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(GZ-7-2024 - 28. März)
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► Offener Brief der Krankenhausgesellschaften:

 

Scharfe Kritik an Lauterbach

 

Die 16 Krankenhausgesellschaften der Länder haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in einem offenen Brief scharf kritisiert. In dem Schreiben werfen sie ihm vor, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mit der Argumentation der AfD gleichzusetzen. „Diese Entgleisung“ sei der „Tiefpunkt“ einer „andauernden Diffamierung der Deutschen Krankenhausgesellschaft und ihrer hochrangigen Vertreter“. Auslöser ist die noch unveröffentlichte Plakatkampagne „Alarmstufe Rot“ der DKG, mit der vor dem „kalten Strukturwandel“ in der Krankenhauslandschaft und einem prognostizierten Krankenhaussterben gewarnt werden soll.

In ihrem Brief fordern die Unterzeichner, darunter Landrätin Tamara Bischof, 1. Vorsitzende der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Lauterbach nun auf, sich von seinem „unsäglichen Vergleich und dem Vorwurf der Hetze“ zu distanzieren und mit der DKG und ihren Mitgliedsverbänden in einen „konstruktiven Dialog“ einzutreten. „Ihr Versuch, durch die Gleichsetzung der Argumentation der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit der einer in Teilen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei Ihren inhaltlichen Kritiker bei der Krankenhausreform mundtot zu machen und zu diskreditieren, ist ein Schaden für das demokratische Miteinander in Deutschland“, urteilen die Verfasser.

Lobbyistenvorwurf

Seit Beginn seiner Amtszeit habe Lauterbach jedes Angebot für eine aktive Mitwirkung an der geplanten Krankenhausreform ausgeschlagen, heißt es in dem Schriftstück. „Stattdessen mussten wir uns wiederholt Ihren Lobbyistenvorwurf gefallen lassen, obwohl Sie wissen, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft der vom Gesetzgeber bestimmte Selbstverwaltungsträger für die deutschen Krankenhäuser und damit für die flächendeckende Gesundheitsversorgung ist, und damit legitimer und vom Gesetz bevollmächtigter Vertreter der deutschen Krankenhäuser gegenüber der Politik.“ Die „mit angeblichen Fakten geführte Qualitätsdebatte“ ziele darauf ab, die deutsche Krankenhauslandschaft in gute und schlechte Krankenhäuser zu spalten und die Bevölkerung mit Blick auf die Versorgungsqualität in ihrer Heimatregion zu verunsichern.

Insolvenzen und Krankenhausschließungen

Die Krankenhausversorgung in Deutschland steht mitten in einem kalten Strukturwandel. Neben den bekannten Insolvenzen und Krankenhausschließungen sind praktisch alle Krankenhausträger aktuell gezwungen, harte Kostensenkungsmaßnahmen durchzuführen, die unweigerlich auch zu einer Beeinträchtigung der Patientenversorgung führen werden. Auf diese Zusammenhänge und Ihre Verantwortung als zuständiger Minister hinzuweisen ist keine „Hetze“, sondern notwendiger Ausdruck unserer tiefen Sorge um die Patientenversorgung in Deutschland. Ihre Botschaften von der Entökonomisierung, Entbürokratisierung und der Existenzsicherung bedarfsnotwendiger Krankenhäuser sind ohne Substanz. Kein Vorschlag von Ihnen erreicht diese Ziele, wie unsere Auswirkungsanalysen zu Ihren Reformansätzen zeigen.

Sie haben die Gelegenheit verpasst, als Ergänzung zum Transparenzgesetz eine Anpassung der Landesbasisfallwerte vorzunehmen und damit den kalten Strukturwandel abzumildern und dies auch ohne jede negative Konsequenz für die Beitragszahler. Die Lösung dafür steht im Koalitionsvertrag, nämlich der erhöhte Steuerzuschuss zum Ausgleich für versicherungsfremde Leistungen. Sie aber unternehmen nichts in diese Richtung. Damit tragen Sie als Minister die Verantwortung für die aus dem kalten Strukturwandel resultierenden Beeinträchtigungen der Patientenversorgung in Deutschland.

