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(GZ-15/16-2024 - 1. August)
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Bloß nicht schon wieder…

Angesichts drohender Vogelgrippe-Pandemie fordern Lokalpolitiker Corona-Aufarbeitung

 

Keine Klassenreise mehr. Kein Treffen am See. Die Freundin durfte nicht mehr zu Besuch kommen. Corona hat jungen Leuten arg zugesetzt, sagt Daniel Liebetruth, SPD-Stadtrat in Germering und Kreisrat im Kreis Fürstenfeldbruck. Manche, so der Gymnasiallehrer, leiden bis heute. Daniel Liebetruth sagt: Es wurden Fehler gemacht. Nicht aus bösem Willen, betont der Sozialdemokrat. Dennoch: Mit Blick auf eine drohende Vogelgrippen-Krise gelte es, aus Fehlern zu lernen.

„Wir hätten nach dem ersten Lockdown intensiver untersuchen müssen, ob Kinder- und Jugendeinrichtungen wirklich Pandemietreiber sind“, sagt er. Zu lange Lockdowns hätten einige junge Leute bis heute geschädigt. Der Pädagoge beobachtet eine Zunahme an Angsterkrankungen: „Gerade in Bezug auf Schulangst haben wir mehr Fälle.“ Einige Kinder hätten durch die Schulschließungen den Anschluss verloren, ihre Leistungen seien noch immer nicht so wie vor Ausbruch der Krise. Zu bemerken sei weiter, dass das soziale Lernen, für das Schule ja auch stehe, zu lange auf der Strecke blieb.

Keine Vorwürfe

Daniel Liebetruth kritisiert vorsichtig. „Ich unterstelle jedem, dass er nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat“, betont er. Eine Aufarbeitung hätte er sich dennoch mit Blick auf künftige Gesundheitskrisen gewünscht. Ohne dass jemandem ein Vorwurf gemacht würde: „Für Leute, die Verschwörungserzählungen verbreiten, habe ich kein Verständnis.“ Gleichzeitig verstehe er aber nicht, dass es keine ordentliche Aufarbeitung in Bayern geben soll. Dass hinter den parlamentarischen Kulissen Aufarbeitung versucht wird, etwa mit den freigeklagten Protokollen des RKI, ist ihm bekannt „Doch ich habe die Files nicht gelesen.“

Abgesehen davon, dass er es im Rückblick nicht richtig findet, wie mit Kindern und Jugendlichen umgegangen wurde, hält Daniel Liebetruth bis heute das meiste, was in der Corona-Krise angeordnet wurde, für richtig. Auch die Impfung. „Ich selbst habe mich frühestmöglich geimpft, ganz bewusst, denn mein Vater ist Dialysepatient“, sagt er.

All die Schreckensbilder

Als sich der Vater dennoch mit Corona infizierte, war die Familie besorgt: „Ich glaube nicht, dass er ohne Impfung überlebt hätte.“ Überhaupt beschäftigt Daniel Liebetruth, dass so viele Menschen wegen der Corona-Krise heute nicht mehr unter den Lebenden weilen. Was in Bergamo passiert ist, gibt er zu, schockte ihn: „All die Schreckensbilder, wie das Militär die Leichen abtransportiert hat.“

Wird eine Pandemie ausgerufen, bleibt Städten und Gemeinden nichts weiter übrig als das zu tun, was von oben befohlen wird. „Die kommunale Ebene war während der Corona-Krise außen vor“, sagt Martin Sielmann, FDP-Mitglied des Marktgemeinderats sowie Kreisrat in Garmisch-Partenkirchen. Das findet er, auch mit Blick darauf, dass es zum Ausbruch einer Vogelgrippe-Seuche kommen könnte, schwierig: „Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die großflächigen Verordnungen oftmals nicht der Lage vor Ort entsprochen haben.” Er wünscht sich beim nächten Mal mehr Mitsprache der kommunalen Ebene.

Ebenso wie Daniel Liebetruth ist Martin Sielmann kein Verfechter langer Schließungen von Schulen, Kindergärten, Horten oder Sporteinrichtungen. Aber auch die Frage nach der Rechtsstaatlichkeit stellt sich ihm. Die Versammlungsverbote hielt er für viel zu restriktiv. Das gelte vor allem für Gemeinderäte und Kreistage: „Hier konnten per Ausnahmerecht Ferienausschüsse eingesetzt werden.“ Zum Nachteil politischer Minderheiten in den kommunalen Parlamenten. Negativ seien die Auswirkungen auch auf Parteien gewesen: „Durch die Einschränkung des Versammlungsrechts wurde die innerparteiliche Demokratie großenteils ausgehebelt.“

Ohne Legitimation

Falsch war es in seinen Augen auch, die Lockdowns durch die Exekutive und nicht parlamentarisch beschließen zu lassen. „Aus Sicht vieler Bürger fehlte die demokratische Legitimation“, konstatiert er. Die Tatsache, dass das Versammlungsrecht gleichzeitig ausgehebelt war, habe die Rückkopplung zwischen Staat und Bürgern massiv erschwert.

