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(GZ-10-2017)
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► Bayerische Standesbeamte:
 
Vom Auslandsrecht bis zur Kinderehe
 

Fachtagung Personenstandswesen und Verbandsversammlung 2017 in Ingolstadt

Knapp 500 Teilnehmer verzeichnete die dreitägige Verbandsversammlung der bayerischen Standesbeamten in Ingolstadt. Hochkompetente Dozenten gaben erstklassige Hilfestellung zum Auslandsrecht in seinen vielfältigen Ausprägungen. Auch aktuelle Aussichten zur Kinderehe und zur Anerkennung ausländischer Scheidungen standen auf dem Programm der alle zwei Jahre stattfindenden Fortbildungstagung.

„Die hohe Auslastung an Personenstandsfällen und hier insbesondere die Flüchtlingsproble-matik stellen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Ingolstadt regelmäßig vor große Herausforderungen“, betonte Oberbürgermeister Christian Lösel im Anschluss an die Begrüßung durch Verbandsvorsitzenden Klaus Holub. Lösel wies deshalb auf die Notwendigkeit hin, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Standesämtern vor allem im internationalen Bereich sehr gut ausgebildet sein müssen. Standesbeamtinnen und Standesbeamten trügen wesentlich zum positiven Erscheinungsbildung einer Kommune bei.

Garant für hohen Ausbildungsstand

Innenstaatssekretär Gerhard Eck lobte in seinem Grußwort den bayerischen Fachverband mit seinen kompetenten Fachberatern und Fachberaterinnen als Garant für einen hohen Ausbildungsstand der bayerischen Standesbeamtinnen und Standesbeamten. Eck gab zudem einen kurzen Überblick über die künftigen Änderungen und Neuerungen im sich nach wie vor im Wandel befindenden Personenstandswesen und appellierte an die Versammlung, „am Ball und neugierig“ zu bleiben.

Vielfältiges Alltagsgeschäft

Schöne Hochzeiten – damit verbinden wohl die meisten Menschen die Aufgaben der Standesbeamtinnen und Standesbeamten. Das Alltagsgeschäft ist aber weitaus vielfältiger. In vielen Großstadtstandesämtern sind jährlich 100 und mehr Nationen zu verzeichnen, deren Angehörige dort heiraten oder neugeborene Kinder anmelden. Vor allem der hohe Anteil der Bürger mit Migrationshintergrund macht es erforderlich, nicht nur deutsches Personenstands-, Ehe-, Familien-, Namens- und Staatsangehörigkeitsrecht zu beherrschen, sondern ebenso die entsprechenden ausländischen Vorschriften anzuwenden.

Ehemündigkeitsalter 18

Brandaktuell ist die rechtliche Problematik sog. Kinderehen, mit der sich Prof. Dr. Tobias Helms von der Philipps-Universität Marburg auseinandersetzte. Im April dieses Jahres hatte die Bunderegierung seinen Worten zufolge beschlossen, noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen zu verabschieden. Danach soll für Ehen, die in Deutschland geschlossen werden, das Ehemündigkeitsalter ausnahmslos von 16 Jahren auf 18 Jahre heraufgesetzt werden.

Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, sollen grundsätzlich automatisch unwirksam sein, wenn einer der Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung jünger als 16 Jahre alt ist. Ist einer der Ehegatten in diesem Zeitpunkt zwar 16, aber noch keine 18 Jahre alt, soll die Ehe durch richterliche Entscheidung aufgehoben werden, wobei hiervon nur in besonderen Härtefällen abgesehen werden kann.

In allen Bereichen der standesamtlichen Arbeit kommen Standesbeamtinnen und Standesbeamte immer häufiger in Berührung mit Flüchtlingsfamilien. Mit dem Umgang mit Flüchtlingen bei der Geburtsbeurkundung befasste sich Verwaltungsamtsrätin Silvia Hetzer vom Standesamt Würzburg.  

Unklare Abstammungsverhältnisse

Laut Hetzer stellen sich besonders bei der Beurkundung von Geburten vielfältige Probleme durch ungeklärte Identitäten der Eltern, mangelnde Nachweise zur Eheschließung sowie unklare Abstammungsverhältnisse. Es bestehe ein hoher zeitlicher Druck zur Beurkundung der Geburt, denn diese ist Voraussetzung für die Beantragung von Leistungen und das Handeln anderer Stellen wie beispielsweise Melde- und Ausländerbehörden. Doch nicht nur fehlende oder mangelhafte Dokumente erschwerten die Arbeit der Standesbeamtinnen und Standesbeamten, sondern insbesondere auch die Sprachbarriere und die kulturelle Verschiedenheit.

Problem: Familienrecht muslimischer Länder

Das Familienrecht muslimischer Länder am Beispiel Syriens stellte Dr. Lena-Maria Möller, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht (Hamburg) dar. Das religiöse Familienrecht muslimischer Länder beschäftigt Standesbeamte bereits seit geraumer Zeit. Durch den inzwischen sechs Jahre anhaltenden syrischen Bürgerkrieg und die daraus resultierende Flucht zahlreicher Staatsangehöriger dieses mehrheitlich muslimischen Landes nach Deutschland ist das islamisch geprägte Familienrecht Syriens nun aber verstärkt in den Mittelpunkt der standesamtlichen Praxis gerückt.

