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(GZ-8-2017)
Kommunale Praxis
Neue GZ-Seminarreihe:
 
Kommunikation in Kommunen
 

Auftaktveranstaltung in München gemeinsam mit Bayerischem Landkreistag, Engel & Zimmermann sowie TV Bayern live

08 2016 Kommunikation

Das Geschäftsführende Präsidialmitglied des Bayerischen Landkreistags, Dr. Johann Keller, eröffnete gemeinsam mit GZ-Verlegerin Anne-Marie von Hassel (beide stehend) im Haus der Bayerischen Landkreise die Seminarreihe „Kommunikation in Kommunen“. RED

Bürgerproteste haben in Bayern Tradition und Bürgerentscheide bereits zahlreiche kommunale Projekte zum Scheitern gebracht. Es zeigt sich: Ein transparenter Dialog zwischen Kommunen und Bürgern fehlt oftmals gänzlich. Vor diesem Hintergrund hat die Bayerische GemeindeZeitung in Zusammenarbeit mit Bayerischem Landkreistag, der Kommunikationsberatung Engel & Zimmermann und TV Bayern live eine Seminarreihe ins Leben gerufen. Unter dem Titel „Kommunikation in Kommunen“ touren die Initiatoren durch den Freistaat. Die Auftaktveranstaltung fand im Haus der Bayerischen Landkreise in München statt.  

Beim Bayerischen Landkreistag steht das Kommunikationsthema ohnehin an vorderster Stelle, wie der Hausherr, Geschäftsführendes Präsidialmitglied Dr. Johann Keller, in seinem Grußwort unterstrich. In der Geschäftsstelle liefen die „Drähte aller 71 bayerischen Landkreise“ zusammen, „um unsere Positionen und Botschaften an die Landes- und Bundespolitik zu bringen“.

„Wir betreiben also Kommunikation in reinster Form“, hob Keller hervor. Ob durch persönliche Gespräche oder beispielsweise Tagungen. „Dies ist Aufgabe unseres Verbandes.“ 

Sorgen und Ängste ernst nehmen

Über den Erfolg entscheidet am Ende des Tages Keller zufolge „immer das Wann und Wie“. „Angemessene Information und wenig Fehler bei der Kommunikation“ laute die Devise. Wichtig sei es, Sorgen und Ängste auszuräumen, das Gegenüber sachlich und emotional zu überzeugen und ihm auch immer das Gefühl zu geben, gehört zu werden. Auch in seinen zahlreichen Gesprächen mit den Landräten kämen diese Attribute zum Einsatz.

Die Menschen mitnehmen

„Es gilt, plausible Erklärungen anzubieten und die Menschen mitzunehmen, betonte GZ-Chefredakteurin Anne-Marie von Hassel. Hierfür müssten Methoden gewählt werden, die für die Bürger verständlich und nachvollziehbar sind.

Ihre Forderung erläuterte von Hassel am Kommunikationsmodell der Linguisten: „Nur dort, wo Sender und Empfänger eine gemeinsame Basis haben, ist eine Verständigung möglich. Dies können Zeichen, Mimik, Gestik, Bilder ... vor allem aber Sprache sein.“ Sender und Empfänger seien in diesem Kommunikationsmodell wechselweise austauschbar. Verständliche Kommunikation sei aber nur im Bereich der Überlappung möglich; nur dort verfüge man über einen gemeinsamen „Code“. „Je größer dieser ist, umso mehr Möglichkeiten der Kommunikation gibt es“, so die Journalistin.

Konfliktpotenzial Infrastruktur

Viele Bürgerinnen und Bürger beurteilen kommunale Infrastrukturprojekte und Unternehmensansiedlungen heute vordergründig danach, ob sie ihrem eigenen, individuellen Interesse dienen oder nicht. Das ist legitim und nicht unbedingt neu  – und doch stellt die zunehmende Protestbereitschaft die Kommunalpolitik damit häufig vor große Herausforderungen. Die Liste gescheiterter Infrastruktur-Projekte in Bayern ist lang und macht deutlich, wie real Bürgerproteste heute sind und wie weitreichend die Konsequenzen sein können.

