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(GZ-22-2023 - 23. November)
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► Einigung beim Bund-Länder-Gipfel in Berlin:

 

Illegale Migration eindämmen

Ergebnisse – Bewertungen – Beschlüsse

 

Beim Treffen der 16 Regierungschefs der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin kamen eine ganze Reihe brisanter Themen auf den Tisch. Die Eindämmung illegaler Migration und die Finanzierung der Asylpolitik standen ebenso auf der Agenda der Marathonsitzung, wie das Tempo bei Planungen und das Deutschlandticket.

Bund und Länder einigten sich auf einen Beschleunigungspakt zur Verschlankung von Verfahren und zur Reduzierung von Genehmigungsverfahren. So sollen etwa der Bau von Wohnungen, der Ausbau von Dachgeschossen und das Aufstellen von Mobilfunkmasten erleichtert werden.

Konzepte für Deutschlandticket

Um das Deutschlandticket im Nahverkehr zu finanzieren, ist die Möglichkeit vorgesehen, in diesem Jahr nicht verbrauchte Mittel 2024 für den Ausgleich finanzieller Nachteile bei Verkehrsunternehmen einzusetzen. Außerdem sollen die Verkehrsminister beauftragt werden, ein Konzept zur Durchführung des Tickets ab 2024 vorzulegen. In den Blick rückt dabei auch der Preis von bisher 49 Euro im Monat, der von vornherein als „Einführungspreis“ bezeichnet worden war.

Verfahren in drei Monaten abschließen

Der hart errungene Kompromiss beim Thema Fluchtmigration sieht unter anderem vor, die Zahl der nach Deutschland Geflüchteten deutlich und nachhaltig zu senken. Asylverfahren für Angehörige von Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, sollen zügiger als bisher abgeschlossen werden. Ziel ist, das Asyl- und das anschließende Gerichtsverfahren bei ihnen jeweils in drei Monaten abzuschließen. In allen anderen Fällen sollen die Asylverfahren regelhaft nach sechs Monaten beendet sein.
Geplant ist, die Grenzkontrollen an den Landesgrenzen zu Österreich, zur Schweiz, zur Tschechischen Republik und zu Polen aufrechtzuerhalten. Die Länder und die Bundespolizei wollen weiter eng bei der Bekämpfung der Schleusungskriminalität und der irregulären Einwanderung zusammenarbeiten.

Pro-Kopf-Pauschale

Die bestehende Flüchtlingspauschale des Bundes soll ab dem nächsten Jahr zu einer von der Zahl der Schutzsuchenden abhängigen Pro-Kopf-Pauschale weiterentwickelt werden („atmendes System“). Ab 2024 zahlt der Bund für jeden Asylerstantragssteller eine jährliche Pauschale von 7500 Euro. In der ersten Hälfte des Jahres 2024 ist eine Abschlagszahlung in Höhe von 1,75 Milliarden Euro vorgesehen.

Die neue Pauschale und Anpassungen bei Leistungen für Asylbewerber würden laut dem Beschlusspapier im kommenden Jahr zu einer Entlastung bei Ländern und Kommunen von rund 3,5 Milliarden Euro führen - basierend auf den Zugangszahlen dieses Jahres.

Bezahlkarte

Barauszahlungen an Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen eingeschränkt werden, um den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen zu minimieren. Hierzu soll eine Bezahlkarte eingeführt werden.

Leistungseinschränkungen

Für Asylbewerber, die seit mehr als eineinhalb Jahren in Deutschland sind, ist die Einschränkung von Leistungen geplant: Wenn sich ein Asylverfahren lange hinziehe, sollten nicht 18, sondern 36 Monate lang Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz gezahlt werden. Bislang steigen die Sätze nach eineinhalb Jahren ungefähr auf Höhe der regulären Sozialhilfe - dieser Schritt soll künftig später erfolgen.

Die Bundesregierung will testen, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind. Geprüft werden soll, ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention künftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann.

Soziale Pullfaktoren reduzieren

In einer ersten Stellungnahme zu den Beschlüssen des Migrationsgipfels betonte der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin, Fürstenfeldbruck: „Die Abschaffung von Geldleistungen und die gleichzeitige Einführung eines Bezahlkartensystems für Sachleistungen für Asylbewerber sind ebenso wie die Senkung der Sozialleistungen durch eine Ausweitung der Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wichtig, um soziale Pullfaktoren zu reduzieren. Außerdem wird der sogenannten verdeckten Entwicklungshilfe durch Überweisungen in die Heimatländer der Garaus gemacht. Man hätte das Niveau der Sozialleistungen aber verschärft angehen müssen, indem man über die Höhe der Asylbewerberleistungen an sich diskutiert hätte. Im europaweiten Vergleich sind wir zu großzügig“, konstatierte der Verbandspräsident.

Karmasin zufolge war der Freistaat Bayern bei der Asylunterbringung schon bisher ein verlässlicher Partner der Kommunen. Enttäuschend sei die komplette Vernachlässigung der Rolle von Bund und Ländern bei der Unterbringung insgesamt. Schnelle Entlastung würden die Kommunen vor allem dadurch erfahren, wenn Flüchtlinge so lange in von Bund und Land geschaffenen zentralen Einrichtungen verbleiben müssten, bis ihre Bleibeperspektive geklärt wäre. In der Fläche dürften nur solche mit erfolgreicher Perspektive ankommen. Auch sei unter anderem offenbar „keine Einigung zum Schutz und zur Sicherung unserer Grenzen sowie zur Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten“ gefunden worden, stellte der Landkreistagschef fest.

Weitere Entscheidungen

„Die Beschlüsse der letzten Nacht sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie waren längst überfällig und müssen nun schnell umgesetzt werden. Allerdings werden sie allein nicht ausreichen, weitere Entscheidungen müssen folgen“, erklärte der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr. Die erhöhte finanzielle Unterstützung des Bundes müsse ungekürzt und ohne Verzögerung durch den Freistaat für Versorgungsleistungen und Integrationsmaßnahmen der Kommunen bereitgestellt werden. Die gesetzliche Ausgestaltung der vereinbarten Kopfpauschale und das damit zusammenhängende atmende System seien gemeinsam und zeitnah mit den kommunalen Spitzenverbänden zu erarbeiten.

Zudem müsse sich in der Praxis zeigen, inwieweit die jetzt beschlossenen Maßnahmen tatsächlich greifen. Die Beschleunigung der Asylverfahren sei nötig, um Integrationsmaßnahmen für Bleibeberechtigte rechtzeitig einleiten zu können, etwa für Sprachkurse. Dies könne jedoch nur mit einer personellen Stärkung der Ausländerbehörden funktionieren. Bürokratieabbau, Digitalisierung und rechtliche Vereinfachungen im Asylverfahren seien für eine spürbare Beschleunigung unerlässlich. Ebenso schnell müssten Abschiebungen von ausreisepflichtigen Asylbewerbern vollzogen werden. Die angekündigten Leistungsbeschränkungen und die Prüfung der Verlagerung der Asylverfahren in Herkunfts- oder Drittstaaten seien weitere wichtige Schritte hin zu einer regulierten Migration.

Schnelle Umsetzung

„Entscheidend kommt es darauf an, dass es jetzt zu einer schnellen Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen kommt. Dazu gehören die Beschleunigung der Asylverfahren und die Ausweitung der Zeitspanne, bis Asylbewerber Bürgergeld beziehen, von 18 auf 36 Monate. Dies kann die Kosten nach Schätzungen um bis zu eine Milliarde Euro reduzieren“, hob der Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Dr. Uwe Brandl, hervor.

Die Bereitschaft des Bundes, 7.500 Euro pro Jahr und Asylbewerber zu bezahlen, ist laut Brandl eine deutliche Entlastung für die Kommunen. Man dürfe sich allerdings nicht der Illusion hingeben, dass jetzt kurzfristig mit einem deutlichen Rückgang der Zuzugszahlen zu rechnen ist. Weitere Rückführabkommen mit den Herkunftsländern müssten auf den Weg gebracht werden. „Leider gab es keine Einigung, weitere sichere Herkunftsländer zu definieren. Das ist unverständlich und ärgerlich“, mahnte der Gemeindetagspräsident an.

Inzwischen hat der bayerische Ministerrat beschlossen, im Frühjahr 2024 ein bayernweites Bezahlkartensystem für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einzuführen. Hiermit sollen Bargeldleistungen weitestgehend ersetzt werden. Die Bezahlkarte soll in allen ANKER-Zentren und auch in den Asylunterkünften der Anschlussunterbringung eingeführt werden, soweit dies nach den bundesrechtlichen Vorgaben möglich ist und Leistungen nicht bereits als Sachleistungen erbracht werden. Mit der Bezahlkarte können die Leistungsberechtigen ähnlich einer „EC-Karte“ in Geschäften bezahlen. Dabei wird die Nutzung jedoch verschiedenen Einschränkungen unterliegen. So sollen beispielsweise keine Überweisungen oder online-Käufe möglich sein, der Einsatzbereich kann bei Bedarf geografisch beschränkt oder bestimmte Händlergruppen ausgeschlossen werden. Barabhebungen sind auf das rechtlich gebotene Minimum zu beschränken. 

Nach Auffassung des Ministerrats bedarf es einer realistischen Integrationsgrenze für Deutschland, die sich am Leistungs- und Integrationsvermögen der Kommunen orientiert. Dazu müsse auch eine kluge Weiterentwicklung des Verfassungsrechts geprüft werden. Soweit möglich seien nationale Asylverfahren künftig in Drittstaaten durchzuführen. Um Asylverfahren zu beschleunigen, wird der Freistaat eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen. Dabei geht es vor allem darum, durch eine Ausweitung des Kreises „sicherer Herkunftsstaaten“ beispielsweise auf Algerien, Armenien, Indien, Marokko und Tunesien den Rechtsschutz auf das Eilverfahren zu konzentrieren. Denn Personen aus sicheren Herkunftsstaaten können nach für sie erfolglosem Abschluss des Eilverfahrens nach bereits geltender Rechtslage grundsätzlich abgeschoben werden.

Bund in der Verantwortung

Der Bund steht laut Ministerrat auch bei den Ergebnissen der Ministerpräsidentenkonferenz in der Verantwortung. Dies gelte vor allem für die Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters zu einer bundesweiten zentralen Plattform aller im Migrationsbereich tätigen Behörden und Gerichte. Gleichzeitig werde Bayern die Digitalisierung der Ausländerbehörden im engen Schulterschluss mit den Kommunalen Spitzenverbänden weiter forcieren.

Ein Meilenstein dafür ist die Entscheidung der Staatsregierung, die bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte mit einer einmaligen zweckgebundenen Integrations-, Asyl- und Digitalisierungspauschale in Höhe von 120 Millionen Euro zu unterstützen, wobei ein Anteil von mindestens 15 Prozent für Digitalisierung zu verwenden ist. Gleichzeitig fließen neun Millionen Euro in die Digitalisierung der staatlichen Ausländerbehörden.

DK

 


TV-Beitrag von TV-Bayern.

 

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