Die drängenden Fragen beträfen die Kapazitäten des Gesundheitssystems, die Beschaffung von Schutzausrüstung für den medizinischen Bereich und möglichst viele Masken. Parallel müsse die Politik eine Vorstellung davon entwickeln, wie es gelingen könne, den wirtschaftlichen und alltäglichen Stillstand zu überwinden, natürlich ohne unverantwortliche Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung einzugehen.
„Der Schutz der Bevölkerung ist eine Selbstverständlichkeit, so dass an unserer bisherigen Strategie zur Eindämmung des Virus und damit zur Steuerung der Belastung der Krankenhäuser nicht zu rütteln ist. Dieses Vorgehen geht bislang gut auf, was die Zahlen der Neuinfektionen belegen“, betonte Sager.
Lockerungsvarianten
Es müsse über mögliche Varianten zur Lockerung der Verhaltensregeln nachgedacht werden: „Diese Diskussion sollten wir nicht im Schwarz-Weiß-Schema führen und ganz ohne Alarmismus. Nüchternheit ist das Gebot der Stunde, denn unser Umgang mit der Krise ist bis zum heutigen Tage auch weltweit gesehen äußerst erfolgreich“, stellte der DLT-Präsident fest. Daher könnten beispielsweise digitale Eindämmungsmaßnahmen wie etwa Handy-Apps zur Nachverfolgung von Infizierten-Kontakten oder die sukzessive Wiederöffnung von Schulen und Kitas überlegenswerte Schritte sein, um zu mehr Freiheit zu gelangen bei gleichzeitiger Kontrolle des Infektionsgeschehens.
Erhebliche Auswirkungen für die Wirtschaft
Der Shutdown führe zu erheblichen Auswirkungen in der Wirtschaft. Trotz Stützungen der verschiedensten Art werde es Firmenpleiten und auch einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen geben.
„Deshalb ist es so wünschenswert wie notwendig, die Wirtschaft zumindest schrittweise wieder in Gang zu bringen. Das wird nicht Knall auf Fall passieren können, aber mit einer differenzierten Betrachtung und bei Einhaltung von Schutzabständen müssen Produktion, Verarbeitung, Handel und Dienstleistungen wieder ermöglicht werden.“
Auch mit Blick auf die Kommunalfinanzen sei die Lage zwar ernst, lasse sich aber von Bund und Ländern durch umgehende Sofortmaßnahmen im Griff behalten:
„Wir brauchen eine Kompensation von Mindereinnahmen und Mehrausgaben in Höhe von 11,5 Mrd. Euro bis zum Mai. Passiert dies allerdings nicht, stehen Landkreise, Städte und Gemeinden in kurzer Zeit mit dem Rücken zur Wand. Rechtlich ausgeweitete Kreditaufnahmemöglichkeiten sind dagegen nichts als süßes Gift“, unterstrich der Verbandschef.
Mitte Mai würden erhebliche Rückzahlungen und Ausfälle von Steuereinnahmen drohen, die sich auch in den kommunalen Finanzen bemerkbar machten. Hinzu kämen Einnahmeausfälle für Beiträge und Gebühren. Dennoch dürfe man nicht unverantwortlich von einer kommunalen Pleitewelle sprechen.
Sager: „Die Menschen können sich auch in Krisenzeiten auf den Staat verlassen. Das ist unsere Botschaft. Und das betrifft alle Ebenen – gerade auch die Kommunen, die bei der Eindämmung der Pandemie an vorderster Front ihren Dienst leisten.“
Kühler Kopf und nüchterne Analyse
„Jedes Wort von Pleite ist falsch und zerstört Vertrauen in den Staat“, pflichtete DLT-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans-Günter Henneke bei. Landkreise und Gemeinden könnten nicht pleitegehen.
„Wir brauchen einen kühlen Kopf und eine nüchterne Analyse der kommunalen Mindereinnahmen und Mehrkosten.“
Aufgeregtheit sei fehl am Platze. Landkreise, Städte und Gemeinden bräuchten schnell konkrete und verlässliche Hilfe. Die wichtigste Botschaft laute: Gerade die Kommunen und ihre Einrichtungen, zu denen insbesondere auch die Sparkassen zählten, müssten in der Krise ein Stabilitätsanker sein. Wenn Krisenzeiten gemeinhin als „Zeit in der Exekutive“ gelten würden, meine das in erster Linie die kommunale Selbstverwaltung. „Gerade durch sie zeigt der Staat sein Gesicht“.
Henneke rechnete vor: Die Kommunen hätten mit Steuerausfällen von etwa 12 Mrd. Euro und SGB II-Mehrausgaben in Höhe von etwa 2 Mrd. Euro zu rechnen. Hinzu würden weitere Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen treten, so dass gegenüber den bisherigen Annahmen ca. 16 Mrd. Euro fehlten.
Deshalb erwarte der Deutsche Landkreistag vom Bund, dass die finanziellen Mehrbelastungen der kommunalen Ebene durch das SGB II und weitere Folgen der Eilgesetzgebung finanziell kompensiert werden. Das gehe verfassungsrechtlich unmittelbar nur auf der Einnahmeseite – und zwar durch eine erhöhte kommunale Umsatzsteuerbeteiligung in Höhe von 2,5 Mrd. Euro, die nach einem ortsbezogenen, d. h. einwohnerbezogenen und nicht nach einem das Steuerkraftgefälle der Kommunen noch verstärkenden wirtschaftsbezogenen Schlüssel horizontal verteilt wird.
Von den Ländern wird laut Henneke erwartet, dass diese möglichst unverzüglich jeweils ein „Kommunalmindestfinanzausstattungs-Sicherstellungsgesetz“ erlassen, mit dem sie dafür Sorge tragen, dass die für die Kommunen unverschuldet wegbrechenden Steuereinnahmen durch befristet zu gewährende Schlüsselzuweisungen des Landes substituiert werden. Jetzt gelte es außerdem für alle Länder, gegenwartsbezogen die Entstehung neuer Kassenkredite zu vermeiden, anstatt über die Ablösung alter Kassenkredite zu diskutieren.
Für derartige Maßnahmen der Länder müssten in den Flächenländern insgesamt 9 Mrd. Euro, also durchschnittlich ca. 120 Euro pro Kopf der Bevölkerung, bereitgestellt werden.
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