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(GZ-12-2024 - 20. Juni)
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► Nach dem „Jahrhunderthochwasser“:

 

Lehren aus der Katastrophe

 

Aufatmen in Bayerns Hochwasserregionen nach einer erneuten „Jahrhundertflut“: Die Pegelstände der Flüsse haben sich größtenteils wieder normalisiert, immer mehr betroffene Landkreise heben Badeverbote auf. Rund 84.000 Helferinnen und Helfer waren seit Beginn der Katastrophe im Einsatz und kämpften gegen die Wassermassen. Tausende Personen wurden evakuiert, mindestens sechs Todesopfer sind zu beklagen.

Seit dem Nachmittag des 31. Mai 2024 hatte das Unheil seinen Lauf genommen. Beginnend bei den kleineren Donauzuflüssen in Schwaben flossen Flutwellen Richtung Donau und darin weiter durch Oberbayern, die Oberpfalz und Niederbayern. Kleine Bäche wurden zu reißenden Strömen, ganze Stadtteile wurden überflutet. Zahlreiche Landkreise und kreisfreie Städte stellten den Katastrophenfall fest. Dank des großartigen Engagements zahlreicher haupt- und ehrenamtlicher Helfer konnte noch größerer Schaden abgewendet werden.

Dank an die Einsatzkräfte

Innenminister Joachim Herrmann dankte allen Einsatzkräften „und vor allem den vielen Ehrenamtlichen von Feuerwehr, THW und Hilfsorganisationen, die unermüdlich geschuftet haben, um unsere Bürgerinnen und Bürger vor dem Hochwasser zu schützen“.

Gleichwohl hat die Hochwasserkatastrophe für die Menschen in vielen Regionen Bayerns gravierende Folgen. Die Bayerische Staatsregierung hat deshalb entschieden, die Akuthilfe zur Linderung der Notlage von 100 auf 200 Millionen Euro aufzustocken. Für Privathaushalte wird eine Soforthilfe „Haushalt/Hausrat“ in Höhe von bis zu 5.000 Euro je Haushalt gewährt (bei Versicherbarkeit Abschlag von 50 Prozent). Zudem wird eine Soforthilfe „Ölschäden an Gebäuden“ in Höhe von bis zu 10.000 Euro je Wohngebäude gewährt (bei Versicherbarkeit Abschlag von 50 Prozent). Voraussetzung für die Auszahlung dieser Hilfen ist ein Antrag bei der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde.

Soforthilfe

Für betroffene gewerbliche Unternehmen, Angehörige Freier Berufe und gewerbliche Träger wirtschaftsnaher Infrastruktur mit bis zu 500 Mitarbeitern wird eine Soforthilfe in Höhe von bis zu 200.000 Euro je Unternehmen gewährt: Erstattet werden unmittelbar durch das Hochwasser verursachte Schäden an Betriebsstätten und Infrastrukturen. Bei nicht versicherbaren Schäden wird dabei die Soforthilfe in Höhe von bis zu 50 Prozent der erstattungsfähigen Ausgaben, bei versicherbaren und bei versicherten Schäden in Höhe von bis zu 25 Prozent der erstattungsfähigen Ausgaben gewährt. Die Auszahlung erfolgt auf Antrag durch die zuständige Bezirksregierung.

Für den Bereich der Landwirtschaft wird das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus Soforthilfen für landwirtschaftliche Unternehmen (einschließlich Gartenbau) und den Fischereisektor gewähren. Bei einem Mindestschaden von 5.000 Euro kann ein Ausgleich von bis 50 Prozent des Gesamtschadens, maximal 50.000 Euro erfolgen, sofern der Schaden nicht versicherbar ist. Bei versicherbaren Schäden ist der Ausgleich auf 25 Prozent begrenzt. Die Auszahlung erfolgt auf Antrag durch die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Allen Bürgern, Gewerbebetrieben, selbstständig Tätigen sowie Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, die in eine existenzielle Notlage gekommen sind, stehen bei drohender Existenzgefährdung ebenfalls Zuschüsse aus dem Härtefonds zur Verfügung: Hilfeleistungen je nach finanzieller Leistungskraft der Geschädigten bis maximal 100 Prozent; keine Überkompensation, Versicherungsleistungen werden angerechnet.

Steuerliche Erleichterungen

Daneben gibt es für alle vom Hochwasser Betroffene steuerliche Erleichterungen. Soweit Schäden an bestimmten kommunalen Einrichtungen entstanden sind, kommt für die betroffenen Kommunen eine Förderung nach dem Bayerischen Finanzausgleichsgesetz (BayFAG) in Betracht.

