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(GZ-20-2024 - 24. Oktober)
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► Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler in Bayern:

 

Eine Brücke für Fledermäuse

Zahlreiche Beispiele öffentlicher Verschwendung

 

Ein teurer Multifunktionsplatz, kostspielige Hinweisschilder und eine Brücke für Fledermäuse: Auf zahlreiche Fälle öffentlicher Verschwendung weist der Bund der Steuerzahler in Bayern in seinem neuen Schwarzbuch hin. Insgesamt führt der Bericht hundert Fälle aus dem gesamten Bundesgebiet auf, in denen nach Ansicht des BdSt nicht verantwortungsvoll mit Steuergeldern umgegangen wurde. Wieder einmal sei es nicht schwer gewesen, Beispiele für die „Es ist ja nicht mein Geld“-Haltung in Politik und Verwaltung zu finden, betonte die Vizepräsidentin des Bundes der Steuerzahler (BdSt) Bayern, Maria Ritch, in München.

Jedes Jahr prangere der BdSt die Sorglosigkeit und Fahrlässigkeit beim Umgang mit Steuergeldern an — das Schwarzbuch sei dabei nur die „Spitze des Eisbergs“. Beheben werde man dies erst dann, wenn ein Straftatbestand der „Haushaltsuntreue“ eingeführt wird, erklärte Ritch. Andernfalls werde er öffentliche Schuldenberg munter weiterwachsen.

Hunderte Millionen verschwinden einfach

Ein „Dauerbrenner“ in den Schwarzbüchern, so der Steuerzahlerbund, sei das Projekt „Zweistöckige Straßenbahnunterführung am Augsburger Hauptbahnhof“. Bereits in der Planungsphase seien die Kosten von Jahr zu Jahr gestiegen. Dies setzte sich auch während der Bauausführung fort. Der Bund der Steuerzahler befürchtet, dass am Ende mehr als 300 Mio. Euro „im Tunnel verschwunden sein werden“.

Bereits in seinem letztjährigen Schwarzbuch hatte der BdSt die Kostenexplosion von rund 59 Mio. Euro auf rund 360 Mio. Euro bei der Sanierung des Coburger Landestheaters schon während der Projektentwicklung gerügt. Eine hohe Kostensteigerung macht auch bei der Errichtung der Ersatzspielstätte nicht halt. Die Baukosten für die Errichtung des sog. Globe haben sich erheblich verteuert. Aus ursprünglich ermittelten rund 24 Mio. Euro sind 40 Mio. Euro geworden.

Kostbarer Denkmalschutz

Auch der Stadt Forchheim sind bei der Sanierung ihres historischen Rathauses die Kosten davongelaufen. Die Ausgaben für das ehrgeizige Projekt haben sich verdoppelt. Planungsänderungen (Funde ausarchäologischen Grabungen sollen sichtbar erhalten bleiben) sowie Materialengpässe und-preissteigerungen sorgten unter anderem dafür, dass aus anfangs 17,5 Mio. Euro 44,7 Mio. Euro wurden. Der Bund der Steuerzahler meint: „Gerade bei denkmalgeschützten Gebäuden kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Deshalb gilt: Kostensteigerungen vorher berücksichtigen!“

In Ingolstadt soll aus einer alten Industriehalle das „Museum für Konkrete Kunst und Design“ werden. Auch hier sind die Kosten aus dem Ruder gelaufen. Statt ursprünglich geschätzten rund 33 Mio. Euro wird sich das anspruchsvolle Projekt auf rund 58,7 Mio. Euro belaufen. Zum überwiegenden Teil resultieren diese Mehrkosten aus extremen allgemeinen Baupreissteigerungen. Hinzu kommen unter anderem Bauzeitverzögerungen aufgrund umfangreicher archäologischer Arbeiten und ergänzende statische Maßnahmen. Sofern keine weiteren Überraschungen auftreten, ist mit der baulichen Fertigstellung Mitte 2025 zu rechnen, so dass „das Museum noch im Laufe des Jahres 2025 in Betrieb gehen sollte“, so der Oberbürgermeister.

Fehlendes Kostenbewusstsein und mangelnde Sparsamkeit verdeutlicht zudem ein Projekt der Gemeinde Freudenberg (Landkreis Amberg-Sulzbach): Im Ortsteil Pursruck mit rund 150 Einwohnern wurde laut Schwarzbuch ein etwa tausend Quadratmeter großer Multifunktionsplatz mit einem Pavillon und einer öffentlichen Toilette gebaut. Die Kosten beliefen sich auf 1,4 Millionen Euro. „Ganz schön viel Steuergeld für einen Dorfplatz mit Klo“, meint der Steuerzahlerbund.