Beispielhaftes Scheitern ...

Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Wackersdorf, eines der politisch umstrittensten Bauprojekte der 1980er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland. Die geplante Anlage für abgebrannte Brennstäbe aus Kernreaktoren wurde nie fertiggestellt. Die zahlreichen Demonstrationen erstreckten sich laut von Hassel über alle Bevölkerungsgruppen. Der Widerstand gegen die WAA entwickelte sich lawinenartig und Bayerns damaliger Ministerpräsident Franz Josef Strauß habe mit Brachialgewalt versucht, das Projekt durchzusetzen. Ohne Erfolg. Nach Strauß‘ plötzlichem Tod zog dessen Nachfolger Max Streibl 1989 die Reißleine.

Auch beim geplanten Pumpspeicherkraftwerk Jochberg in den bayerischen Alpen waren in der öffentlichen Wahrnehmung eher die Gegner des Projektes präsent. Im September 2014 wurde bekannt, dass die Bayerische Staatsregierung das Projekt aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiterverfolgen wird. Innerhalb kürzester Zeit sei das Kraftwerk schlichtweg „totgeredet“ worden.

Nicht nur ein tragischer Unglücksfall, sondern nach Aussage des damaligen Oberbürgermeisters Wolfgang Heitmeier eben auch ein „Kommunikationsfiasko“ war der Einsturz der Bad Reichenhaller Eishalle zu Beginn des Jahres 2006, bei dem 15 Menschen ihr Leben ließen. Einer der dunkelsten Tage in der Geschichte der Stadt.

... und geplantes Gelingen

Mit fachlich überzeugender Kommunikation konnte dagegen in Garching bei München gepunktet werden. Der Forschungsreaktor München (FRM) wurde 1957 als erste kerntechnische Anlage in der Bundesrepublik Deutschland in Betrieb genommen. Ab Mitte der 1980er Jahre gab es Planungen, das „Atom-Ei“ in seiner Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Der Wissenschaftsrat empfahl 1992 jedoch den Neubau eines leistungsfähigeren Forschungsreaktors. Die Abschaltung des FRM erfolgte im Jahr 2000, vier Jahre später konnte der FRM II schließlich die ersten Neutronen liefern.

Obwohl sich auch das Projekt in Garching lautstarken und zum Teil unreflektierten Protesten ausgesetzt sah, fand man im Gegensatz zu Wackersdorf eine Lösung. Die TU erkannte die Notwendigkeit einer professionellen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Konkret lautete die Losung, mit den Menschen permanent zu kommunizieren und die Wissenschaftler für diese Kommunikation gezielt zu schulen. Die neu eingerichtete Pressestelle suchte und pflegte fortan täglich den Kontakt mit der Bevölkerung und den Medienvertretern.

Um einen gemeinsamen und für alle gangbaren Weg zu finden, wurden regelmäßig sog. Nachbarschaftszeitungen publiziert, die die Bevölkerung umfassend informierten. „Nur wenn es mir gelingt, Vertrauen aufzubauen, kann ich erfolgreich sein. Auf alles reagieren, alles erklären, nichts verheimlichen und immer bei der Wahrheit bleiben – so muss die Devise lauten“, hob Anne-Marie von Hassel hervor.

Auch 13 Jahre später wird dieses Ansinnen konsequent weiterverfolgt: Erst kürzlich wurde eine neue Broschüre mit nützlichen Informationen zum Sicherheitskonzept des FRM II verteilt.

Apropos Pressearbeit: Die GZ-Chefredakteurin hatte auch „gute und weniger gute Beispiele“ für Internetauftritte kommunaler Ämter und deren Pressestellen im Gepäck. Weil hervorragend organisiert und inhaltlich bestens ausgestattet, erhielten München und Regensburg Bestnoten.

Für Profis absehbare Kommunikationsdesaster

Als Produzent des Regionalmagazins TV Bayern live ließ Uwe Brückner im Anschluss  „Kommunikationsdesaster“ aus dem Archiv filmisch Revue passieren. So ist der geplante Neubau eines Verkehrslandeplatzes bei Coburg in weite Ferne gerückt. Politischer Widerstand erhebt sich zudem gegen eine dritte Startbahn am Flughafen München sowie den geplanten Bau von Wasserkraftwerken an der Iller. Hier sind Defizite in der Kommunikation und das Gefühl mangelnder Einbindung in die Projekte Hauptursachen für eine Verweigerungshaltung auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger.

Erfolge mit guter Öffentlichkeitsarbeit

In Pfaffenhofen dagegen führte eine zielgerichtete dauerhafte Kommunikation zur erfolgreichen Umsetzung eines zukunfts-trächtigen Infrastrukturprojekts: Die Wählerinnen und Wähler stimmten in einem Bürgerentscheid für einen Windpark – und damit auch dafür, dass ihre Stadt sich in Zukunft selbst mit Strom versorgen kann. Die Energie-Autarkie ist das große Ziel der Stadtratsmehrheit und der eigens gegründeten Bürger-Energie-Genossenschaft BEG.

Das TV Bayern Regionalfernsehen setzt sich Uwe Brückner zufolge aus 16 lokalen Fernsehsendern zusammen, die „in der Regel eine Zweitmeinung darstellen“. Trotz des Umstandes, dass Medien einer Region bzw. eines Wirtschaftsraums „häufig in einer Hand liegen“ und es mitunter schwierig ist, dort etwas politisch zu bewegen, „empfehlen sich die lokalen Fernsehsender doch immer wieder als Transporteure von Diskussionen“.

Im Gegensatz zu früher sei Kommunikation eine Dialogform – vorbei die Zeiten des „stummen Lesers“, so Brückner. Inzwischen seien die Bürger selbst Teil der Medien: Sie publizierten, suchten sich Interessensgruppen und bloggten. Mit dieser „anderen Öffentlichkeit“ in Form vieler kleiner bürgerlicher privater Medien müssten Kommunalpolitiker zum Beispiel in Form von Diskussionsforen ins Gespräch kommen.

Einbahnstraßen-Kommunikation ist passé

„Eine Informationsveranstaltung in einer kommunalen Turnhalle mit dem Landrat als Redner kann nichts bewirken. Das ist Einbahnstraßen-Kommunikation!“, erklärte Brückner. Das umgekehrte Modell erachtet der Journalist als sinnvoller: „Lassen Sie den Landrat Fragen an die Bürger stellen. Die Leute wollen nicht mehr zuhören, sondern sich gleichberechtigt äußern. Geben Sie vielen Menschen immer wieder die Möglichkeit dazu!“

Als weiteres „kommunikatives Erschwernis“ bezeichnete Brückner die Tatsache, dass volkswirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge kaum im Fernsehen diskutiert werden. Wie aber soll sich Verständnis beim nicht geschulten Bürger, dem wirtschaftliche Vokabularien fremd sind, entwickeln? „Als TV Bayern live sehen wir eine Chance, in diese Lücke zu stoßen – und zwar mit fundierter Berichterstattung“, so der Produzent.

Wie man sich idealerweise verhält

Können wichtige und richtige Infrastrukturprojekte und Unternehmensansiedlungen in der heutigen Zeit überhaupt noch realisiert werden? Und sind egoistische Motive tatsächlich stärker in der Außenwahrnehmung als der Sinn für das Gemeinwohl? Wie sich Kommunen und Vorhabenträger im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit idealerweise verhalten, um die Akzeptanz für ihre Projekte zu sichern, darüber informierte Dr. Andreas Bachmeier, Vorstand und Partner Engel & Zimmermann AG. 