Schnell und unbürokratisch will die Staatsregierung den Menschen in den Hochwassergebieten helfen. Betroffene können schon jetzt Unterstützung beantragen. Laut Finanzminister Albert Füracker sind die notwendigen Anträge bei den Landratsämtern bereits angekommen.

Staatsregierung empfiehlt Versicherung für Elementarschäden

Angesichts der zunehmend häufiger auftretenden Großschadensereignisse und Naturkatastrophen empfiehlt die Staatsregierung allen Bürgern erneut dringend, künftig zu ihrem eigenen Schutz entsprechend umfassende Versicherungen abzuschließen. Konkret spricht sie sich für die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung aus.

Darüber hinaus erwartet der Freistaat, dass der Bund der von Bundeskanzler Scholz zugesagten Solidarität Taten folgen lässt: Die Staatsregierung fordert den Bund vor allem auf, sich hälftig an den Kosten des Soforthilfeprogramms des Freistaats zu beteiligen, sich für Mittel aus dem EU-Solidaritätsfonds einzusetzen und auf Erstattung von Auslagen von THW, Bundespolizei und Bundeswehr zu verzichten.

Mehr Eigenverantwortung und Eigenvorsorge

Angesichts des verheerenden Hochwassers in Teilen Bayerns und Baden-Württembergs verlangt der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Uwe Brandl, ein Umdenken. „Allen voran braucht es mehr Eigenverantwortung, Eigenvorsorge und Bereitschaft der Gesellschaft, das Problem gemeinsam anzugehen und auch selber aktiv zu werden“, sagte Brandl der „Augsburger Allgemeinen“. Dazu gehöre es, Grundstücke abzugeben, wenn dies zum Hochwasserschutz erforderlich ist, aber auch die Mitfinanzierung von Schutzmaßnahmen oder der Verzicht auf das Bauen im Überschwemmungsbereich.

DLT-Präsident Reinhard Sager erklärte der Funke Mediengruppe, dass sich Deutschland besser als bislang auf extreme Wetterereignisse vorbereiten müsse. Bund und Länder müssten dazu die Kommunen finanziell stärken, um etwa Schutzdämme zu ertüchtigen. Insgesamt funktioniere der Katastrophenschutz aber gut.

Klimaanpassung wird kommunale Daueraufgabe

„Die Klimaanpassung wird zur kommunalen Daueraufgabe“, betonte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Einsatzkräfte, ob professionell oder ehrenamtlich, benötigten die bestmögliche Ausstattung und Infrastruktur. Bund und Länder müssten deshalb die Mittel für den Hochwasser- und Katastrophenschutz wieder deutlich ausbauen – und zwar dauerhaft und nicht ad hoc über Sonderprogramme.

Mehr Tempo beim Ausbau des Hochwasserschutzes

Die Landräte von Deggendorf und Passau, Bernd Sibler und Raimund Kneidinger, forderten mehr Tempo beim Ausbau des Hochwasserschutzes an der Donau in Niederbayern zwischen Deggendorf und Vilshofen. Die Lage sei in dem Bereich beim aktuellen Hochwasser zwar deutlich besser gewesen als im Jahr 2013, jedoch habe der Katastrophenfall ausgerufen und der Abschnitt auf 13 Kilometern Länge mit Sandsäcken verstärkt werden müssen, stellte Sibler fest.

Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber bekräftigte, dass an der Donau weitere Flutpolder errichtet werden. Das 2021 beschlossene Programm werde realisiert, teilte Glauber in München mit: „Für Extremhochwasser setzt Bayern auf eine Flutpolderkette entlang der Donau. Seit meinem Amtsantritt 2018 werbe ich für die geplante Flutpolderkette. Das Flutpolderprogramm wird umgesetzt.“ Mit Flutpoldern könne bei einem Katastrophenhochwasser „gezielt die Notbremse gezogen werden“.

Um die Umsetzung von überregional wirkenden Hochwasserschutzmaßnahmen voranzutreiben, hat die Umweltministerkonferenz mit der Stimme Bayerns einen Beschluss gefasst, der den Bund auffordert, die Mittel im Nationalen Hochwasserschutzprogramm nicht wie geplant zu kürzen. Glauber: „Hochwasserschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Ebenen sind gefordert. Die Länder brauchen die volle Unterstützung des Bundes bei überregional wirkenden Hochwasserschutzmaßnahmen. Große Projekte haben lange Umsetzungszeiträume. Die Länder brauchen bei den Projekten Planungssicherheit.“

DK

 

 

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