Maßgefertigte Stadtmöbel

„Eine unnötig teure Anschaffung“ in Höhe von 227.000 Euro habe sich auch die Stadt Hof geleistet, beklagt der BdSt. Um die Innenstadt attraktiver zu machen, sei maßgefertigtes Mobiliar angeschafft worden, bestehend aus 20 hochwertigen Sitzgelegenheiten. Aus Sicht der Hofer Oberbürgermeisterin ist die Investition in eine „qualitätsvolle, dem vorhandenen Gestaltungsleitbild angepasste Stadtmöblierung“ – die Metallteile der Sitzgelegenheiten sind zum Beispiel in der „Hofer Stadtfarbe“ perlmausgrau lackiert – „erforderlich und gerechtfertigt“.

Komplett sanieren wollte die Stadt Vilshofen (Landkreis Passau) ihren Stadtplatz, der erst vor etwa 30 Jahren mit teurem Granit ausgestattet wurde. Doch die Planungen trieben die voraussichtlichen Kosten zunehmend in die Höhe, so dass der Stadtrat schließlich die Notbremse zog und das Vorhaben begrub. Planungskosten von rund 200.000 Euro seien dadurch „in den Sand gesetzt“, kritisiert der Steuerzahlerbund. Allein für den Architektenwettbewerb sei knapp eine halbe Million Euro verwendet worden.

Unbezahlbare Hinweisschilder

Touristische Hinweisschilder für Sehenswürdigkeiten in der Umgebung nutzen sich mit der Zeit ab – so auch an diversen Autobahnen in Bayern. Die Kosten für erforderliche Erneuerung sind nach Ansicht des BdSt viel zu hoch. So soll die Autobahn GmbH unter anderem von der Stadt Regensburg über 150.000 Euro für vier neue Schilder an den Autobahnen 3 und 93 gefordert haben. Die Schilder seien daraufhin abmontiert worden.

Ähnlich sei es bei der Autobahn 95 bei Wolfratshausen (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen): Für zwei neue Schilder seien von der Autobahnverwaltung 60.000 Euro gefordert worden – den Angaben zufolge ein nicht verhandelbarer Preis. Auch hier habe man sich für einen Rückbau entschieden. Kostenpunkt: 12.000 Euro.

Der Bund der Steuerzahler kritisiert die teuren Erneuerungs- und Rückbaukosten der Schilder. Weiterhin stellt er die Frage in den Raum, ob sich die Privatisierung der Autobahnverwaltung durch den Bund „mit dem Ziel, durch kostensenkende Effizienzgewinne mehr investieren zu können, nicht nur bürokratischer, sondern sogar kostentreibend auswirkt“.

Kurios mutet dagegen ein Projekt im Landkreis Passau an: Zwischen Pocking und Bad Füssing wurde ein dem Vernehmen nach rund drei bis vier Mio. Euro teures, ca. 50 Meter langes Brückenbauwerk errichtet, das einen sicheren Übergang für Fledermäuse über die künftige Erweiterung der Autobahn A94 gewährleisten soll. Denn dort soll sich ein Flugkorridor für hochgeschützte Fledermäuse befinden.

Laut Experten orientieren sich Fledermäuse auf ihren Flügen per Echoortung an Heckenmustern, linearen Gehölzstrukturen und Reliefkanten. Daher wurde das Brückenbauwerk auch mit einer rund 2,5 Meter hohen Einzäunung versehen, damit die Fledermäuse gezielt über die Brücke geleitet werden können. Gleichzeitig dient das Brückenbauwerk, das auch begrünt wurde, als Querungshilfe für Radfahrer – in der Mitte der Brücke verläuft ein rund 3,2 Meter breiter Radweg.

Autobahn GmbH hat keine Antwort

Ob die Fledermäuse aber tatsächlich einmal über ihre Brücke fliegen werden oder nicht, lässt sich derzeit noch nicht beurteilen. Laut Naturschutzexperten ist davon auszugehen, dass Fledermäuse lieber durch Unterführungen als über eine Straße fliegen. Wie die Fledermäuse mit der neuen Situation umgehen und über ihre Brücke fliegen werden, steht derzeit noch in den Sternen.

Die zuständige Autobahn GmbH blieb dem Bund der Steuerzahler bis zum Redaktionsschluss des Schwarzbuchs eine Antwort zu den Fragen der zwingenden Erforderlichkeit und Finanzierung der „Fledermausbrücke“ sowie einer eventuellen alternativen Querungsmöglichkeit für Radfahrer – nur ein paar hundert Meter weiter befindet sich ebenfalls ein neues Brückenbauwerk – leider schuldig. Entsprechende Anfragen des Bundes der Steuerzahler blieben trotz Erinnerung unbeantwortet.

DK

 

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