Rößle zufolge muss die Verkehrswende auch auf kommunaler Ebene eingeleitet werden. Kommunale Gebietskörperschaften gestalteten Mobilität vor Ort bei der Neuausrichtung bzw. Weiterentwicklung der Verkehrssysteme – siehe z. B. Straßenbaumaßnahmen, Verkehrslenkung und -beruhigung, Einführung von intelligentem Parkraummanagement, ÖPNV und Radverkehrsförderung. Die CSU wolle Mobilität weder qualitativ noch quantitativ einschränken; sie solle gezielt und intelligent weiterentwickelt werden. Auch wolle man die Menschen nicht zwangsweise umerziehen, sondern Anreize schaffen und dafür werben, neue Formen der Mobilität zu nutzen. „Jeder soll das Verkehrsmittel seiner Wahl nutzen können – je nach Bedarf“, betonte Rößle. Zudem wies er darauf hin, dass die Bereitschaft der Kommunen zu neuen Konzepten im Wesentlichen von der Bereitstellung staatlicher Mittel abhänge.
Das Leben lebenswert gestalten
„Mein Anspruch ist, trotz des enormen Zuzugs von jährlich 35.000 Menschen das Leben lebenswert zu gestalten und die Luft entsprechend sauber zu bekommen“, erklärte Stephanie Jacobs, Leiterin des Referats für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München, mit Blick auf erhöhte Stickstoffdioxidwerte in der Stadt. In der Frage von Diesel-Fahrverboten gehe es inzwischen darum, wie sie gesteuert und ausgestaltet werden müssen.
Grenzwertewerden eingehalten
Zwar sei München aktuell deutscher Tabellenführer in der Stickstoffdioxid-Belastungs-Tabelle, jedoch hätten aktuelle städtische Messungen ergeben, dass der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffoxid pro Kubikmeter Luft in allen Wohngebieten eingehalten wird. Beim Feinstaub würden die Grenzwerte bereits seit 2012 überall in der Stadt eingehalten.
„Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Februar dieses Jahres sehen wir als Stadt München nicht die Zuständigkeit für die Kommunen, selbst Fahrverbote erlassen zu können“, unterstrich Jacobs. Es gehe u.a. um die Frage, wie Ausnahmemöglichkeiten für die Bürger konzipiert und in welchen Korridoren bzw. mit welchen Abstufungen Fahrverbote oder Fahreinschränkungen erlassen werden. Der Bürger könne von der Politik hier zu Recht verlässliche Aussagen erwarten, hob Jacobs hervor. Generell plädierte sie für eine Versachlichung der Debatte, mehr Fakten und eine bessere Datengrundlage.
Masterplan für saubere Luft
Bis Ende Juli 2018 soll für München ein Masterplan für saubere Luft entwickelt werden. Dazu zählt das städtische Programm für E-Mobilität mit einer Fördersumme von 60 Mio. Euro. Bislang weist die Landeshauptstadt 150 Ladesäulen auf; bis Ende 2020 sollen es mindestens 550 sein, damit auch eCarSharing ein Erfolgsmodell werden kann. „Wir wollen neue Wege gehen und sind hier unter anderem auch mit BMW in einem intensiven Austausch“, erläuterte die Referatsleiterin. Zudem fördere die Stadt den ÖPNV: Für insgesamt rund 5,5 Milliarden Euro sollen U-Bahnen, Trambahnen und Busse stärker ausgebaut werden. Auch sollen der Radverkehr weiter gestärkt und die Fußgänger berücksichtigt werden. Die Devise laute: „Weg vom Verbrennungsmotor hin zu umweltverträglichen Fortbewegungsmitteln.“
Herausforderungen für den ÖPNV
Nach Statements von Andreas Klugescheid, Leiter Steuerung Politik und Außenbeziehungen, Kommunikation Nachhaltigkeit, BMW Group, und Roland Werner, Head of Government, Affairs & Policy beim Mobilitätstechnologie Start-up Uber, zeigte der Dachauer Landrat Stefan Löwl, stellvertretender Sprecher Münchner Verkehrs- und Tarifverbund, „Herausforderungen für den ÖPNV“ auf.