Viele beobachten wie Martin Sielmann, dass sich eben dadurch Parallelwelten von Corona-Kritikern zu bilden begannen. Diese Menschen hatten zunehmend das Gefühl, als würde ihnen die Schlinge um den Hals gelegt. Und immer enger zugezogen. „Nach meinem Eindruck entstand bei vielen die Meinung, der Staat wolle uns für immer, mindestens für lange Zeit, die demokratischen Grundrechte entziehen“, so Martin Sielmann.

Wenig eigene Möglichkeiten

Gerhard Wirner, Grünen-Stadtrat in Zirndorf, bestätigt, dass ein eigenständiger Umgang mit Krisenphänomenen vor Ort, während der Corona-Zeit kaum in Frage kam: „Wir hatten nur wenig Möglichkeiten einer eigenen Ausgestaltung.“ Wobei der Soziologe zu den wichtigsten Maßnahmen steht. Sowohl das Maskentragen als auch das Impfen seien „sehr sinnvoll“ gewesen. „Wissenschaft spielte eine zentrale, positive Rolle bei der Bewältigung“, sagt er und verweist auf Coronatests sowie die schnelle Impfstoffentwicklung. Er habe „Hochachtung“ vor der Wissenschaft in der Corona-Krise: „Auch das RKI betreffend.“

Als problematisch wertete der Zirndorfer die Entscheidung der Ministerpräsidentenrunde, Ende Oktober 2020 keinen stärkeren Lockdown zu verhängen: „Als Folge explodierten die Corona-Zahlen, Weihnachten 2020 gab es die meisten Todesfälle.“ Falsch sei es weiter gewesen, dass sich Armin Laschet und andere Anfang 2021 für Lockerungen ausgesprochen hätten: „Die Zahlen explodierten wieder.“ Zu reflektieren wäre auch die Rolle der Medien.

Heikle Aufarbeitung

Gerhard Wirner plädiert für die Einrichtung einer Enquete-Kommission. Die Schwärzungen in den RKI-Protokollen findet er nicht okay. Gerade hier sei eine öffentliche Aufarbeitung notwendig. Für ihn sei in der Aufarbeitung zentral, darüber nachzudenken, wie man verhindern könnte, dass bei einem nächsten Mal Leugnung, Verschwörung und Impfverweigerung wieder „diese enorme Bedeutung“ bekommen.

Sehr dicht am Geschehen war Günter Helmbrecht, Grünen-Stadtrat sowie Schulreferent der Stadt Pfaffenhofen. Die pandemiebedingte Notwendigkeit des Homeschoolings habe für die Pfaffenhofener Schüler, Eltern und Lehrer bestmöglich umgesetzt werden können, resümiert er.

„Bei uns marschieren die Montagsspaziergänger immer noch“, teilt Willi Dräxler, Stadtrat von der Brucker Bürgervereinigung (BBV) in Fürstenfeldbruck, mit. Das sieht er kritisch. Wobei der BBV-Kommunalpolitiker auch vieles, was während der Corona-Krise passiert ist, inzwischen skeptisch sieht. Aufgrund eigener Beobachtung. Ob die Impfung irgendetwas gebracht hat, darauf hat er bis heute keine rechte Antwort. „Eine Bekannte von mir, 90 Jahre alt, hat sich nicht impfen lassen, sie bekam Corona und hat das so locker weggesteckt wie eine normale Grippe“, erzählt er. Mehrere seiner Freunde hätten sich nicht impfen lassen.

Nicht mehr in die Kneipe

Auch eine Stadtratskollegin. Die durfte dann nach der Sitzung nicht mehr mit den andern in die Kneipe: „Da bin ich aus Solidarität auch nicht mitgegangen.“ Für Willi Dräxler war klar, dass Impfen jedermanns ureigene Entscheidung sein müsse. Er selbst habe sich dreimal impfen lassen: „Weil ich nicht ausgeschlossen werden wollte.“ Eine vierte Impfung wollte er allerdings auf keinen Fall nehmen.

