Kommunalverbändezurück

(GZ-4-2020)
gz dstgb

► DStGB-Bilanzpressekonferenz:

 

Klima schützen, Infrastruktur erneuern

 

Um den Standort Deutschland zu stärken und somit Städten und Gemeinden zu ermöglichen, dringend notwendige Zukunftsinvestitionen umzusetzen, fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund einen „Kraftakt von Bund und Ländern“. „Damit unser Land aber auch weiterhin stark bleibt, müssen wir jetzt die Weichen stellen. Wir müssen mehr Zukunft wagen“, stellten der Präsident des DStGB, Erster Bürgermeister Dr. Uwe Brandl und Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg anlässlich einer Bilanzpressekonferenz in Berlin fest.

Dr. Uwe Brandl.
Dr. Uwe Brandl.

Notwendig sind aus Sicht des Kommunalverbandes mehr Tempo bei Klimaschutz und Energiewende, ein klares Bekenntnis zu innovativen Technologien und ein langfristiges Investitionspaket zum Infrastrukturausbau.

Deutschland ein reiches, sicheres und soziales Land

„Die Lage in Deutschland ist auch zum Jahreswechsel 2019/ 2020 gut. Trotz Eintrübung des Wirtschaftswachstums durch die internationalen Handelskonflikte ist die Arbeitslosenquote auf dem geringsten Stand seit der Wiedervereinigung und die Steuereinnahmen sind nach wie vor hoch. Nach der Steuerschätzung, die das geringere Wachstum bereits berücksichtigt, werden Bund, Länder und Gemeinden im Jahr 2020 818 Milliarden Euro an Steuern einnehmen. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 waren es ‚nur‘ 673 Milliarden Euro. Im internationalen Vergleich ist Deutschland ein reiches, ein sicheres und ein soziales Land“, führten Brandl und Landsberg aus.

Schlagzeilenrepublik

Dennoch sei die Stimmung vergleichsweise schlecht. In Teilen der Medien und sozialen Netzwerke werde Deutschland als ein von Katastrophen geprägtes Land dargestellt. Notstände prägten derzeit den politischen und medialen Diskurs: Klimanotstand, Pflegenotstand, Wohnungsnotstand, Finanznotstand, Infrastrukturnotstand oder Waldnotstand, um nur einige zu nennen. „In Deutschland lösen wir derzeit wenige Probleme, aber wir beschreiben sie ausführlich und zwar möglichst drastisch. Angst regiert das Land und die Populisten gaukeln den Menschen vor, es gebe für jedes noch so komplexe Problem eine einfache Lösung. Deutschland hat sich in Teilen zu einer Schlagzeilenrepublik mit sehr viel Empör- und Betroffenheitspolitik entwickelt“, betonten die DStGB-Repräsentanten.

Auf eigene Stärken besinnen und mehr Zukunft wagen 

Deutschland sollte sich aus ihrer Sicht auf seine Stärken besinnen und mehr Zukunft wagen. Dies gelte insbesondere auch für das Brennpunktthema Klimaschutz. Auf diesem Gebiet müsse Deutschland besser werden, aber auch hier gelte der Grundsatz: Wer Ängste schürt, erreicht nichts. Notwendig seien sachliche Auseinandersetzungen und eine nachhaltige Politik. Brandl: „Auch wenn wir es gerne hätten, Deutschland allein wird das Weltklima nicht retten.

Am weltweiten CO2-Ausstoß ist Deutschland mit 2,23 Prozent beteiligt. Auch wenn wir die Klimaschutzziele für das Jahr 2020 nicht erreichen, sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland seit dem Jahr 1990 zurückgegangen. Wir haben manches erreicht, aber wir müssen besser werden.“

Auf Sachpolitik konzentrieren

Klar sei aber auch: „Wir werden das Klima ganz sicher nicht mit Klimanotständen, Katastrophenhysterie und Freitagsdemonstrationen sowie Verboten jeder Art retten. Deutschland muss sich mehr auf Sachpolitik konzentrieren und die für mehr Klimaschutz notwendigen Schritte konsequent und kontinuierlich tun. Zu den erforderlichen Schritten gehört es, die Energiewende voranzutreiben sowie den Kohleausstieg umzusetzen und nachhaltig zu finanzieren.“

Unverzichtbar sei es, die Bedeutung der Städte und Gemeinden bei der Erreichung der Klimaschutzziele zu stärken. Eine Verkehrswende finde immer in den Städten und Gemeinden statt. Wer Ballungszentren entlasten will, auch aus Umweltschutzgesichtspunkten, müsse die ländlichen Räume stärken. „Aber wir sollten es ehrlich machen: Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif“, erklärten Brandl und Landsberg.

„Alle werden belastet werden: Bürger, Kommunen, Bund und Länder. Man kann die Politik nur davor warnen, den Eindruck zu erwecken, durch geschickte Steuerung könnten am Ende alle Gewinner sein und trotzdem die Klimaschutzziele erreicht werden. Das wird nicht gelingen“, unterstrich Landsberg. Allein eine echte Verkehrswende koste über Jahre hinweg Milliardenbeträge für den Umbau der Städte und Gemeinden, für mehr Busse, mehr Bahnen, mehr Schienenverkehr und mehr Fahrradinfrastruktur. Gleichzeitig müsse die Politik den Bürgern deutlich machen, dass das Motto ‚Ich bin für Klimaschutz, aber gegen Windräder, auch gegen Stromtrassen und jede Veränderung braucht eine Bürgerbeteiligung von Jahren‘ nicht funktionieren kann.

