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(GZ-17-2024 - 12. September)
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► Zur Debatte um die Rundfunkbeiträge:

 

Nicht alle dürsten nach ÖRR-Bildung

In Bayern kümmern sich Gerichtsvollzieher um Zehntausende säumiger Beitragszahler

 

Vor allem Menschen, die in bescheidenen Verhältnissen leben, stöhnen: „Nicht auch noch GEZ, beziehungsweise Rundfunkbeitrag“, wie es seit 2012 heißt. Manche verweigern die Überweisung. Dann muss der Betrag eingetrieben werden. In Nordrhein-Westfalen machten das bisher die Kommunen. Die Zuständigkeit für den Einzug änderte sich laut der Pressestelle der Stadt Hürth im Jahr 2021. Was für uns Anlass war, einmal nachzufragen: Wie verhält es sich eigentlich in Bayern?

Haben Haushalte offene Rechnungen für Rundfunkbeiträge, verschickt nicht die Stadt oder der Landkreis über den Vollstreckungsaußendienst eine Zahlungsaufforderung. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, im Falle des Freistaats also der BR, ist dafür selbst zuständig. Er treibt die ausstehenden Forderungen über Gerichtsvollzieher ein. Interessant in diesem Zusammenhang: In mehreren Städten Bayerns gibt es gar keinen Vollstreckungsaußendienst mehr. „Wir zum Beispiel haben das nicht“, sagt Andreas Franke, Pressesprecher der Stadt Nürnberg. In Nürnberg vollstrecke der Rundfunk daher über das Amtsgericht.

In Bayern kommt der Gerichtsvollzieher

Gleiches gilt für Bayreuth. „Wir haben keinen Vollstreckungsaußendienst für säumige Rundfunkgebührenzahler, weder auf Ebene des Kämmerei-, noch auf der des Ordnungs- oder des Sozialamts“, informiert Joachim Oppold von der Pressestelle. Nach Kenntnis der Stadt Würzburg setzen zwar „die meisten bayerischen Städte in unserer Größenordnung“ weiterhin auf den Forderungseinzug durch einen qualifizierten Vollstreckungsaußendienst. Doch Rundfunkbeiträge würden inzwischen ausschließlich durch Gerichtsvollzieher vollstreckt.

Das bestätigt Dennis Sponholz vom „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ in Köln. Beauftragt würden die zuständigen Gerichtsvollzieher durch ein entsprechendes Vollstreckungsersuchen. Der Beitragsschuldner habe in der Regel dann auch die Kosten der Verwaltungsvollstreckung selbst zu tragen.

„Bewährtes Verfahren“

Geregelt ist dies im Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz, erklärt Eva-Maria Unger, Pressesprecherin der Bayerischen Staatskanzlei. Das Vollstreckungsverfahren laufe wie bei anderen vollstreckbaren Forderungen ab: Es werde der örtlich zuständige Gerichtvollzieher beauftragt. Die Situation in Bayern sei daher nicht mit der in Ländern zu vergleichen, in denen die Zuständigkeit bei den Kommunen liegt: „Das aktuell geltende Verfahren hat sich in Bayern bewährt.“

Die Regelung in NRW, dass der Westdeutsche Rundfunk (WDR) künftig für die Vollstreckung offener Rundfunkbeiträge selbst verantwortlich ist, galt laut Eva-Maria Unger ab 2022 zunächst nur für ausgewählte Bezirke. Seit Jahresbeginn sei dies im gesamten Bundesland so. Inzwischen sind also auch in NRW Kommunen nicht mehr für die Vollstreckung zuständig.

Laut Martin Swoboda, Richter am Münchner Amtsgericht, wurden durch den Beitragsservice im Jahr 2020 rund 26.000 und im Jahre 2021 rund 22.000 Aufträge am Amtsgericht München eingereicht. „Die Höhe der Rückstände variiert”, so der Pressesprecher. Mal handele sich um 150 Euro. Mal um 1.300 Euro. Nicht alle Schuldner lebten finanziell prekär. „Gerichtsvollzieher werden nach hier vorliegenden Erkenntnissen durchaus auch mit Unzufriedenheit über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk konfrontiert”, sagt Swoboda.