Obgleich die Arabische Republik Syrien in ihrer politischen Ausrichtung säkular orientiert ist und im Gegensatz zu der Mehrzahl der Länder in der Region den Islam nicht als Staatsreligion bestimmt, ist das Familienrecht als Erbe der Rechtstradition des Osmanischen Reiches auch weiterhin interreligiös gespalten. Die Mehrheit der Syrer unterliegt als Muslime dabei einem in den frühen 1950er Jahren verabschiedeten Personalstatutsgesetz, das 1975, 2003 und 2010 geringfügig novelliert wurde. Für die weiteren Glaubensgemeinschaften der Juden, Drusen und Christen existieren zudem eigene Regelungen.

Wirksamkeit von Ehen

Möller zeigte auf, welche Veränderungen durch den Bürgerkriegszustand und den Verlust staatlicher Kontrolle in Teilgebieten Syriens zu beobachten sind. Dabei ging sie  insbesondere auch der Frage nach der Wirksamkeit von Ehen, die außerhalb des vom syrischen Regime kontrollierten Kerngebiet Syriens geschlossen wurden, nach. Mit einem kurzen Blick auf das Internationale Privatrecht der Anrainerstaaten Syriens wurde überprüft, welche Wirkung außerhalb Syriens entstandenen Statusverhältnissen zukommt.

Fachkompetent erläutert wurden unter anderem auch das Erkennen gefälschter Pässe und die richtige Verwendung historischer Ortsbezeichnungen. Nach den Ausführungen von Hauptkommissar Andreas Heuser, Diplomverwaltungswirt im Fachbereich Polizei und Dozent für Urkundendelikte an der Polizeiakademie Hessen, werden im Zuge des Schengener Abkommens und eines grenzlosen Europas immer häufiger ausländische Urkunden und Dokumente vorgelegt. Urkunden, wie zum Beispiel Reisepässe, Identitätskarten, Führerscheine, Banknoten oder Kreditkarten, werden zum Schutz gegen Fälschungen oder Verfälschung mit besonderen Sicherungselementen ausgestattet. Dem Fälscher seien die echten Ausgangsstoffe und Produktionsverfahren nicht zugänglich und auch oftmals nicht bekannt, informierte Heuser. Außerdem seien die Ausgangsstoffe im freien Handel zumeist nicht verfügbar bzw. würden nicht für die Allgemeinheit zum Verkauf angeboten.

Sicherheitselemente versus falsche Dokumente

Um eine unechte falsche Urkunde oder ein Falsifikat herzustellen, müsse der Fälscher daher diese Sicherheitselemente imitieren bzw. nachahmen. Die Erkennung der Fälschungsmerkmale erfolge aber nur, wenn man sich zu einer Kontrolle der vorgelegten Dokumente entscheidet, dem entweder eine Verdachtsschöpfung oder ein Kontrolldruck voransteht.

Um eine Urkundenfälschung oder -verfälschung erkennen zu können, müsse man daher in der Lage sein, die Sicherheitsmerkmale in einer Urkunde auf deren Vorhandensein und Echtheit zu prüfen. Weiterhin müsse man auch Merkmale von Manipulationen und deren Spuren in der Urkunde auf deren Vorhandensein beurteilen, bewerten und letztlich zu einem Entschluss kommen.

Stichwort Ortsbezeichnungen: Für Standesämter, aber auch Melde- und Passbehörden wird es schnell zu einem rechtlichen Problem, wenn „historische“ Geburts- oder Heiratsorte in Register oder Ausweisdokumente einzutragen sind. Ganz abgesehen von der Reaktion eines Betroffenen, der schwarz auf weiß zu lesen hat, beispielsweise 1943 statt in Breslau in Wroclaw, Polen, geboren zu sein.

Ortsbezeichnungen

Wie Regierungsdirektor Walter Königbauer vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr erläuterte, ist für Orte im Ausland bei der Beurkundung von Personenstandsfällen die im betreffenden Staat übliche Bezeichnung zu verwenden und vorrangig eine nähere Kennzeichnung in Form einer Hinzufügung des Verwaltungsbezirks oder einer geographischen Bezeichnung (z. B. Gebirge, Fluss).

Eine im Inland übliche deutsche Bezeichnung sei stets vorrangig. Keine Vorgabe gibt es zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Eintragung des Ortes abzustellen ist (z. B. Zeitpunkt der Geburt oder Zeitpunkt des aktuellen Personenstandsfalles). Die verschiedenen Möglichkeiten für die Eintragung des Ortes eröffneten einen Gestaltungsspielraum. Dabei gelte die Vorgabe, dass Orte so einzutragen sind, dass sie später jederzeit ohne Schwierigkeiten ermittelt werden können.

Ein flexibler Umgang mit Ortsbezeichnungen setzt Königbauer zufolge in jedem Fall fundierte historische Kenntnisse voraus. Nur dann könnten die Standesbeamtinnen und Standesbeamten bei ihrer Beurkundungstätigkeit in dieser oftmals höchst emotionalen Frage berechtigte Anliegen im Allgemeinen auch angemessen berücksichtigen.

DK

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