Über die Perspektiven der Arbeitsmarktpolitik diskutierten unter der Moderation des DStGB-Pressesprechers Alexander Handschuh der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, der Erste Oberbürgermeister der Stadt Zirndorf, Thomas Zwingel, sowie die bayerische Staatssekretärin für Familie, Arbeit und Soziales, Carolina Trautner. In einer weiteren Podiumsdiskussion drehte sich alles um die Digitalisierung vor Ort und in der Kommune. Beiträge hierzu lieferten der Bremer Staatsrat und Vorsitzende des IT-Planungsrates Henning Lühr, AKDB-Pressesprecher Florian Kunstein, Karlheinz Roth, Erster Bürgermeister der Gemeinde Spiegelau, sowie Elke Zehetner, Bürgermeisterin der Stadt Penzberg.
An die Parteien der Großen Koalition in Berlin appelliert der Deutsche Städte- und Gemeindebund, die politische Handlungsfähigkeit Deutschlands zu gewährleisten und warnt vor dem Scheitern des Bündnisses. „Insgesamt ist die große Koalition besser als ihr Ruf. Deutschland braucht weiterhin eine stabile Regierung, gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Entscheidungen auf europäischer Ebene und der begonnenen Reformvorhaben in Deutschland.
Wir können uns Stillstand, politische Manöver und vorgezogene Neuwahlen derzeit nicht leisten. Das wäre verheerend“, betonten der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes, Erster Bürgermeister Dr. Uwe Brandl (Abensberg) und DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg. Aus Sicht der Kommunen darf vor allem die endlich begonnene Reform der Grundsteuer nicht gefährdet werden.
Deutschland muss handlungsfähig bleiben
Gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Entscheidungen auf europäischer Ebene müsse Deutschland handlungsfähig bleiben, unterstrichen Brandl und Landsberg. „Wir haben so viele europakritische Kräfte wie nie zuvor im Europäischen Parlament, die anstehenden Entscheidungen zur Bildung der Kommission werden sehr schwierig. Außerdem steht der Brexit an, das Verfahren ist immer noch nicht geklärt. Jetzt ist Deutschland als Stabilitätsanker in Europa besonders gefragt.“
Stabilität und Kontinuität gelten aus Sicht des kommunalen Spitzenverbandes auch in Berlin. „Wir haben jede Menge offener Baustellen. Städte und Gemeinden erwarten, dass die Regierung ihren Job macht und die begonnenen Vorhaben zu einem guten Abschluss bringt“, stellten Brandl und Landsberg klar. „Wir sehen vor allem drei Reformvorhaben, die noch in diesem Jahr abgeschlossen werden sollten.“
Die Grundsteuer steht dabei für die Städte und Gemeinden an erster Stelle. „Es ist gut, dass sich jetzt endlich etwas bewegt. Die Zeit zur Umsetzung der vom Verfassungsgericht geforderten Reform der Grundsteuer wird gefährlich knapp“, warnten Brandl und Landsberg. Sollte bis Ende des Jahres 2019 keine neue gesetzliche Grundlage für diese wichtige kommunale Steuer verabschiedet sein, fehlen mehr als 14 Milliarden Euro in den Kassen vor Ort. „Dann gehen in den Städten und Gemeinden sprichwörtlich die Lichter aus. Ohne diese Einnahmen werden viele Kommunen nicht mehr in der Lage sein, ihre Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu erbringen“, unterstrichen die Verbandsvertreter.
Masterplan Klimaschutz
Auch beim Thema Klimaschutz erwarten die Kommunen konkrete Schritte der Regierung. „Berlin muss jetzt liefern. Wir brauchen nicht nur ein Klimaschutzgesetz, sondern einen Masterplan Klimaschutz, der vor allem die kommunale Ebene stärkt. Klimaschutz findet vor Ort statt. Um die vielen Vorhaben umzusetzen, müssen die Kommunen finanziell deutlich besser ausgestattet werden“, hoben Brandl und Landsberg hervor.
Schließlich gelte es auch, die Arbeiten in der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Wie die DStGB-Repräsentanten erklärten, gehe derzeit die Schere zwischen armen und reichen Kommunen immer weiter auseinander: „Wir müssen gezielt die Regionen fördern, die von Strukturschwäche und Bevölkerungsrückgang betroffen sind. So entlasten wir auch die vielfach überforderten Ballungsräume. Wir erwarten daher, dass die Bundesregierung konkrete Maßnahmen auf den Weg bringt, um dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse näher zu kommen. Nur reden reicht nicht aus, wir müssen endlich handeln.“
Zunehmende Beleidigungen und Bedrohungen
Aufgrund der immer weiter zunehmenden Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffe auf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker warnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund zudem vor einer Gefahr für die lokale Demokratie. Brandl und Landsberg wiesen auf eine dazu aktuell veröffentlichte bundesweite Umfrage der Verbandszeitschrift des Deutschen Städte- und Gemeindebunds in Zusammenarbeit mit „Report München“ unter mehr als tausend Bürgermeistern hin, wonach rund ein Fünftel der Befragten von Hassmails und ein weiteres Fünftel von Einschüchterungsversuchen berichtete. Fast zwei Prozent der befragten Bürgermeister wurden in den vergangenen vier Jahren körperlich angegriffen.
Beginnend mit Beleidigungen über Bedrohungen können in einzelnen Fällen tätliche Übergriffe und im schlimmsten Fall sogar ein Angriff auf Leib und Leben stehen. „Diese Spirale, die vielfach in den sozialen Netzwerken beginnt, müssen wir dringend durchbrechen. Wir müssen diesen Taten viel energischer als bisher entgegentreten. Beleidigungen und Bedrohungen sollten nicht hingenommen werden, sondern öffentlich gemacht, zur Anzeige gebracht und konsequent verfolgt werden“, machten Brandl und Landsberg deutlich.