Das magische Dreieck

Wenn spürbare Fortschritte erreicht werden sollen, müssten die Bürger auch bereit sein, an anderen Stellen Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Nur eine innovative, klimagerechte Wirtschaft mit Exportschlagern für mehr Klimaschutz werde den Wohlstand in Deutschland sichern und gleichzeitig dazu beitragen können, dass die Klimaschutzziele erreicht und gleichzeitig der Sozialstaat nicht gefährdet werden.

Das magische Dreieck der Klimapolitik „Klima schützen – Energieversorgung sichern – Wirtschaft stärken“ dürfe nicht vernachlässigt werden. Allerdings sei Deutschland derzeit meilenweit davon entfernt, die Umsetzung der Energiewende zu erreichen. Es erscheine wenig sinnvoll, wenn Deutschland systematisch aus der Kohle aussteigt, aber aufgrund der verzögerten Umsetzung der Energiewende in großem Umfang Strom aus ausländischen Kohle- oder Atomkraftwerken beziehen muss. Wenn es gelingt, die Wirtschaft von der überbordenden Bürokratie zu befreien und die Innovationskraft zu stärken, werde Deutschland riesige Chancen auch im Bereich des Klimaschutzes haben.

Erneuerung der Infrastruktur

Eine weitere zentrale Herausforderung für das Jahr 2020 ist laut Brandl und Landsberg die Erneuerung der Infrastruktur. „Wohin man in Deutschland auch blickt, Bahntrassen und Brücken sind sanierungsbedürftig, Schwimmbäder werden geschlossen oder vergammeln, Schulen sind keine Kathedralen, sondern eher Baracken der Bildung. Das muss endlich ein Ende haben.“

Der kommunale Investitionsrückstand betrage 138,4 Milliarden Euro. Das sei nicht nur für den Wirtschaftsstandort Deutschland von Nachteil, sondern auch ein Ärgernis für den Bürger. Deshalb sollte eine nachhaltige Infrastrukturoffensive eingeleitet werden. Städte und Gemeinden benötigten Planungssicherheit, und diese nicht nur für ein Jahr, sondern mindestens für zehn Jahre. Dann könnten sie auch die nötigen personellen Kapazitäten aufbauen und die Projekte umsetzen.

Auch dürfe es nicht sein, dass die Planungsverfahren in Deutschland immer länger und komplizierter werden. Wer beispielsweise mehr Wohnungen bauen will, sollte das serielle Bauen zulassen. Es sollten einheitliche Grundsätze in allen Bauordnungen der Länder gelten. Die Devise laute: Schneller, besser, schöner und preiswerter bauen. „Das funktioniert, wenn der politische Wille vorhanden ist und die Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden.“

„Die Zusammenarbeit aller öffentlichen Ebenen bei Investitionen muss erleichtert und gestärkt werden“, forderten Brandl und Landsberg. Dies gelte aber nicht minder für die interkommunale Zusammenarbeit und gemeinsame Investitionstätigkeiten von Kommunen. Hemmnisse seien auf kommunaler, Landes-, Bundes- und Europaebene systematisch zu ermitteln und zu beseitigen. Als positives Beispiel hierfür könne im Grundsatz die im EU-Recht erfolgte Neuregelung des Vergaberechts bei interkommunalen Kooperationen dienen. Interkommunale Zusammenarbeit könne auch über Personalpooling, etwa im Bereich der Bauplanung, zielführend sein. Das Umsatzsteuerrecht dürfe hierbei keine unüberwindbare Hürde darstellen. Gegebenenfalls seien Anpassungen auf europäischer Ebene notwendig.

Neben einer vernünftigen Schulausstattung und guten Straßen sei auch die Digitalisierung in der Lage, einen Beitrag zur Beschleunigung des Abbaus des Investitionsstaus zu leisten. Hierzu müsse sie den Kommunen aktiv als Chance eröffnet werden, ein Schritt sei dabei die Nutzung elektronischer Standards in den verschiedensten Bereichen. Gerade im Baubereich seien durch ein Vorantreiben elektronischer Standards spürbare Effizienzgewinne zu realisieren. Die Kommunen müssten den digitalen Wandel aktiv mitgestalten können. Effizienzsteigerungen in der digitalen Verwaltung seien mit einer Reduzierung der analogen Verwaltung zu unterstützen.

Bürgerschaftsbeteiligung

Als ein wichtiges kommunalpolitisches Motiv bei der Investitionstätigkeit erachtet der DStGB die effektive Bürgerschaftsbeteiligung. Mangelnde Akzeptanz bis hin zu organisiertem Widerstand in der Bürgerschaft könnten kommunale Bauvorhaben dagegen massiv verzögern oder gar ganz verhindern. Dem gelte es über eine frühzeitige Einbeziehung entgegenzuwirken, die Akzeptanz und Zustimmung für die kommunalen Vorhaben schafft und klarmacht: „Die kommunalen Investitionsvorhaben werden nicht gegen, sondern für die Bürger sowie die Wirtschaft unternommen.“ Die Prozesse der Beteiligungsverfahren seien dabei effizient zu gestalten. Über die direkte Beteiligung der Bürgerschaft und der Wirtschaft bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten (etwa über Crowdfunding-Modelle) könnten Partnerschaft und Zusammenarbeit in der Kommune gestärkt werden.

DK

GemeindeZeitung

Kommunalverbände

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung