Kommunalverbändezurück

(GZ-18-2017)
gz dstgb
DStGB-Positionen zur Gesundheitspolitik:
 
Kommunale Konzepte im Visier
 

Deutschland verfügt über ein leistungsfähiges Gesundheitssystem. „Jedoch sind die Ärzte ungleich verteilt“, beklagt der Deutsche Städte- und Gemeindebund in einem aktuellen Positionspapier zur Gesundheitspolitik. Von Unterversorgung betroffen seien vor allem strukturschwache ländliche Gebiete, aber auch Stadtteile größerer Städte mit einer schwierigen Sozialstruktur. Ohne Gegenmaßnahmen werde sich diese Ungleichverteilung noch weiter verschärfen, so der DStGB..

„Gerade unter dem Gesichtspunkt einer stetig steigenden Lebenserwartung wird in Zukunft die Notwendigkeit einer flächendeckenden Grundversorgung noch bedeutender werden“, heißt es in dem Papier. Um diese sicherzustellen, gebe es keinen Königsweg. Notwendig seien Aktionspläne unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sind laut DStGB verpflichtet, die ärztliche Versorgung sicherzustellen. Soweit dies nicht erfüllt wird, sollte der Gesetzgeber einen entsprechenden Rechtsanspruch zugunsten der Kommunen einführen. Dies könnte unter anderem über kleinräumige, auf einzelne Städte und Gemeinden festgelegte Planungsbereiche erreicht werden, was aufgrund der gesetzlichen Vorgaben bereits möglich und gewollt ist.

Unverzichtbare Aufgabe der Daseinsvorsorge

Sollten die rechtlichen Vorgaben noch nicht ausreichend sein, müssten die Planbezirke neu geregelt werden. Die gesundheitliche Versorgung sei wie die Kinderbetreuung eine unverzichtbare Aufgabe der Daseinsvorsorge, die gewährleistet werden muss. Um einen derartigen Rechtsanspruch zu erfüllen, könnten auch Alternativen zur Einzelpraxis in Betracht kommen, z. B. eine Zweigpraxis, Praxisgemeinschaften oder Berufsausübungsgemeinschaften. „Auf jeden Fall sollten den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene Mitsprachemöglichkeiten und Mitwirkungsbefugnisse in den Beschluss-gremien eingeräumt werden.“

Kommunen sollten nach Auffassung des DStGB bei der Ärztewerbung ein ähnliches Standortmarketing betreiben wie bei der Ansiedlung von Betrieben und Unternehmen.

Frühzeitiger Aktionsplan in Kooperation mit den Kommunen

Dazu gehöre, einen frühzeitigen Aktionsplan bei drohender Schließung einer Arztpraxis mit den Kassenärztlichen Vereinigungen zu entwerfen. „Dies kann und sollte in enger Kooperation mit den umliegenden Kommunen und dem Landkreis erfolgen.“ Als Maßnahmen kämen in Betracht: Stipendien für Studenten mit späterer Niederlassungsverpflichtung, Förderung von medizinischen Praktika im Ort, Ankauf von geeigneten Immobilien für eine Praxis, Darlehen für den Betrieb, Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche für Familienangehörige der Ärztin oder des Arztes, Hilfe bei der Kinderbetreuung, Ermöglichung von Teilzeitarbeit sowie die Kooperation mit Vereinen und Kirchen zur schnellen Verankerung des neuen Arztes in der Gemeinde.

Ärzte werden sich laut Verband nur dann in einer Gemein-de ansiedeln, wenn diese ein attraktiver Lebensort ist. Eine schleichende Übertragung des Sicherstellungsauftrags auf die Kommunen wird abgelehnt. Problematisch sei, dass viele dieser Maßnahmen Geld kosten, über das die strukturschwachen Kommunen nicht verfügen. Unabhängig von der Finanzkraft sollten die Kommunen frühzeitig mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Kontakt aufnehmen und gemeinsam nach geeigneten Maßnahmen suchen und die Planungen abstimmen.

Erreichbarkeit der Ärzte

Die Erreichbarkeit der Ärzte spielt gerade bei einer älter werdenden Gesellschaft eine immer größere Rolle. Notwendig sei es, Mobilität und Erreichbarkeit in die Versorgungsplanung mit einzubeziehen. ÖPNV-Fahrpläne sollten auch auf die Sprechzeiten der Arztpraxen abgestimmt werden. Darüber hinaus müssten Mobilitätskonzepte entwickelt werden, die auch gehbehinderten Patienten die Möglichkeit bieten, die Ärzte aufzusuchen. Beispiele seien Bürgerbusse, Landarzt- oder Ruftaxen.

