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(GZ-23-2023 - 7. Dezember)
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► Ethikratsvorsitzende fordert im Münchner Presse-Club blindes Vertrauen:

 

„Dem Auto vertraut man doch auch!“

 

„Ich setze mich ins Auto und vertraue darauf, dass es funktioniert.“ Und zwar ohne die Funktionsweise zu verstehen: „Ich würde auch nicht verstehen, wie meine Mikrowelle funktioniert, das interessiert mich auch nicht“, so begründete Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, ihre Forderung danach, dass Bürgerinnen und Bürger ‚der Wissenschaft‘, wie sie sie versteht, unreflektiertes Vertrauen entgegenzubringen haben. Immerhin, so ergänzte sie im Münchner Presseclub, stünden sonst auch die Medien – insbesondere die öffentlich-rechtlichen – schnell am Pranger.

„Zerbricht unsere Gesellschaft an Hass und Hetze?“, lautete der eigentliche Vortragstitel, zu dem PresseClub-Ehrenvorsitzender Peter Schmalz die Ethikrats-Vorsitzende eingeladen

hatte. Recherchen im Internet ließen ein interessiertes Publikum auf ein breites Themenspektrum der Veranstaltung hoffen. Buyx fand aber schnell das Thema, das ihr offenbar besonders auf den Nägeln brannte: In Teilen der Bevölkerung macht sie die feste Überzeugung aus, dass die Corona-Impfungen nutzlos, mehr noch, sogar gefährlich seien. „Leider haben wir gerade Impfmüdigkeit“, bedauerte die Medizinethikerin, die in Corona-Hochzeiten „Jetzt impfen, was die Spritze hergibt“, forderte. Auf explizite Nachfrage erzählt sie von ihrer bevorstehenden fünften C-Impfung und weiterer Antigenkontakte.

Zu jedem Problem sollte man beide Parteien hören, versicherte Buyx. „Was man jedoch von Seiten der Impfgegner zu hören bekomme, erklärte sie lapidar, „sei alles totaler Quatsch“.

Kein Wunder, dass sich nach der Veranstaltung im Internet sehr schnell eine große Empörungswelle Bahn brach. Dabei waren es keineswegs nur Impfskeptiker, die sich über nicht verifizierbare Aussagen echauffierten; vielmehr waren es Hunderte Kritiker, die sich über den Ton empörten, in dem sich die Wissenschaftlerin gegen jede und jeden wandte, der nicht ihre Auffassung teilt.

„Schwachsinn und Kokolores“

Immer wieder, so Buyx, erhalte sie von diesen Leuten „Pamphlete“, die auf den ersten Blick sogar wie wissenschaftliche Paper aussähen: „Aber gehen Sie da mal rein, es ist alles totaler Kokolores.“ Zwar wimmle es vor Quellen. Doch komme man schnell auf Webseiten, wo einem jemand „irgendeinen Schwachsinn verkaufen will“. Alena Buyx kann die um sich greifende Skepsis, was die Corona-Maßnahmen, die Corona-Impfung, überhaupt die Politik und die Wissenschaft anbelangt, nicht nachvollziehen. Sie fordert von den Bürgern, mehr zu vertrauen. In anderer Hinsicht vertraue man doch auch: Auto, Mikrowelle ... das wolle man doch auch nicht verstehen.

„Komplexitätsreduktion“

Als Vorsitzende des Ethikrats kümmern sie die Erfordernisse menschlichen Zusammenlebens, versicherte sie. Vertrauen sieht sie als eine Grundvoraussetzung für ein gelingendes Miteinander an. In einer komplexen Welt sei es schwierig, ein gesellschaftliches Wir zu bewahren, vermutet Buyx. Eben deshalb sei Vertrauen so wichtig: „Das ist das Mittel für Komplexitätsreduktion“. Sie appellierte, mehr auf den Gesetzgeber zu vertrauen. Die breite Bevölkerung müsse Gesetzentwürfe nicht verstehen. Ein derartiges Ansinnen wäre direkt „absurd“: Wörtlich meinte sie: „Mein Anspruch als Bürger ist, dass das Gesetz so gemacht ist, dass es für uns alle die bestmögliche Version ist.“

Große Sorgen bereitet ihr, dass man inzwischen nicht mehr nur hier und da auf einen verirrten Quertreiber trifft. Viele Menschen, findet sie, sind skeptisch und zweifeln. Vor kurzem erst habe sie etliche dieser Zweifler bei einem Untersuchungsausschuss in Brandenburg getroffen. „Das sollte ein Vehikel sein, um Misstrauen und Skepsis zu schüren“, so ihr Urteil. Was wäre denn die Quittung für einen lascheren Umgang mit dem Corona-Virus gewesen? „Die zwei Wochen, die der zweite Lockdown im Herbst 2020 verspätet kam, haben 50.000 Menschen das Leben gekostet“, behauptete Buyx. Hierzu gäbe es einen „Sachstand, der sich erhärtet“. Die Impfung habe bisher mindestens 1,5 Millionen Menschenleben in Europa gerettet.