Nein aus Unmut

Sprich: Es gibt nicht wenige Menschen, die es nicht nach öffentlich-rechtlichen Sendungen dürstet. Und die sich darüber empören, dass sie für etwas zahlen müssen, was sie gar nicht haben wollen. Ihr Unmut ist so groß, dass sie alles, was durch ihre Verweigerung unaufhaltsam ins Rollen kommt, also Mahnverfahren und Vollstreckung, auf sich nehmen.

Ob die Unzufriedenheit in den letzten Jahren gewachsen ist, kann man beim Amtsgericht München nicht sagen: „Uns liegen keine Erkenntnisse vor.“ Bekannt sei nur, dass Bürgerinnen und Bürger aus ganz verschiedenen Gründen unzufrieden mit dem ÖRR sind. Im Übrigen werde manchmal allein das Bestehen der Forderungen des Bayerischen Rundfunks als solche oder sogar auch die Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers als Beamter bestritten. Wie der BR auf unsere Presseanfrage hin mitteilt, waren in Bayern Ende 2023 knapp 94 Prozent der Beitragskonten ausgeglichen. „Der Rundfunkbeitrag wurde regelmäßig und pünktlich gezahlt“, so ein Sprecher. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass über sechs Prozent der Beitragszahler im Verzug waren: „Das ist deutlich der niedrigste Wert im Vergleich aller Bundesländer.“

Bundesweiter Datenabgleich

Bayernweit gibt es, auf den BR bezogen, rund 7,4 Millionen Beitragskonten. Fast 367.000 befanden sich Ende 2023 im Mahnverfahren, mehr als 100.000 in der Vollstreckung. Die Zahlen stiegen im Vergleich zu den Vorjahren, wobei sie 2019 noch darüber lagen. „Ursächlich für den jüngsten Anstieg 2023 ist neben der verschlechterten wirtschaftlichen Gesamtsituation vieler Beitragszahlender vor allem der bundesweite Meldedatenabgleich 2022“, so der BR-Sprecher. Und erklärt zum Hintergrund: „Reagieren Angeschriebene nicht auf die Schreiben des Beitragsservice zur Klärung der Beitragspflicht, werden sie zum Rundfunkbeitrag angemeldet.“

Gleichzeitig erhalten sie eine Zahlungsaufforderung. Wird darauf nicht reagiert, beginne das mehrstufige Mahnverfahren. „Nicht selten reagieren Angeschriebene erst nach Erhalt einer Zahlungserinnerung oder des folgenden Festsetzungsbescheids“, erläutert der Sprecher.

Im übrigen gibt es viele Menschen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk frei sehen und hören dürfen. Sie sind von der Beitragspflicht befreit, weil sie viel zu wenig Geld haben. Diese Zahl sank laut dem BR in den vergangenen Jahren in Bayern kontinuierlich. Im vergangenen Jahr habe sie sich erstmals wieder leicht erhöht. Ende 2023 waren knapp 214.000 Bürger aus sozialen Gründen von der Zahlung des Rundfunkbeitrags befreit. Entweder, weil sie Bürgergeld bezogen, oder Grundsicherung. 2019 lag aber auch hier die Zahl höher. Zum Ende dieses Jahres waren über 227.000 Menschen befreit.

