Auch in der aktuellen Steuerschätzung spiegelt sich das stagnierende Wirtschaftswachstum in Deutschland wider. Gegenüber der Herbst-Steuerschätzung 2023 haben sich die Konjunkturerwartungen der Bundesregierung deutlich verschlechtert. Demnach müssen Bund, Länder und Gemeinden bis 2028 mit insgesamt 80,7 Milliarden weniger Steuereinnahmen rechnen. Für den Bund bedeutet dies nach Angaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner ein Minus von 41,6 Milliarden Euro.
Wie DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. André Berghegger betonte, bestätigten die veröffentlichten Zahlen die zunehmend kritische öffentliche Finanzlage. Betroffen sei vor allem die kommunale Ebene, die kaum Einfluss auf die Ausgabenentwicklung habe und besonders unter der stagnierenden Einnahmeentwicklung leide.
Die Steuerschätzung prognostiziere für die Gemeinden Steuereinnahmen in Höhe von 145,8 Mrd. Euro für das laufende Jahr. Betrachte man die Jahre 2024 bis 2026, fällt das Ergebnis um 4,1 Mrd. Euro schlechter als noch bei der Herbstschätzung angenommen aus, was unter anderem auf die zu erwartenden Mindereinnahmen durch das Wachstumschancengesetz sowie die weiter bescheidene konjunkturelle Entwicklung zurückzuführen sei, so Berghegger.
Einzig infolge der allgemeinen Inflation und der hohen Tarifabschlüsse bleibe die Steuerentwicklung insgesamt weiterhin positiv. Inflation und Tarifabschluss wirkten sich gleichwohl in stärkerem Ausmaß auf die kommunalen Ausgaben aus. Hinzu kämen weiter äußerst dynamisch steigende Ausgaben für soziale Leistungen. „Marginal steigenden Einnahmen stehen weiter förmlich explodierende Ausgaben entgegen. Durch diese dauerhafte strukturelle Unterfinanzierung ist die kommunale Handlungs- und Investitionsfähigkeit akut gefährdet. Bund und Länder müssen sich ihrer Verantwortung stellen und ihren Beitrag für nachhaltige Kommunalfinanzen leisten. Hierfür braucht es in erster Linie eine aufgabenadäquate Finanzausstattung, die mit Blick auf die Konnexität auch nachträgliche Standardanpassungen berücksichtigt“, unterstrich der Hauptgeschäftsführer.
Die Länder stünden verfassungsrechtlich in der Finanzierungsverantwortung ihrer Kommunen, allerdings trage der Bund durch Standardanpassungen und Aufgabenerweiterungen maßgeblich zur strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen bei. „In Zeiten begrenzter öffentlicher Mittel kann aber selbstverständlich nicht immer nur über notwendige Mehrausgaben gesprochen werden. Es braucht zunächst ein Aufgabenmoratorium und in der Folge eine Diskussion zwischen Bund, Ländern und Kommunen über eine mögliche Priorisierung öffentlicher Aufgaben. Es ist schlicht nicht mehr alles, was wünschenswert ist, auch finanzierbar“, machte Berghegger deutlich.
„Die Städte werden unterm Strich weniger Geld für Investitionen zur Verfügung haben. Denn zum einen steigen die Steuereinnahmen deutlich weniger als erwartet, zum anderen fressen steigende Kosten die zusätzlichen Einnahmen komplett auf“, erklärte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.
Auch die mittelfristige Entwicklung der Steuereinnahmen sei ernüchternd. Mit Blick auf die wirtschaftliche Lage drohe eine lange Durststrecke. Dedy: „Schwaches Wirtschaftswachstum führt zu schwachem Steuerwachstum. Wir haben nicht nur ein Konjunkturproblem, sondern auch ein Strukturproblem. Steuersenkungen lösen in dieser Lage keines der Probleme, sie sorgen dafür, dass die öffentliche Hand weniger handlungsfähig ist. Wenn wir raus wollen aus der Wachstumsschwäche, müssen Infrastruktur und Rahmenbedingungen stimmen. Dafür müssen die Städte investieren können.“
Die Kommunen brauchen aus seiner Sicht dringend eine bessere Finanzausstattung. Nur dann könnten die Städte und Gemeinden ihren Teil dazu beitragen, dass die Wirtschaft wieder wächst und die Transformation gelingt.
Der Arbeitskreis Steuerschätzungen prognostiziert für die Städte und Gemeinden eine Steigerung ihrer Steuereinnahmen um 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für den Bund werden Einnahmesteigerungen von 5,5 Prozent erwartet, für die Länder von 3,1 Prozent.
Das Gesamtaufkommen der Gewerbesteuer als wichtigste eigene Steuer der Städte wird 2024 voraussichtlich bei 75,6 Milliarden Euro liegen, im Jahr 2025 voraussichtlich bei 78,0 Milliarden Euro. Das ist deutlich weniger als noch vor einem halben Jahr erwartet wurde. Gegenüber der Steuerschätzung vom November 2023 sinken die Erwartungen zum Gewerbesteueraufkommen für die Jahre 2024 bis 2028 um insgesamt 7,2 Milliarden Euro.
„Dem Freistaat wird für das Jahr 2024 ein Rückgang der Steuereinnahmen von rund 0,6 Milliarden Euro prognostiziert, für das Jahr 2025 von knapp 0,5 Milliarden Euro“, stellte der Bayerische Finanz- und Heimatminister Albert Füracker fest. „Das Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung ist die Quittung für die verfehlte Politik der Ampel in Berlin. Sie muss ein deutlicher Weckruf und Appell an die Bundesregierung sein, endlich geeignete Maßnahmen zu ergreifen und die Wirtschaft in Deutschland wieder auf Kurs zu bringen – es ist allerhöchste Zeit. Es kann so nicht weitergehen, sonst bekommen wir wirklich tiefgreifende Probleme in unserem Land. Mit Ankündigungen und leeren Versprechungen lässt sich diese Krise nicht lösen“, forderte Füracker.
Aus seiner Sicht bestätige sich nun Bayerns solide und vorausschauende Haushaltsplanung: „Wir haben mit Blick auf die schwache konjunkturelle Entwicklung bereits bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2024/2025 solide geplant und uns auf absehbare Rückgänge bei den Steuereinnahmen eingestellt. Fakt ist aber auch: Unsere finanziellen Spielräume sind sehr beschränkt, zusätzliche Mehrausgaben sind nicht finanzierbar.“
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