Gerade die positive Arbeitsplatz- und Bevölkerungsentwicklung brächten die vorhandene Verkehrsinfrastruktur im Norden Münchens immer öfter an ihre Leistungs- bzw. Kapazitätsgrenzen. Auf Grund der aktuellen Wachstumsdynamik spitzt sich dieser Trend laut Löwl weiter zu. In den vergangenen Jahren habe es neben dem durch den Bevölkerungszuwachs ausgelöstem quantitativen Mobilitätswachstum einen stark gestiegenen Mobilitätsbedarf auch bei der bisherigen Bevölkerung gegeben – zum Beispiel aufgrund neuer Lebensmodelle, den größeren Entfernungen zum Arbeitsplatz, geänderten und individuelleren Arbeitszeiten sowie geändertem Freizeitverhalten. Trotz großer Anstrengungen zur Stärkung des ÖPNV führte dies in den vergangenen Jahren auch zu einem überproportionalen Anstieg der Motorisierungsrate und zu einer deutlichen Überbelastung der Straßeninfrastruktur, insbesondere im südlichen Teil des Landkreises Dachau.
Intermodales Gesamtverkehrskonzept
Im Zuge eines intermodalen Gesamtverkehrskonzepts versucht der Landkreis, alle Verkehrsträger zu stärken und dabei möglichst viele Personen zu einem Umstieg auf den ÖPNV oder die Erledigung von kurzen Wegen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewegen. Kerninhalte stellen dabei die Schaffung neuer, attraktiverer Busangebote im Nahverkehrsplan sowie eine Verbesserung der Radinfrastruktur mit einem Radverkehrskonzept dar, ergänzt durch Maßnahmen zur Intermodalität und der Verlagerung des Autoverkehrs aus den besonders hoch belasteten Bereichen.
Förderung des Radverkehrs
Der Landkreis Dachau als „Auspendler- und Durchpendlerlandkreis“ strebe auf allen möglichen Ebenen und mit verschiedenen Partnern Lösungsoptionen an, die zur Verminderung der Verkehrsbelastung beitragen können, unterstrich Löwl. Grundsätzlich, so gab er den zahlreich erschienenen Gästen mit auf den Weg, könne die Infrastruktur von morgen nicht mit Förderinstrumenten von gestern kombiniert werden. Radfahren ist ebenso wie zu Fuß gehen gesund, schont die Umwelt und erhöht die Lebensqualität in Kommunen. Deswegen fördert die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen (AGFK) in Bayern nach den Worten ihres Vorsitzenden Landrat Matthias Dießl (Fürth) den Radverkehr als wesentliches Element des Umweltverbundes in der Nahmobilität.
Radverkehrsprogramm
Die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. (AGFK Bayern) ist ein Zusammenschluss von derzeit 61 bayerischen Kommunen mit insgesamt rund 5,2 Millionen Einwohnern, die sich durch ihre Mitgliedschaft in der AGFK Bayern klar zu einer klimaneutralen Verkehrsabwicklung bekennen.
Viele weitere Kommunen befinden sich im Aufnahmeverfahren. Ziel ist es, sich spätestens nach drei Jahren Mitgliedschaft als fahrradfreundliche Kommune in Bayern zertifizieren zu lassen. Das neue Radverkehrsprogramm Bayern sieht bis 2025 ein durchgängiges Radverkehrsnetz vor. Dabei soll der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen in Bayern von gegenwärtig 10 Prozent auf 20 Prozent steigen, berichtete Dießl. Geht es nach den Vorstellungen des AGFK Bayern, soll die kommunale Radverkehrsinfrastruktur abseits von Bundes- und Staatsstraßen stärker gefördert werden und eine Gleichstellung von Radschnellwegen mit Staatstraßen erfolgen. Darüber hinaus wird u.a. eine landesweite Kampagne für den Radverkehr gefordert, um Menschen für das Radfahren zu begeistern und eine Verhaltensänderung anzustoßen. Daraus wiederum könnte sich Dießl zufolge eine fahrradfreundliche Mobilitätskultur entwickeln.
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