Wer um sein Leben fürchten muss, weil er sich in seinem Amt für die Allgemeinheit einsetzt, werde sich zweimal fragen, ob er diese Aufgabe noch weiter ausführen möchte. Häufig richteten sich die Drohungen nicht nur gegen die Personen selbst, sondern auch gegen das familiäre Umfeld. Derartige Vorgänge hätten ein enormes Einschüchterungspotenzial, die persönliche Lebensführung werde massiv beeinträchtigt.
Schutzmaßnahmen
„Vielfach sind auch ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltungen oder Behörden betroffen. Hier müssen Maßnahmen ergriffen werden, um diese Menschen wirksam zu schützen“, forderten Brandl und Landsberg. Denkbar seien etwa zentrale Meldestellen für derartige Vorfälle, an die sich Betroffene wenden können. So könnten auch hinter den Taten stehende Strukturen und Netzwerke besser erkannt werden. „Es stellt sich zudem die Frage, ob wir auf diese neuen Formen von Cyber-Kriminalität nicht auch mit Änderungen im Strafgesetzbuch reagieren müssen, um konsequenter gegen die Täter vorgehen zu können. Wer sich für die Allgemeinheit mit einem politischen Mandat einsetzt, muss besser geschützt werden.“
Die Rolle und Wichtigkeit der guten Zusammenarbeit zwischen Ländern und Kommunen bei der Bewältigung der heutigen Herausforderungen stellte der Bayerische Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten Florian Herrmann heraus. Ohne zukunftsfähige Lösungen bei der Mobilität ist Klimaschutz aus seiner Sicht nicht zu denken. Lebendige Gemeinden in ländlichen Regionen könne es nur geben, wenn Lösungen bei der Mobilität dafür sorgen, dass schnelle und zuverlässige Verkehrsmöglichkeiten genutzt werden.
ÖPNV nachhaltig verbessern
„Unser Ziel ist, gemeinsam mit Ihnen in den Kommunen den ÖPNV nachhaltig zu verbessern. Unser gemeinsamer Zehn-Jahres-Plan für den ÖPNV wird eine Blaupause, damit Bayern in Bewegung bleibt. Wir setzen dabei auf den ‚Zukunftsrat ÖPNV’ und seine Impulse für die Staatsregierung. Unser Ziel ist klar: Mobilität darf kein Privileg sein. Deshalb stärken wir den Öffentlichen Personenverkehr und vernetzen Verkehrsträger und Verkehrsmittel zu einem nachhaltigen Mobilitätskonzept. Hierfür setzen wir auf enge Koordination mit Ihnen als Experten aus den Kommunen“, berichtete Herrmann.
Mobilität dürfe keine Frage des Heimatortes sein. „Im ländlichen Raum knüpfen wir deshalb ein dichtes Netz und ergänzen den Bayerntakt auf der Schiene durch ein System von Expressbussen, das Lücken im Schienennetz schließt. Wir setzen auf moderne und flexible Transportmittel, vom Sammeltaxi über autonome Fahrzeuge bis zum Bürgerbus sowie Car- und Bike-Sharing. Innovationen, Ideen, Inspiration – wir in Bayern stehen für die intelligenten Lösungen.“
Wohnungspolitische Initiative
„Mietendeckel und Zwangsenteignung gehören nicht zum Vokabular der Bayerischen Staatsregierung. Wir setzen auf Programme, die mehr Wohnraum entstehen lassen“, fuhr der Staatsminister fort. „Unser Ziel ist, den Menschen mehr Raum für die eigene Gestaltung der Zukunft zu geben. Mit einer wohnungspolitischen Initiative haben wir uns zum Ziel gesetzt, 500.000 Wohnungen bis 2025 zu schaffen. Das ist ambitioniert – aber wir gehen die Schritte konsequent:
Wir treiben den sozialen Wohnungsbau mit Fördermitteln in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro im Doppelhaushalt 2019/2020 mit Nachdruck voran. Insbesondere mit dem Kommunalen Wohnraumförderungsprogramm werden unsere Kommunen beim Bau von Sozialwohnungen mit einem Zuschuss in Höhe von 30 % der förderfähigen Kosten unterstützt. Das Programm ist bis 2025 verlängert worden. Das bedeutet, dass wir für das Programm insgesamt mindestens 1,05 Milliarden Euro einsetzen. Ein Kraftakt, der sich sehen lassen kann.“
Herrmann zufolge ist der bayerische Weg der zu mehr Wohneigentum. Deshalb fördere der Freistaat den Erwerb mit der bayerischen Eigenheimzulage und dem bayerischen Baukindergeld Plus. „Wir wollen, dass sich junge Familien ein Eigenheim leisten können! Wohnungsnot, hohe Preise und Mieten sind drängend. Wir brauchen deshalb mehr Tempo. Ziel der Staatsregierung ist es, schneller und einfach zu bauen. Wir werden einen Wohnungsgipfel einberufen, auf dem wir die Vorschläge der Kommunen und der maßgeblichen Verbände der Bau- und Wohnungswirtschaft erörtern werden. Die großen Herausforderungen können wir nur gemeinsam und nicht einseitig lösen.“
„Als Vertreter der Kommunen wissen Sie: Es geht am Ende nicht um Zahlen, sondern um das gelingende Zusammenleben, das gute Miteinander und Chancen für die Zukunft. Wir setzen in der Bayerischen Staatsregierung und in der Verantwortung in der Bundesregierung in Berlin auf Ihre Erfahrungen, auf Ihr Know-how, um die Herausforderungen mit Lösungen zu meistern, von denen alle Menschen in Stadt und Land etwas haben“, bemerkte Herrmann abschließend.
|