Allein im zweiten Halbjahr 2016 gingen gleich drei Bürgerentscheide in Bayern zum Nachteil der Vorhabenträger aus, wie Bachmeier aufzeigte. Die Motive für die Ablehnung von derlei Projekten sind vielschichtig: Neben alten Bekannten wie dem Sankt-Florian-Prinzip und Sorgen um Umweltfolgen sowie der Angst vor hohen Kosten sieht man sich heute auch mit einem generellen Vertrauensverlust gegenüber Politik und Vorhabenträgern konfrontiert.

Beim Bürgerentscheid in Schliersee setzte sich das Bürgerbegehren gegen das Ratsbegehren durch. Somit darf sich das Unternehmen sixtus nicht am Schlierseer Ortsrand mitten in einem Landschaftsschutzgebiet ansiedeln. Ebenso gescheitert ist der Umzug des Schlachthofs München in die Gemeinde Aschheim. Und auch aus der Ansiedlung eines Transgourmet Food Logistikers in Freising wurde nichts. Das Unternehmen sagte der Domstadt ab – noch vor dem Bürgerentscheid.

Das Partizipationsbedürfnis der Bevölkerung steigt

Ein neuer Trend? „Ja und nein“, meinte Bachmeier. Fakt sei: „Das Partizipationsbedürfnis der Bevölkerung steigt. Der Protest beginnt und organisiert sich online. Wohnen und wirtschaften gehen auf Distanz.“

Ein erfolgreicher Bürgerdialog müsse deshalb frühzeitig beginnen, riet Bachmeier. „Die frühzeitige, enge Einbindung von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ist entscheidend für den Erfolg eines Projektes.“ Brodelt die „Gerüchteküche“ bereits, sei es meist schon zu spät, um argumentativ auf Vorbehalte, Ängste und Sorgen – seien sie auch unbegründet – zu reagieren. Mit dem Start des Projekts müssten auch die Kommunikationsaktivitäten beginnen.   

Im Projektablauf sollten Kommunen und Unternehmen soweit wie möglich flexibel agieren, meinte der Kommunikationsexperte. Dialogbereitschaft und ernsthafte Bemühungen, eine für möglichst viele Beteiligte zufriedenstellende Lösung zu finden, könne negative Reaktionen und Aversionen von Anwohnern und Bürgern gegenüber dem Projekt vermeiden.

Die Dialogverantwortung liege beim Unternehmen. Dialogangebote an die Bürgerinnen und Bürger müssten kontinuierlich gemacht werden; es gelte, den Informationsfluss konstant zu halten. Zudem seien Argumente und Informationen stetig auf allen Kommunikationskanälen darzulegen.

Bei Debatten zu relevanten Projekten richteten sich Politiker aus Land und Bund gerne nach der Mehrheitsstimmung und entschieden nach der gefühlten Popularität. Dies habe Auswirkungen auf den Projektablauf, urteilte Bachmeier, „denn ohne politische Rückendeckung werden Projekte verzögert oder ganz gestoppt“. Außerdem sollten sich Projekt und Projektkommunikation auf Augenhöhe begegnen.

Den Argumenten ein Gesicht geben

Um die öffentliche Akzeptanz zu fördern, muss den Argumenten laut Bachmeier ein Gesicht gegeben werden, indem man die Projektträger personalisiert in Erscheinung treten lässt. „Verstecken“ sich die Verantwortlichen, könne dies dazu führen, dass das Unternehmen eher an Glaubwürdigkeit verliert und die ohnehin knappe Ressource Vertrauen verspielt. Der persönliche Kontakt bestimme letztlich über das Ansehen des Unternehmens in der Region.

 

www.TVBAYERN.deTV-Beitrag auf TVBAYERN über den KIK-Seminarbeginn im Bayerischen Landkreistag in München, am 6. April 2017.

 

DK

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