Erste Schritte zu künftigen Strukturveränderungen in der bayerischen Krankenhauslandschaft im Zuge des medizinisch-pflegerischen Fortschritts und des Fachkräftemangels, die während der Corona-Pandemie zurückgestellt werden mussten, sieht Roland Engehausen, Geschäftsführer der BKG, im veröffentlichten fortgeschriebenen Bayerischen Krankenhausplan 2024. „Die Krankenhäuser in Bayern haben im letzten Jahr bereits spürbar damit begonnen, sich auf erforderliche Veränderungsprozesse einzustellen. Erste Anpassungen wurden bereits umgesetzt und sind im neuen Krankenhausplan sichtbar. Es erfolgte eine Anpassung auf neue Leistungsanforderungen etwa durch den Ausbau von Kapazitäten in der insbesondere teilstationären psychosomatischen Versorgung. In anderen Leistungsbereichen, wie der stationären Allgemeinchirurgie, gab es erste stationäre Kapazitätsrückgänge, auch weil ambulante Operationen verstärkt möglich sind. Ein Trend zu höherer Spezialisierung ist erkennbar.“

Enormer Kostendruck

„Wir bewerten es positiv, dass sich die Krankenhäuser bereits auf den Weg zu einem bedarfsgerechten Strukturwandel machen und nicht auf die Krankenhausreform des Bundes warten, die ins Stocken geraten ist. Besorgniserregend ist aber, dass es bereits im letzten Jahr auch Fachabteilungs- bzw. Standortschließungen gab, die in erster Linie auf den enormen Kostendruck der Kliniken zurückzuführen sind“, erläutert BKG-Vorsitzende Tamara Bischof. „Die aktuelle finanzielle Schieflage der Krankenhäuser seit 2022 führt nicht nur dazu, dass im letzten Jahr etwa 8 von 10 Krankenhäusern mit Defiziten zu kämpfen haben, sondern führt auch zu einem kalten Strukturwandel aufgrund von Rekorddefiziten.“

Mit Blick auf dieses Jahr geht die BKG von größeren Veränderungen in der Krankenhauslandschaft aus. Diese Veränderungen ließen sich oftmals nicht aufhalten. Die Krankenhausreform soll nach aktuellem Stand ab 2025 in mehreren Schritten eingeführt werden und erst ab 2027 vollständig wirken. Neben dem erforderlichen Strukturwandel bezüglich des Fortschritts in der Medizin, digitaler Möglichkeiten wie Telemedizin sowie dem demographischen Wandel befürchtet die BKG allerdings, dass in den nächsten Monaten Leistungskürzungen aus Kostendruck dominieren werden.

„Während die Krankenhäuser einerseits richtigerweise hohe Tarifsteigerungen in 2024 zu finanzieren haben, läuft zeitgleich der bisherige Hilfsfonds zum Ausgleich inflationsbedingter Kostensteigerungen am 30. April völlig ersatzlos aus. Die bedrohliche Defizitsituation wird sich unter dem Strich in diesem Jahr sogar nochmals verschärfen, wodurch Einschnitte in der Versorgung kaum zu verhindern sind“, erläutert Engehausen und fordert den Bund auf: „Wir benötigen eine Regelung für 2024, die sich in den Bilanzen der Krankenhäuser positiv abbildet. Mit vorgezogenen Auszahlungen bestehender Ansprüche und vagen Absichtserklärungen der Bundespolitik kann keine Insolvenz verhindert werden.“

Hoffnung setzt die BKG auf die geplanten Möglichkeiten der Umwandlung von bisherigen Krankenhäusern in sogenannte ambulant-stationäre Versorgungseinrichtungen, die der Bund mit der Abkürzung „Level 1i“ in seiner Reform beschreibt. Dafür würden sich aus Sicht der BKG mehrere Standorte in Bayern eignen, sofern die integrierte Notfallversorgung verlässlich geklärt ist.

Um einen transparenten Einblick in die Veränderungen der bayerischen Krankenhausversorgung zu ermöglichen, arbeitet die BKG derzeit an einer interaktiven Karte, in der Veränderungen künftig transparent abgebildet werden. Laut Tamara Bischof ist im Laufe des zweiten Quartals eine Veröffentlichung der Landkarte zum Krankenhausstrukturwandel in Bayern auf der Homepage der BKG geplant, die auch in den kommenden Jahren die Entwicklungen jeweils aktuell abbilden soll.

DK

 

 

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