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(GZ-22-2024 - 21. November)
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► 47. Deutscher Krankenhaustag:

 

„Orientierung in der Revolution“

 

Der gesamten Bandbreite gesundheits- und krankenhauspolitischer Themen, vor allem aber der viel diskutierten Krankenhausreform, widmete sich der 47. Deutsche Krankenhaustag in Düsseldorf unter dem Motto „Orientierung in der Revolution“. Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), forderte die Bundesländer auf, die Klinikreform am 22. November im Bundesrat in den Vermittlungsausschuss zu verweisen, denn: „Für die stationäre Versorgung in Deutschland tragen die Länder auch in den kommenden Jahren die Verantwortung.“

Mit kleinen Stellschrauben sei dieses Gesetz nicht mehr zu retten, betonte Gaß. Retten könne man es nur, wenn der Vermittlungsausschuss dieses Gesetz auf gemeinsame Grundvereinbarungen zurückführe. „Wir schlagen als erste Schritte zur Rettung der Krankenhausreform vor, den notwendigen Inflationsausgleich sofort umzusetzen, um die flächendeckende Defizitlage der Kliniken zu entschärfen. Gleichzeitig müssen die Leistungsgruppen nach dem NRW-Modell bundesweit angewendet und schon bestehende Instrumente wie Sicherstellungszuschläge zur Vorhaltefinanzierung ausgeweitet werden, bis ein tauglicheres Modell erarbeitet ist“, so der DKG-Vorstand. Zudem müssten die Krankenhäuser endlich konsequent von überflüssiger Bürokratie und Überregulierung befreit werden.

Hinhaltetaktik mit immer neuen Versprechungen

„Zu spät, zu unkonkret und zu unambitioniert“, nannte Gaß die Empfehlungen der Regierungskommission zum Bürokratieabbau im Krankenhaus. Seit Jahren halte Minister Lauterbach die Krankenhäuser und ihre Beschäftigten mit immer neuen Versprechen hin, sie von der immensen Bürokratielast befreien zu wollen.

„Sogar ein ganzes Entbürokratisierungsgesetz hat er uns bis Weihnachten 2023 versprochen und dieses nicht gehaltene Versprechen des vergangenen Jahres gleich in diesem Jahr noch einmal wiederholt – jetzt soll das Gesetz noch in diesem Herbst kommen. Doch statt konkret zu handeln und die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, schieben Minister und Kommission die Verantwortung auf die Krankenhäuser ab. Diese sollen ‚selbstkritisch‘ Dokumentationspflichten überprüfen und sich mit den Kostenträgern an einen Tisch setzen. Aber viel mehr kann man natürlich nicht erwarten, wenn man dieselbe Kommission mit Entbürokratisierung beauftragt, die bereits mit ihren Vorschlägen zur Krankenhausreform für den gewaltigsten Büroaufbau im Krankenhauswesen seit Bestehen der Bundesrepublik verantwortlich ist.“

Schlecht gemachtes Gesetz

„Auch wenn wir in einer politisch turbulenten und fragilen Situation sind, ohne Änderungen darf diese Reform nicht kommen“, machte Gaß deutlich. „Sollte die Krankenhausreform den Bundesrat passieren, tritt ein an vielen Stellen schlecht gemachtes Gesetz in Kraft, dass die Patientenversorgung in Deutschland nicht verbessern, sondern erschweren wird. Niemand kann heute sagen, wer nach einer Neuwahl das Gesundheitsressort führt und ob es dann zu schnellen, notwendigen Korrekturen käme.“

„Reformen der Krankenhauslandschaft sind alternativlos – darin sind sich alle einig. Aber der aktuelle Reformvorschlag wird die Probleme so nicht lösen“, stieß Kongresspräsidentin und DBfK-Vorstandsmitglied Sabine Berninger in dieselbe Kerbe. Sie sieht notwendige Reformen in den Bereichen Strukturen, Kompetenzen und Finanzierung. „Zur Ausgestaltung der Krankenhausreform gibt es unterschiedliche Perspektiven.

Aus meiner Sicht ist ein Punkt ganz deutlich hervorzuheben, nämlich dass auch außerhalb der Krankenhäuser viel passieren muss. Denn durch eine veränderte Krankenhausstruktur werden enorme Herausforderungen auf die ambulante Versorgung der Menschen zukommen.“

Für eine erfolgreiche Reform brauche es daher rund um die Uhr verfügbare Anlaufstellen wie Primärversorgungszentren, Gesundheitskioske oder Notfallpraxen, die medizinische, pflegerische und soziale Betreuung bieten, idealerweise Krankenhausaufenthalte vermeiden und an Krankenhäuser angebunden sind. „Neue Strukturen brauchen die richtigen Kompetenzen an der richtigen Stelle, sie brauchen eine veränderte Aufgabenverteilung sowie eine gute inter- und intraprofessionelle Zusammenarbeit“, so Berninger. Sie forderte daher die Kompetenzerweiterung für Pflegefachpersonen, damit die Versorgung besser und der Pflegeberuf attraktiver wird.

Langsame Trendwende statt Weg ins Chaos

Angesichts des hohen Finanzdrucks, dem die Krankenhäuser ausgesetzt sind, warnte Berninger: „Die Pflege im Krankenhaus ist aus dem ökonomischen Kreislauf der Unterfinanzierung ein Stück herausgekommen, indem die Stellen über das Pflegebudget finanziert werden. Ein vollkommen richtiger Schritt, um eine langsame Trendwende einzuleiten. Das Pflegebudget darf aber aktuell nicht in Frage gestellt werden, denn das würde von heute auf morgen zu einer erneuten Abwärtsspirale in der pflegerischen Besetzung führen. Vor allem darf der Anlauf zu einer Revolution im Gesundheitswesen nicht durch politische Turbulenzen ins Chaos führen. Dafür müssen alle Verantwortlichen jetzt sorgen.“

Flexibilität für die Länder

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann macht sich nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition für einen Beschluss der Krankenhausreform stark – aber mit Nachbesserungen. Lauterbach habe die Kanzlermehrheit verloren, weshalb er bei seiner Reform nun Zugeständnisse an die Länder machen müsse. Laumann forderte mehr Flexibilität für die Länder, um auf lokale Gegebenheiten reagieren zu können. Besonders in ländlichen Regionen sei es eine besondere Herausforderung, eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. Der Landesminister empfahl allen beteiligten Akteuren, gemeinsam in der Sache zu einem Ergebnis zu kommen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach betonte, dass die Reformen darauf abzielen, die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus zu verbessern, insbesondere für Pflegekräfte, und gleichzeitig innovative Ansätze wie digitale Gesundheitslösungen und den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Patientenversorgung zu fördern. Lauterbach zufolge könne die „Zukunftsfähigkeit der Kliniken“ nicht nur durch mehr Investitionen, sondern vor allem durch eine kluge Organisation der Krankenhausstrukturen gesichert werden. Für eine Einigung mit den Ländern bei der Klinikreform sieht Lauterbach allerdings wenig Spielraum. Abstriche bei der Qualität werde es nicht geben, erklärte der Minister.

DK

 

 

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