In den Krankenhäusern habe es schwierige Fälle gegeben, auch seien dort Menschen an Corona gestorben. Von vielen der Verstorbenen sei allerdings bekannt, dass sie Vorerkrankungen gehabt hätten. Wie Willi Dräxler zuverlässig weiß, starben zum Teil auch Corona-Kranke mit Impfung. Im übrigen habe er selbst trotz Impfung Corona bekommen. Von einer jungen Frau, Anfang 20, die sich hat impfen lassen, weiß er, dass sie nicht nur Corona bekam, sondern jetzt auch noch unter Long-Covid leidet.

„Durch all diese Beobachtungen bin ich zunehmend skeptischer geworden“, räumt der BBV-Mann ein. Er sei allerdings bis heute nicht in der Lage, abschließend zu bewerten, was richtig und was falsch war. Mit den freigeklagten RKI-Protokollen habe er sich nicht beschäftigt: „Ich habe einfach nicht die Zeit.“ Als schwierig empfindet er es, dass durch die Corona-Krise immense Kosten verursacht wurden: „Während andere immense Gewinne gemacht haben.“ „Oberärgerlich“ seien die Maskendeals: „Was hier abging, war wirklich eine Schweinerei.“ Im Übrigen habe er beobachtet, dass sich auch Menschen, die akribisch Maske trugen, infizierten.

Schon bald, nachdem es 2020 losging habe er erkannt, dass es sich um eine „Plandemie“ handelt, sagt frank und frei Wolfgang Buttner, ÖDP-Kreisrat in Landsberg am Lech. Wolfgang Buttner ist 67 Jahre alt, von Beruf Maschinenbauingenieur und als Energieberater tätig. Für ihn war die Corona-Krise eine „irre Zeit“. So habe ein Freund von ihm, weil er ohne Maske in der Landsberger Lechstraße erwischt worden war, 5.000 Euro an Strafe zahlen müssen.

„Ich hatte von Anfang an im Kreistag eine andere Meinung, ich sagte die auch, doch das wurde von der Presse komplett ignoriert“, berichtet er. Auch von seinen Kollegen habe er sehr wenig Zuspruch erhalten. Es war ihm sogar vorgeworfen worden, dass er das Gremium „für seine Informationen missbrauche“: „Ich gelte bis heute als Verschwörungstheoretiker.“

Die freigeklagten RKI-Protokolle belegen für ihn, dass alles wahr war, was die Kritiker der Corona-Maßnahmen von Anfang an gesagt haben: „Masken helfen nicht, auch die Impfung hilft nicht vor Ansteckung, dafür gibt es jede Menge Kollateralschäden.“ Persönlich habe er niemanden gekannt, der an Corona verstorben wäre, wobei völlig klar sei, dass auch am Corona-Virus, wie bei jeder Grippe, Menschen gestorben seien.

Mit einer gewissen Sorge blickt Wolfgang Buttner auf die weitere Entwicklung in Bezug auf die Vogelgrippe. Die US-Gesundheitsbehörde CDC bestätigt ständig weitere Fälle von Vogelgrippe beim Menschen. Mitte Juli meldete Australien den ersten menschlichen Fall von Vogelgrippe A. Die Regierung in den USA zahlte Moderna laut „Spiegel“ inzwischen 176 Millionen Dollar, um die Entwicklung eines pandemischen Grippeimpfstoffs zu beschleunigen.

Hier geht es zu den RKI-Files

„Ich brauche Informationen. Eine Meinung bilde ich mir selbst“, meinte Charles Dickens. Aus diesem Grund stellt die Bayerische GemeindeZeitung an dieser Stelle Links zur Verfügung, über die angeblich sämtliche ungeschwärzten RKI-Files eingesehen werden können. Sie entstammen Leaks, die eine Journalistin im Rahmen einer Pressekonferenz am 23.7. um 10 Uhr in Berlin zugänglich machte. Quelle sei ein Whistleblower rsp. Whistleblowerin aus dem RKI, der/die aus einer Gewissensentscheidung der Öffentlichkeit diese Informationen zur Verfügung stellen wollte.

„Wir beenden das Drama um die Schwärzungen der #RKIProtokolle an dieser Stelle. Hier kommt der komplette Datensatz aller Sitzungsprotokolle des @rki_de-Krisenstabs, von 2020 bis 2023, ungeschwärzt, inklusive 10 GB Zusatzmaterial“, hieß es deshalb in einer Pressemitteilung. Unter www.rki-transparenzbericht.de kann die Pressekonferenz ebenso eingesehen werden, wie alle Protokolle, Zusatzmaterial und eMails.

Pat Christ

 

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