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(GZ-17-2024 - 12. September)
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► Migration und Asyl:

 

Konsequenzen aus Solinger Attentat

 

Nach dem Anschlag in Solingen hat sich die Ampel-Regierung auf neue Maßnahmen verständigt. So sollen unter anderem das Waffenrecht verschärft und Leistungen für bestimmte Asylbewerber gestrichen werden. Bei den Feiern zum 650. Solinger Stadtjubiläum hatte ein Mann mit einem Messer drei Menschen getötet und acht verletzt. Der mutmaßliche Attentäter Issa Al H. wurde festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft. Im Falle des versuchten Anschlags am 5. September auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum in München hat inzwischen das Bayerische Landeskriminalamt unter Führung der Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen und steht nach eigenen Angaben in engem Austausch auch mit österreichischen Ermittlern. Es zeige sich, dass sich Emrah I. islamistisch radikalisiert habe, so die Leitende Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann. Nun untersuche man unter anderem, ob I. noch Helfer oder Mitwisser hatte oder ob er in einem Netzwerk eingebunden war und was die Tat ausgelöst hat.

Geplant ist ein absolutes Messerverbot auf Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen und anderen Großveranstaltungen. Ebenso sollen die Länder ermächtigt werden, solche Messerverbote an „kriminalitätsbelasteten Orten“ einzuführen.

Verbote gegen islamistische Vereinigungen

Die Ampelkoalition will zudem präventiv gegen gewaltbereiten Islamismus vorgehen. Zur Verbesserung bei Aufklärung und Abwehr sollen Ermittlungsbehörden weitreichendere Befugnisse bekommen, etwa um Geldströme kontrollieren zu können. Um Tatverdächtige effektiver identifizieren zu können, ist zudem vorgesehen, die Befugnis für den Einsatz der „Gesichtserkennung“ auszuweiten.

Auch will die Bundesregierung bestimmten Asylbewerbern staatliche Geldleistungen streichen. Dabei gehe es um Migranten, für die laut Dublin-Regelung ein anderer europäischer Staat zuständig ist, der der Rückübernahme zugestimmt hat. Bei Reisen ins Herkunftsland, die nicht unbedingt notwendig sind, erfolgt die Aberkennung des Schutzstatus. Um Terrorismusfinanzierung besser zu bekämpfen und Geldströme zu kontrollieren, erhält der Verfassungsschutz weitere Befugnisse. Auch sollen weitere Verbote gegen islamistische Vereinigungen verhängt werden.

Der bayerische Ministerrat hat nunmehr bereits die rechtliche Grundlage dafür auf den Weg gebracht, dass künftig schneller und flexibler Waffen- und Messerverbotszonen nach dem Waffengesetz für bestimmte öffentliche Orte festgesetzt werden können. Das von der Staatsregierung dazu ermächtigte bayerische Innenministerium wird nun umgehend die zur Umsetzung erforderlichen Regelungen erlassen.

Sicherheitspaket

Als Reaktion auf das vorgelegte Sicherheitspaket hat der Deutsche Landkreistag Forderungen für eine Wende in der Migrationspolitik formuliert, die in erster Linie auf eine strikte Begrenzung der irregulären Migration zielen. Der Kommunalverband plädiert für Änderungen im materiellen Flüchtlingsrecht, insbesondere für eine Abschaffung, jedenfalls aber eine grundlegende Reform des subsidiären Schutzstatus sowie für Abschiebungen auch in Länder wie Syrien und Afghanistan. Schutzsuchende, für deren Asylverfahren andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuständig sind, sollten schon an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können. Auch deshalb seien Grenzkontrollen konsequent auszubauen. Leistungen für Schutzsuchende sollten über das von der Bundesregierung vorgesehene Maß hinaus gesenkt, freiwillige Aufnahmeprogramme gestoppt und der Familiennachzug ausgesetzt werden.

Transitzentren an den EU-Außengrenzen

Die beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird begrüßt, eine schnelle Weiterentwicklung aber angemahnt. Alle Asylverfahren sollten künftig in Transitzentren an den EU-Außengrenzen durchgeführt und jeder Schutzsuchende nur Anspruch auf ein einziges Asylverfahren in der Union haben. Sollten diese Maßnahmen nicht zeitnah zu einer deutlichen Reduzierung der irregulären Migration führen, wird als Option vorgeschlagen, einen befristeten nationalen Aufnahmestopp als Ultima Ratio in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus spricht sich der DLT für eine enge Einbindung der kommunalen Ebene sowohl in die Umsetzung des europäischen Reformpakets wie der nationalen Gespräche zur Ausgestaltung der Migrationspolitik aus.

