukunftsfähigen Weg, nämlich den digitalen. Nachdem 80 bis 90 Prozent der Bürgerkontakte auf die Kommunen entfallen, trügen diese die Hauptlasten für den Ausbau der elektronischen Verwaltung, so Bernreiter.
E-Government-Pakt
Auf Drängen der Landkreise hat der Freistaat diese bisher mit dem Investitionsprogramm „BAYERN DIGITAL“, dem Bayerischen E-Government-Gesetz 2015 und dem E-Government-Pakt auf dem Weg zur digitalen Verwaltung unterstützt. So hat er sich unter anderem dazu verpflichtet, zentrale E-Government-Dienste wie die sichere Identifizierung, ein elektronisches Postfach und sicheres Bezahlen dauerhaft und betriebskostenfrei zur Verfügung zu stellen. Alle Landkreise nutzen diese zentralen Bausteine bereits und nehmen damit nicht nur bayern-, sondern auch bundesweit einen Spitzenplatz ein.
Online-Stellenbörse
Beim elektronischen Ausbau werden die Landkreise vom Bayerischen Innovationsring und den dort federführenden Landräten Josef Niedermaier (Bad Tölz-Wolfratshausen), Georg Huber (Mühl dorf a. Inn), Robert Niedergesäß (Ebersberg) und Armin Kroder (Nürnberger Land) unterstützt. Ein Leitfaden zum Thema E-Government oder die Etablierung einer neuen bayernweiten Online-Stellenbörse für die bayerischen Landratsämter konnten so bereits erfolgreich umgesetzt werden.
Datenschutz
Wie Bernreiter darlegte, bleibe die Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit eine der größten Herausforderungen für die digitale Verwaltung. „Wirtschaft und Bürger müssen darauf vertrauen können, dass ihre Daten bei uns sicher sind. Der Ausfall der IT kann nicht nur einzelne Aufgabenbereiche lahmlegen, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern für erheblichen Ärger sorgen. Hier sind nicht nur die Kommunen gefragt. Hier gilt es bundes- und landesweit entsprechende Regelungen zu schaffen“, unterstrich der Präsident.
„IT-Feuerwehr“
Mit dem sogenannten Bayern-CERT habe der Freistaat bereits eine „IT-Feuerwehr“ eingerichtet, die die Landratsämter bei akuten IT-Sicherheitsvorfällen unterstütze. Die Kreise bräuchten aber bereits im Vorfeld die Rückendeckung der Staatsregierung. Bernreiters Forderung: „Der Freistaat soll die Ende 2016 auslaufenden Förderprogramme zur Verbesserung der Informationssicherheit in den Kommunen im Doppelhaushalt 2016/2017 verlängern und die Beratungsangebote für die Landratsämter deutlich ausweiten.“
Sowohl Bund als auch Freistaat sollen die Landkreise zudem beim weiteren Ausbau der Breitbandversorgung unterstützen. Glasfaserausbau ist nach Auffassung des Bayerischen Landkreistags eine Grundvoraussetzung für die künftige Leistungsfähigkeit und die Attraktivität der kommunalen Infrastruktur. 95 Prozent der bayerischen Kommunen befänden sich bereits im Förderverfahren des Bayerischen Breitbandförderprogramms.
Unter den Landkreisen herrscht Einigkeit darüber, dass die nach Auslaufen der Förderprogramme verbleibenden Versorgungslücken mit Unterstützung des Freistaats schnellstmöglich geschlossen werden müssen. „Die Zukunftsfähigkeit unserer Landkreise wird sich an unserer Befähigung und Bereitschaft entscheiden, uns den Herausforderungen der digitalen Gesellschaft zu stellen“, machte Bernreiter deutlich.
Die Hochwasser- und Unwetterereignisse im Mai/Juni 2016 haben in zahlreichen bayerischen Landkreisen erhebliche Sachschäden verursacht und auch Todesopfer gefordert. Besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde der Landkreis Rottal-Inn; dort musste vom 1. bis 24. Juni 2016 der Katastrophenfall festgestellt werden. Auch die Landkreise Ansbach, Cham, Dingolfing-Landau, Freyung-Grafenau, Kelheim, Landshut, Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim, Passau, Regen, Straubing-Bogen, Weilheim-Schongau, Weißenburg-Gunzenhausen und Würzburg waren stark betroffen.