Es gebe keine Anhaltspunkte, unterstreicht der BR, dass es sich bei säumigen Beitragszahlern um „Beitragsverweigerer“ handelt. Wobei es letztlich für den BR Spekulation bleibt, warum jemand nicht zahlt: „Der Beitragsservice erfasst die Gründe für einen Zahlungsrückstand nicht und diese werden dem Beitragsservice in den seltensten Fällen überhaupt mitgeteilt.“

Über 80 Prozent der Bevölkerung beurteilen dem Sender zufolge den BR positiv und betonen seine Relevanz für die Gesellschaft: „Das zeigen Zahlen unserer Medienforschung.“ Neben teils „überschwänglichem Lob“ gebe es aber natürlich auch immer wieder mal kritische Anmerkungen.

Falsche Berichterstattung?

Bundesweit gesehen ist durchaus zu bemerken, dass der Unmut über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wächst. Wer beispielsweise im Netz nach Beschwerden über die Darstellung der Transsexualität in den ÖRR-Sendern sucht, findet zahllose Initiativen von Biologen, Medizinern, Psychologen, kirchennahen Vereinigungen usw.

So startete beispielsweise Eva Engelken 2022 den Aufruf „Schluss mit der Falschberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks!” Darin fordern Wissenschaftler und Ärzte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf, „von der ideologischen Betrachtungsweise zum Thema Transsexualität“ abzukehren. Verlangt wird „eine faktenbasierte Darstellung biologischer Sachverhalte nach dem Stand von Forschung und Wissenschaft“. Über 1.600 Mal wurde inzwischen unterschrieben. Auch von Ärzten und Forschern aus Bayern.

Zu den Erstunterzeichnern und Initiatoren gehört zum Beispiel der Jugendpsychiater Alexander Korte, Leitender Oberarzt an der Uniklinik München. Auch der Martinsrieder Neurobiologe Herwig Baier, Direktor des Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz, unterschrieb. Selbiges taten der emeritierte Würzburger Informatikprofessor Klaus Wagner sowie der Münchner Kinderarzt Heinrich Schmidt, der Landshuter Informatiker Markus Mock, Psychologin Kathrin Thrum aus Bad Tölz sowie die Rosenheimer Traumapsychotherapeutin Margot Kreuzer.

Der Umgang mit der Gender-Problematik ist ein weiteres Thema, das für großen Unmut sorgt, ebenso wie die Tatsache, dass deutsch-sprachige Musikdarbietungen in den BR-Sendern unproblematisch nur digital empfangen werden können und damit offenbar für normale Autoradio-Hörer unerreichbar sind.

Es kriselt schon lange

Es kriselt allerdings nicht erst in jüngster Zeit beim ÖRR – siehe den Fall Schlesinger. Bereits 2013 veröffentlichten Hanno Beck und Andrea Beyer ihre Analyse „Öffentlichrechtlicher Rundfunk in der Krise“. Gleich im ersten Satz konstatierten sie vor über zehn Jahren: „Diverse Skandale haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Misskredit gebracht.“ Damals ging es zum Beispiel um den Schleichwerbungsskandal bei „Wetten, dass…?“ Und auch damals schon wurde politische Einflussnahme aufgedeckt.

Ein „Spitzelsystem“

ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hatte dem „Spiegel“ im Februar 2010 kurz vor seinem Ausscheiden gesagt, im ZDF gebe es ein „Spitzelsystem“ wie in der ehemaligen DDR. Redakteure würden den Parteien „Senderinterna zutragen“. Wenige Monate davor hatte die Unions-Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat durchgesetzt, dass Brenders Vertrag nicht mehr verlängert wird.

Brender ließ sich daraufhin im „Spiegel“ so zitieren: Es gebe „in der Union ein dunkles Schattenreich, das sich im Verwaltungsrat eingenistet hat und ihn mittlerweile zu dominieren versucht“. Nun sei „auch das ZDF beschädigt. Das Ganze hat der Glaubwürdigkeit der Öffentlich-Rechtlichen einen schweren Schlag versetzt“. Am Ende befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Sache. Seit 2014 dürfen in den Aufsichtsgremien des ZDF, etwa dem Verwaltungsrat, nur noch höchstens ein Drittel der Mitglieder staatsnah sein.

Pat Christ

 

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