Laut Deutschem Städte- und Gemeindebund „werden die Städte und Gemeinden als Reaktion auf die Ereignisse in Solingen noch einmal prüfen, ob Verbesserungen notwendig sind. Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass alle Sicherheitskonzepte eine Abwägung zwischen bestmöglichem Schutz und größtmöglicher Freiheit darstellen.“

Die Sicherheitsmaßnahmen müssten effektiven Schutz gewährleisten, gleichzeitig aber auch verhältnismäßig sein und unserer freiheitlichen Gesellschaft entsprechen. Wichtig ist aus Sicht des DStGB, „dass wir uns von Terroristen unseren freiheitlichen Lebensstil nicht zerstören lassen, denn dann hätten sie ihr Ziel erreicht. Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass die Kommunen gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden alles daransetzen, sichere Veranstaltungen zu ermöglichen.“

Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages, nannte es „richtig, dass Bund und Länder den Schutz vor Terror und Gewalt in Deutschland konkret verbessern wollen.“

Lewe zufolge unterstützen die Städte, dass Geflüchtete abgeschoben werden sollen, wenn sie mit Waffen eine Straftat begangen haben. Auch die Dublin-Verfahren müssten unbedingt schneller und einfacher werden. Es müsse besser gelingen, Asylsuchende in die EU-Länder zu überstellen, die eigentlich für sie zuständig sind.

„Wir erwarten von der eingesetzten Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern dafür zügig Ergebnisse. Wir brauchen auch in den Ländern bessere Verfahren, um Termine für Flüge, passende Papiere und den Kontakt zwischen Sicherheitsbehörden und Unterkünften zu koordinieren. Außerdem muss die Bundesregierung ihre Vereinbarungen mit den Drittländern in der EU verbessern, damit Rückführungen nicht mehr durch bürokratische Hürden der aufnahmepflichtigen Länder behindert werden. An Italien muss die Aufforderung ergehen, die ausgesetzten Rücküberstellungen wieder aufzunehmen.“

Bundesregierung in der Pflicht

Notwendig seien auch intensive Gespräche der Bundesregierung mit Herkunftsländern über Rückführungsabkommen. Abschiebungen dürften nicht an fehlenden Passersatzpapieren scheitern oder daran, dass Herkunftsstaaten sich weigern, ihre Staatsangehörigen wieder aufzunehmen. „Wir brauchen Abkommen, die funktionieren und nicht nur auf dem Papier existieren. Erst dann gelingt es, abgelehnte Asylbewerber in die Herkunftsländer abzuschieben. Vordringlich ist es, das EU-Türkei-Abkommen wieder mit neuem Leben zu erfüllen. Hier muss als erstes angesetzt werden“, bekräftigte Lewe.

Söder: Mehr Befugnisse für die Polizei

Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder fordert als Konsequenz aus dem Anschlag in Solingen mehr Befugnisse für die Polizei und schnellere Abschiebungen – auch nach Syrien und Afghanistan.

„Jemand der Asylbewerber ist, aber keinen Asylanspruch hat, der muss das Land verlassen“, stellte Söder fest. Straftäter müssten sofort in Arrest genommen werden und das Land verlassen, insbesondere in Richtung Syrien und Afghanistan.

„Die Wahrheit ist einfach: Wir müssen konsequenter sein und der Polizei mehr Möglichkeiten geben, auch anlasslose Kontrollen durchzuführen“, so der Landeschef.

Söder bezeichnete die Migrationspolitik der Union um das Jahr 2015 als die Schwachstelle der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel. Danach sei vieles verbessert und verändert worden. Nun aber seien von der Ampel-Koalition, insbesondere den Grünen, andere Möglichkeiten geschaffen worden. „Wir sind ein Land, das gern helfen will, wir brauchen auch Zuzug, aber wir brauchen Zuzug, der uns nutzt“, unterstrich der Ministerpräsident.

Innenminister Joachim Herrmann begrüßte die erste bundesweite Sammel-Abschiebung nach Afghanistan seit Juli 2021: „Es wurde auch höchste Zeit, dass die Bundesregierung endlich in die Gänge kommt. Ich hatte den Bund schon mehrfach dazu aufgefordert, die erforderlichen Voraussetzungen für Abschiebungen nach Afghanistan zu schaffen. Und siehe da: Entgegen den ursprünglichen Bedenken insbesondere der Grünen geht es doch!“ Laut Herrmann befinden sich unter den Abgeschobenen drei Straftäter im Alter von 27, 29 und 30 Jahren aus Bayern. Zwei davon waren wegen Sexualstraftaten, der dritte wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.

Für Herrmann ist die Maßnahme ein erster wichtiger Schritt. Gleichwohl mahnte er: „Ich hoffe, dass es sich hierbei nicht um ein reines Strohfeuer der Bundesregierung handelt. Es müssen nun zügig weitere Rückführungen sowohl nach Afghanistan als auch nach Syrien folgen.“

Allein die eigens beim bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen eingerichtete „Taskforce für Straftäter“ beschäftige sich derzeit mit 174 afghanischen und 203 syrischen Staatsangehörigen, die schwere Straftäter seien und rasch außer Landes gebracht werden müssten, so der Minister. „Der Schutz der bayerischen Bevölkerung hat hier klaren Vorrang und oberste Priorität. Wir müssen alle Hebel des Rechtsstaats in Bewegung setzen, um ausländische Straftäter, die sich schwerer Straftaten schuldig gemacht haben, und Gefährder außer Landes zu bringen – auch wenn diese aus Afghanistan oder Syrien kommen.“

Herrmann: Umdenken beim subsidiären Schutz

Ein wichtiger Ansatzpunkt ist für Herrmann auch ein Umdenken beim subsidiären Schutz von Syrern: Vor gut einem Monat habe das Oberverwaltungsgericht Münster ein richtungsweisendes Urteil gefällt, wonach für Zivilpersonen in Syrien keine ernsthafte individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit im Rahmen eines Bürgerkriegs mehr besteht.

„Nachdem selbst die Bundesaußenministerin davon spricht, dass das anderslautende Lagebild des Auswärtigen Amts für die Behörden nur Empfehlungscharakter hat, gibt es für die Bundesregierung keinen vernünftigen Grund mehr, jedem aus Syrien automatisch Schutz zu gewähren. Daher fordere ich, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge neu ankommenden Syrern keinen subsidiären Schutz mehr gewährt sowie in einem ersten Schritt den subsidiären Schutz bei all den Syrern hier im Land infrage stellt, die schwere Straftaten begangen haben oder als Gefährder gelten.“

Nach Auffassung des CSU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Holetschek „brauchen wir endlich eine klare Kehrtwende bei der Migrationspolitik und müssen Islamisten konsequent bekämpfen. Das heißt: Mehr Rechtsstaat, weniger ideologiegetriebene Migrationspolitik. Die Menschen verlieren ansonsten jeglichen Glauben in die Handlungsfähigkeit des Staates. Es darf jetzt keine Denkverbote mehr geben und deshalb muss schnell gehandelt werden – jetzt wird die Politik an ihren Taten gemessen.“

Aktuell werde ein Großteil der in Deutschland tätigen Imame aus dem Ausland entsendet, so Holetschek. Aus seiner Sicht sind „Ausbildungstransparenz und Standards, die sich an unseren Werten ausrichten“, erforderlich.

„Wir wollen sicherstellen, dass Prediger und muslimische Seelsorger auf dem Boden unserer Verfassung stehen. Der Bund agiert auf den Politischen Islamismus bisher planlos. Fest steht: Wir müssen unter Wahrung der Religionsfreiheit und der Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften alle staatlichen Anstrengungen darauf ausrichten, die akademische und geistliche Ausbildung von Imamen in Deutschland vorzunehmen. Ein Imam, der in Deutschland als solcher arbeiten will, muss bei uns seine Ausbildung absolviert haben.“

Aktuell leben 5,3 Millionen Muslime in Deutschland, für sie gibt es 2.500 Moscheegemeinden. Die überwiegende Mehrheit ihrer Imame kommt derzeit aus dem Ausland und wird von dort finanziert.

DK

 

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