Doch kein Einfluss?

Eben diese Zahlen halten Kritiker für völlig unkorrekt. Sie berufen sich unter anderem auf eine Anfang 2022 veröffentlichte Meta-Studie von Forschern der Johns-Hopkins-Universität, nach welcher der harte Lockdown während der ersten Corona-Welle in den USA und Europa so gut wie keine Leben rettete. „Wir finden keine Beweise dafür, dass Abriegelungen, Schulschließungen, Grenzschließungen und die Einschränkung von Versammlungen einen spürbaren Einfluss auf die Covid-19-Sterblichkeit hatten“, heißt es in dem Bericht.

Eine scharfe Trennung der einzelnen Corona-Maßnahmen hält Buyx für nicht möglich. Deshalb, so ihre Behauptung, seien auch keine Effekte einzelner Instrumente eruierbar. Sie behauptet, dass es dem Zusammenspiel aller Maßnahmen zu verdanken sei, dass so viele Menschen gerettet wurden. „Das, findet sie, „müsste offensiver kommuniziert werden.“
Dass ihr TikTok-User und Twitterer in vielem heftig widersprechen, ist der Ethikerin bekannt. Doch angesichts der nach ihrer Ansicht vielen geretteten Menschenleben sei es inakzeptabel, wie die Debatten in den sozialen Netzwerken laufen. „Man redet darüber, wie falsch alles war, wie zu stark, wie zu übergriffig und wie zu schrecklich“, konstatierte sie: „Doch es ging um Menschenleben, das war keine Kleinigkeit.“

„Schlimmes Zeug“

Verrohung in den sozialen Medien bekomme Buyx am eigenen Leib zu spüren, beklagte sie: „Wenn Sie in die Tiefen des Internets gehen, zu Tichy, Reitschuster, da finden Sie wirklich schlimmes Zeug über mich, was ich angeblich gesagt oder gemacht habe.“ In der Tat gibt es Zitate von ihr, die ihr Kritiker bis heute nicht verzeihen. So wird Buyx Impfnötigung vorgeworfen. „Gibt es eine moralische Pflicht, sich impfen zu lassen? Ja!“, erklärte sie in einem „Spiegel“-Interview im Februar 2021.
Auch auf der umstrittenen Onlineplattform „Ich habe mitgemacht“ ist sie mit einem Zitat vertreten. Demnach sprach sie sich im August 2021 zwar für das 3G-Modell aus, „weil es mehr Teilhabe bietet“. Sollte sich die Situation aber weiter verschlechtern, sagte sie, sei „2G ethisch vertretbar“.

Besonders scharfzüngig geht Boris Reitschuster mit der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats um. In einem Bericht vom September 2021 warf er Buyx mit Blick auf ihre Impfforderungen vor, einen „vollkommen desolaten Moralkompass“ zu haben. Reitschuster verwies in seinem Artikel auf die Sicherheitsberichte des PEI, die damals schon von schwerwiegenden Impf-Nebenwirkungen sprachen. Er bezog sich weiter auf die europäische Datenbank für Arzneimittelnebenwirkungen, wo Ende August 2021 schon rund eine Million „serious cases“ gelistet waren.

Gut gestaltete Aufarbeitung

Man muss beiden Seiten gerecht werden, sagte die Referentin. Darum sei sie auch für Aufarbeitung: „Doch das muss wirklich gut gestaltet sein.“ Alena Buyx räumt ein, dass in der Maßnahmenzeit keineswegs alles tadelsfrei gelaufen ist. Doch nach ihrer Auffassung habe man es nicht besser wissen können. Die vehemente Suche nach Schuldigen macht sie auf jeden Fall besorgt. Diese Schuldigen, erklärte sie den anwesenden Pressevertretern, würden im Übrigen nicht nur in der Politik und in der Wissenschaft, sondern auch bei den Medien gesucht.

In der Tat gibt es in weiten Teilen der Bevölkerung ebenso wie bei bei Medizinern, Epidemiologen, Virologen, Juristen, Journalisten und Politikern viel Empörung darüber, dass ein Großteil der Presse während der Hochzeit der Krise in der Berichterstattung gegenüber Ungeimpften und als „Querdenker“ geframten Bürgern äußerst einseitig berichtete. Wegen dieser Missstimmung, so schlägt Buyx in deutlich drohendem Unterton vor, sollten gerade auch Journalisten an einer „gut gemachten“ Aufarbeitung interessiert sein: „Sie wären nicht außen vor, das wissen Sie ganz genau.“ Auch in punkto Medien würden massiv Zweifel gesät.

 aha

 

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