Wenn Ärzte eine zunehmend knappe Ressource werden, müss-ten weiterhin Modelle gefördert werden, wie man die vorhandenen medizinischen Kapazitäten optimaler nutzen kann. Ein Schritt sei, die Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen weiter zu fördern.

Denkbar wäre aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes auch, dass die entsprechend ausgebildeten Kräfte in einer verwaisten ländlichen Arztpraxis einen stationären Anlaufpunkt für Patienten bekommen, in dem sie selbst kleinere Krankheiten nach entsprechender Aus- und Fortbildung behandeln können. Bei komplizierteren Fällen könnten sie dann Ärzte hinzuziehen, die qualifiziert entscheiden, ob der Patient vor Ort versorgt oder in eine Fachpraxis oder Klinik überwiesen wird.

Neues Berufsbild Arztassistent

Auch sollte überlegt werden, ob ein neues Berufsbild des Arzt-assistenten oder der Arztassistentin eingeführt wird. Dies würde sich bei der ärztlichen Versorgung entlastend auswirken, ohne dass die Qualität der Versorgung beeinträchtigt wird.

„Das Bundesgesundheitsministerium sollte die erforderlichen Schritte zur Ausgestaltung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen zur Durchführung von Modellvorhaben auf den Weg bringen und insbesondere die Anforderungen an diese Modellvorhaben so regeln, dass sie kurzfristig realisiert werden können“, heißt es weiter. In diesem Rahmen sollten die Kommunen überlegen, inwieweit sie durch eigene Maßnahmen Ärzte entlasten können, z. B. durch Mehrgenerationenhäuser Teilhaberäume für ältere Menschen zu schaffen. In ländlichen Räumen suchten ältere Menschen zum Teil Ärzte auf, da keine anderen Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus wird dafür plädiert, die Möglichkeiten der Telemedizin weiter auszubauen. Die noch bestehenden Vorbehalte über die Fernbehandlung seien auszuräumen. Viele europäische und außereuropäische Länder seien in Sachen Delegation und Telemedizin bereits deutlich weiter als Deutschland. Dort habe man erkannt, dass zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung ein abgestuftes Versorgungssystem notwendig ist. Beispiele seien „rollende Arztpraxen“, die mit Hausarzt- und Facharztpraxen in einem mit Medizintechnik ausgestatteten Fahrzeug vernetzt sind. Allerdings habe die Telemedizin nur dann eine Chance, „wenn die Leistungen angemessen vergütet und Bestandteil der Regelversorgung werden“.

Wohnortnahe Grund- und Regelversorgung

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Ärztemangels im ambulanten Bereich komme gerade den ländlichen Krankenhäusern eine besondere Bedeutung in der wohnortnahen Grund- und Regelversorgung zu. Diese Grund- und Regelversorgungskrankenhäuser müssten finanziell in die Lage versetzt werden, ihren Daseinsvorsorgeauftrag zu erfüllen und die medizinische Versorgung der Bevölkerung dauerhaft sicherzustellen. Notwendig sei, dass die Leistungen der Grundversorgung im Abrechnungssystem einen entsprechenden Stellenwert erhalten, der Anreize bietet, diese Aktivitäten zu verstärken.

Sorge um Geburtsstationen

Im ländlichen Raum wurden immer mehr Geburtsstationen geschlossen. Das betrifft sowohl die kleinen Geburtsstationen in kommunaler Trägerschaft als auch Kreißsäle in vergleichsweise gro-ßen privatwirtschaftlich geführten Häusern. „Wenn hier kein entscheidendes Umdenken in der Politik stattfindet, die den Markt ganz bewusst dem Zusammenspiel der Leistungsbringer und der Kostenträger überlassen hat, wird sich das Sterben der Geburtsabteilungen fortsetzen“, warnt der DStGB.

Als notwendig werden vor diesem Hintergrund die Aufnahme der Geburtshilfe in die Grund- und Regelversorgung der stationären Versorgungsleistung, die Entwicklung alternativer Finanzierungsmechanismen für alle Bereiche der Grund- und Regelversorgung (inklusive Geburtshilfe) außerhalb des DRG-Systems, die Erprobung und Etablierung von Anreizsystemen zur Gewinnung von geburtshilflichem Fachpersonal für Kliniken in ländlichen Räumen und die flächendeckende, dezentrale Errichtung neuer Hebammenschulen erachtet. Damit sollen ausgebildete Hebammen durch Kooperation mit den umliegenden Geburtsstationen in der Region gebunden werden.

In Gesundheitszentren könnte nach Meinung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes gerade im ländlichen Raum die Zusammenfassung der verschiedenen Gesundheitsdienstleistungen ermöglicht werden. Dazu könnten neben den niedergelassenen Ärzten auch Therapeuten und Pflegeangebote zählen. 

DK

GemeindeZeitung

Kommunalverbände

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung