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(GZ-19-2023 - 12. Oktober)
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► Deutscher Pflegetag in Berlin:

 

Bausteine für eine krisenfeste Versorgung

 

Übertragung von Heilkundetätigkeiten, bessere Bildung und Arbeitsbedingungen sowie politische Mitbestimmung fordert der Deutsche Pflegerat e.V. für die Pflege. Eine aktuelle forsa-Umfrage zum Thema Pflege im Auftrag des Bosch Health Campus stützt die Positionen, wie Präsidentin Christine Vogler beim Deutschen Pflegetag in Berlin deutlich machte: „Seit vielen Jahren richten wir uns wieder und wieder mit Forderungen an die Bundesregierung und zeigen den Handlungsbedarf auf, um die Pflege zukunftssicher zu machen. Und diese Forderungen sind begründet – durch nationale und internationale Studien, durch Beispiele aus anderen Ländern und mit sorgenvollem Blick auf die demografische Situation.“

Vor über 3.500 Teilnehmern forderte Vogler, das Potenzial der beruflich Pflegenden zu nutzen, um die Pflege- und Gesundheitsversorgung zu sichern. Dies sei der wesentliche Baustein für eine nachhaltige und krisenfeste Versorgung. „Die Fachkräftesicherung in der Pflege ist der Schlüssel für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und damit für unsere Demokratie. Die gesellschaftliche Haltung zum Thema Pflege muss sich entscheidend ändern.“

Bessere Rahmenbedingungen

Wichtige Punkte blieben weiterhin die Bezahlung sowie bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte. Vogler plädierte für eine Anhebung des Einstiegsgehalts von 4.000 bis 4.500 Euro für Fachkräfte. In der Bevölkerung befürworten laut forsa-Umfrage 91 Prozent eine bessere Bezahlung des Pflegepersonals und 79 Prozent eine Festlegung verbindlicher Personalbemessungsgrenzen.

Berufsrückkehrer gewinnen

„Durch eine solche Verbesserung der Arbeitsbedingungen lassen sich Berufsrückkehrer gewinnen und Teilzeitbeschäftige überzeugen, ihre Stundenzahl auszuweiten“, zeigte sich die Präsidentin überzeugt. Auch Pflegefachpersonen aus dem Ausland müssten verstärkt in den Blick genommen werden. Sie benötigten eine nachhaltige Begleitung und weniger bürokratische Hürden im Anerkennungsverfahren.

Die Ergebnisse der forsa-Umfrage zeigten zudem, dass die Bevölkerung – zumindest bislang – Zweifel an einer gelungenen Umsetzung dieser Aspekte hat: 92 Prozent der Befragten vertrauen nicht darauf, dass die Politik in Zukunft eine qualitativ hochwertige und bezahlbare pflegerische Versorgung für alle Bürger sicherstellt. Nur sieben Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Politik für die Aufgaben der pflegerischen Versorgung vorbereitet ist.

Befugnisse ausweiten

Außerdem schlug Vogler vor, die Befugnisse für Pflegefachkräfte auszuweiten, um ihren Beruf etwa bei der pflegerischen Diagnostik, Therapie und Betreuung souverän ausüben zu können. Die Übertragung von Heilkundetätigkeiten sei dabei unerlässlich und in anderen Ländern schon lange selbstverständlich. „Wir müssen moderne und versorgungsrelevante neue Berufsbilder wie die Community Health Nurse oder die Schulgesundheitspflege einführen. So schaffen wir Perspektiven, mit denen wir Pflegefachpersonen im Beruf und in Deutschland halten können.“

Darüber hinaus brauche es durchlässige und bundesweit gültige Pflegebildungsstrukturen. Es komme auf gute Bildungsmöglichkeiten für alle an, die im Bereich Pflege professionell tätig sind – von der Pflegefachassistenz bis zur Professur.

„Der Föderalismus wirkt hier wie eine Bremse. Es führt kein Weg daran vorbei, Weiterbildungsangebote und Studiengänge an Hochschulen auszubauen“, erläuterte die Präsidentin des Deutschen Pflegerats.

Überdies muss aus ihrer Sicht die Pflege mehr an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. „Nicht Politiker oder Ärzte, nur beruflich Pflegende kennen den Arbeitsalltag in der Praxis. Sie wissen deswegen, welche Maßnahmen wirklich helfen, um die professionelle Pflege voranzubringen.“ Aus diesem Grund seien Selbstverwaltungsstrukturen im Bund und in allen Ländern in Form von Pflegekammern ein wichtiger Schritt, den die Politik gehen müsse.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant, die Arbeit von Pflegekräften mit zusätzlichen Kompetenzen aufzuwerten. Dies werde den Beruf deutlich attraktiver machen. Deutschland nutze das fachliche Potenzial der Pflege in Deutschland viel zu wenig, betonte Lauterbach. Deshalb arbeite sein Ministerium an einer Gesetzesänderung, die den Pflegekräften mehr Entscheidungsspielraum bei ihrer Arbeit geben soll.

In Deutschland arbeiten rund 1,7 Millionen Menschen als Pflegekräfte in Krankenhäusern und Altenheimen. Rund fünf Millionen Menschen sind pflegebedürftig, die große Mehrheit wird von Angehörigen versorgt. In den vergangenen beiden Jahren blieben rund 30.000 Stellen in der Pflege unbesetzt. In gut zehn Jahren werden dem Institut der Deutschen Wirtschaft zufolge 130.000 bis 150.000 mehr Pflegekräfte gebraucht als heute.

Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek warb in Berlin für eine digitale bayerische Pflegebörse: „Die Suche nach einem Pflegeplatz muss so einfach wie möglich sein. Unsere Antwort auf diese Herausforderung ist digital. Wir bündeln Pflege-, Versorgungs- und Beratungsangebote auf einer Plattform und machen sie niederschwellig zugänglich. Dafür richten wir ab Anfang 2024 eine Online-Pflegebörse ein, die alle Informationen für den ganzen Freistaat leicht zugänglich zusammenfasst.“ Optimale Pflegeangebote daheim oder stationär mit nur wenigen Klicks sei das Ziel.

Strategie „Gute Pflege. Daheim in Bayern“

Holetschek zufolge soll das Angebot für die Bürger kostenlos bleiben. Damit schaffe der Freistaat ein bundesweit einmaliges Angebot für eine passgenaue Suche in einem ganzen Bundesland. Wir unterstützen das Projekt in den ersten sechs Jahren mit insgesamt 293.000 Euro.“ Umsetzungspartner ist die Firma Recare Deutschland GmbH aus Berlin. Die Pflegebörse ist Teil der bayerischen Strategie „Gute Pflege. Daheim in Bayern“.

Der Minister nutzte den Deutschen Pflegetag auch für Gespräche mit Branchenvertretern. Dabei warb er für seinen Vorschlag eines bundesweiten „Paktes für die Pflege“. Dieser solle ein breites Konzept für Reformen entwerfen, mit denen der Pflegeberuf attraktiver wird und die pflegerische Versorgung verbessert werden kann. Dabei könnten kreative Wege, wie etwa steuerfreie Gehaltsbestandteile das Gehalt verbessern. Hinzu kämen vor allem attraktive Arbeitsbedingungen, die über verlässliche Arbeitszeiten durch die Finanzierung von Springerkonzepten möglich wären. „Ebenso sollten wir als Gesellschaft mehr für pflegende Angehörige tun, zum Beispiel Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige einführen“, forderte Holetschek abschließend.

DK

 

 

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