Hochwasseropfer
Für alle Opfer des Hochwassers wurde auf Anregung von Landkreistagspräsident Christian Bernreiter ein Spendenkonto beim Bayerischen Landkreistag eingerichtet. Alle 71 Landräte haben einen symbolischen Betrag von 100 Euro gespendet. Insgesamt sind in den vergangenen Monaten auf dem Spendenkonto 275.632,10 Euro zusammengekommen, die jetzt an die Betroffenen ausgereicht werden können. Schätzungen zufolge sind im Landkreis Rottal-Inn Schäden in Höhe von rund 1 Mrd. Euro entstanden. Die Hochwasser- und Unwetterereignisse haben ihn mehr als 15 Mal stärker getroffen als andere Landkreise. Aufgrund der Schwere und des Ausmaßes der Schäden beschloss das Präsidium des Bayerischen Landkreistags nunmehr, die eingegangenen Spendengelder vollständig an den Landkreis Rottal-Inn zur weiteren Verteilung an die Geschädigten vor Ort auszuzahlen. „Die Hochwasserschäden im Landkreis Rottal-Inn waren enorm. Es ist richtig, dass alle Landkreise zusammenstehen, wenn einer in eine besondere Notsituation gerät“, erklärte der Präsident.
Im Vorfeld zur diesjährigen Landrätetagung hatte sich das Präsidium des Bayerischen Landkreistags mit den vom Umweltministerium vorgelegten Eckpunkten für eine Strukturreform des amtlichen Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung befasst. Danach soll zur Kontrolle von Großbetrieben eine neue Kontrollbehörde mit zwei Außenstellen geschaffen werden. Kleinere Betriebe sollen in der Zuständigkeit der Landratsämter bleiben. Rund 1.000 komplexe Betriebe werden künftig in den Kontrollbereich der staatlichen Sonderbehörden fallen.
Tragfähiger Kompromiss
Mit der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Kontrollbehörde und den Landratsämtern wird nach Überzeugung der Landräte ein tragfähiger Kompromiss zwischen dem für Großbetriebe notwendigen Spezialwissen und der für kleinere Betriebe sinnvollen Ortsnähe getroffen. Laut Berneiter gibt es natürlich auch bei diesem Modell Überschneidungen. Auf Wunsch der Staatsregierung blieben die amtlichen Tierärzte beim Landratsamt angestellt. Wenn dieser künftig in einem Großbetrieb einen Hygienemangel feststellt, treffe er die Anordnung zur Beseitigung der Mängel im Namen der Kontrollbehörde, nicht im Namen des Landratsamtes.
„Trotz solcher Detailfragen sind wir überzeugt, dass dieser Kompromiss den anderen bisher in die Diskussion eingebrachten Modellen überlegen ist“, bemerkte der Verbandschef.
Die Staatsregierung hatte nach dem sog. Bayern-Ei-Skandal zunächst auf der Grundlage eines Gutachtens des Obersten Rechnungshofes überlegt, die Zuständigkeit für das amtliche Veterinärwesen und die Lebensmittelüberwachung vollständig von den Landratsämtern auf zwei Regierungen mit 25 Außenstellen zu übertragen. „Damit wäre die Ortsnähe für die kleineren und mittelgroßen Betriebe dahin gewesen. Auch die Verwaltungskompetenz der Landratsämter wäre verloren gegangen. Die in vielen Fällen notwendige Zusammenarbeit zwischen verschiedenen auf der Kreisstufe angesiedelten Behörden wäre erschwert worden“, erläuterte Bernreiter.
Das Ministerium beabsichtigt, Anfang November den Entwurf für eine Verordnung vorzulegen. „Wir hoffen, dass mit dieser Strukturreform eine entscheidende Verbesserung eintritt. Aber auch damit wird man Lebensmittelskandale in der Zukunft leider nicht vollkommen ausschließen können. Eine totale Sicherheit gibt es leider nicht und kann auch nicht durch eine noch so gute amtliche Kontrolle erreicht werden“, führte Bernreiter aus.
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