(GZ-15-16-2020) |
► Deutscher Städte- und Gemeindebund: |
Kernforderungen des DStGB zur Energiewende |
Mit einer deutlichen Senkung der CO2-Emissionen um 50 Millionen Tonnen sowie einer weiteren Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien im Stromsektor ist die Energiewende aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes gut vorangekommen. Angesichts der Corona-Pandemie dürfe das Erreichen der Energiewendeziele jedoch nicht aus dem Blick geraten. Energie müsse für Bürger und Unternehmen bezahlbar bleiben und die Versorgungssicherheit jederzeit gewährleistet sein. In einem Positionspapier hat der DStGB nun Kernforderungen für den Erfolg der Energiewende formuliert. |
1. Deutschland braucht einen Einschaltplan für den Ausbau der erneuerbaren Energien, der es erlaubt, die Klimaziele in 2030 bzw. 2050 realistisch zu erreichen. Die Debatte um Abstandsregeln im Bereich der Windenergie an Land zeige exemplarisch, dass dieser Plan auf einem gemeinsamen Konsens von Kommunen, Ländern und Bund entwickelt werden muss. Im Zentrum müssten dabei Verbindlichkeit bei den Ausbauzielen sowie Solidarität bei der Verteilung der Lasten und Erfolge zwischen Ländern und Kommunen stehen. Um Flächenkonflikte zu entschärfen, bedürfe es daher einer abgestimmten Raumordnungsplanung. Anstatt starrer Vorgaben müssten örtliche flexible Lösungen ermöglicht werden, um die Klimaschutzziele unter Berücksichtigung der Flächenkonflikte in den Kommunen zu erreichen. 2. Die Genehmigungen für Repowering müssen erleichtert werden. Repowering bedeute Artenschutz, wenn beispielsweise zwei alte Anlagen durch eine neue, deutlich höhere Anlage ersetzt und dadurch Gefahren für die Vogelwelt verringert werden. Alte Genehmigungen dürften aus diesem Grund im Rahmen des Repowering nicht entfallen. Der Neubau höherer Anlagen dürfe nicht neue langwierige Genehmigungsverfahren nach sich ziehen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die neue Anlage unwesentlich vom Standort der alten Anlagen abweicht und sich die zu schützenden Tiere erst nach der Errichtung der bestehenden Windkraftanlagen angesiedelt haben. Auch dürfe eine unwesentliche Abweichung von einem bestehenden Windflächenplan nicht zum Baustopp führen. Da der Windkraftausbau dem Klimaschutz dient, sollte der Ausbau auch im Bundesnaturschutzgesetz entsprechende Berücksichtigung finden. Generell müsse für Neuanlagen das Genehmigungsverfahren gestrafft werden. 3. Die Akzeptanz für die Energiewende vor Ort muss durch Transparenz und Vertrauen gestärkt werden. Jede Maßnahme beim Ausbau müsse so frühzeitig bekannt gegeben werden, dass eine Beteiligung aller betroffenen Akteure bis zu einem bestimmten Stichtag am Anfang eines jeden Planungsverfahrens möglich ist. Den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern komme dabei eine zentrale Funktion zu. Standardisierte Windenergie-Kommunikationsrichtlinien wie beispielsweise in Form des Siegels „Faire Windenergie Thüringen“ oder des Siegels „Faire Windparkplaner Schleswig-Holstein“ könnten dabei helfen, zwischen den unterschiedlichen Interessen zu moderieren, um einen fairen, bürgernahen Dialog zu garantieren. Die Länder seien aufgefordert, zentrale Stellen zu benennen, die mit fachlich unabhängiger Expertise den Dialog und das gegenseitige Verständnis fördern. 4. Für die Kommunen muss eine Anspruchsgrundlage geschaffen werden, die eine angemessene Abschöpfung der Gewinne der Windenergiebranche ermöglicht. Eine solche Anspruchsgrundlage müsse rechtssicher und für alle Verwaltungseinheiten leicht ausführbar sein. Dabei seien wiederkehrende, planbare Einnahmen zu garantieren. Dies könnten zum Beispiel eine Grundsteuer Wind und eine Sonderabgabe leisten. Der Windkraftausbau sei eine Schlüsseltechnologie der Energiewende. Der Ausbau mit den für die Bürger verbundenen Lasten beim Landschaftsbild finde jedoch nur gesellschaftliche Akzeptanz, wenn demgegenüber konkrete Vorteile vor Ort sichtbar werden, etwa bei der Kita- oder Straßensanierung. 5. Deutschland hat mit den höchsten Energiepreis in Europa, was zu Lasten der Bürger, aber auch der Wirtschaft geht. Das Bekenntnis der Bundesregierung zur Reduzierung der EEG-Umlage um zwei Prozent stehe in keinem Verhältnis zu den höheren Preisen für Diesel und Erdgas, weshalb von einer höheren Belastung der Wirtschaft auszugehen ist. Die EEG-Umlage müsse stärker gesenkt werden; das Umlagesystem aus Steuern bzw. Abgaben sei kritisch zu überprüfen. Zudem sollten die Vertriebe günstigere Bürgerwindstromtarife für die Bürger im Umkreis von Windkraftanlagen anbieten und die Anlagenbetreiber sich an der Finanzierung beteiligen. 6. Die Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen müssen verbessert werden. Die Herausforderungen einer dezentralen Energieversorgung seien zugleich eine Chance für viele Stadtwerke bzw. kommunalgeprägte Unternehmen, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zu erhöhen und die Energiewende zu unterstützen. Gleichzeitig müssten finanzielle Anreize geschaffen werden, die auf allen Ebenen der Energieerzeugung die Sektorenkopplung fördern. Damit Deutschland seine Klimaziele auch im Gebäudesektor in den Jahren 2030 und in 2050 erreichen kann, sei die Nutzung von erneuerbarer oder klimaneutraler Wärme in den Gebäuden deutlich zu erhöhen. Die geplante Weiterführung der „Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt“ sei zu begrüßen. Jedoch müsse diese dahingehend überarbeitet werden, dass die Förderung aus der Öl-Heizung-Austauschprämie um den Anschluss, an ein Fernwärmenetz erweitert wird. Insbesondere müsse die Möglichkeit für Reallabore, wie sie bereits der Stromwirtschaft zur Verfügung stehen, auf die Bereiche Wärme und Wasser ausgedehnt werden, um weitere Energiekapazitäten zu generieren. 7. Nach wie vor fehlen die finanziellen Rahmenbedingungen, um bis zum Jahr 2030 auf 17 Gigawatt Leistung bei der Kraft-Wärme-Kopplung auf Basis von Gas zu kommen. Insbesondere sei der vorgesehene Kohleumrüstungsbonus von 180 Euro/Kilowatt elektrischer Leistung für kommunale und kommunalgeprägte Unternehmen zu gering bemessen. Der Bonus werde in dieser Höhe keinen signifikanten Anreiz setzen, damit Kraftwerksbetreiber ihre Anlagen von Steinkohle- und Gasbefeuerung umrüsten. Der Einsatz klimafreundlicher Wärme müsse weiter erleichtert werden. Dafür müsse der bestehende Erneuerbare-Energien-Bonus auch für erneuerbare Brennstoffe sowie Abwärme geöffnet werden. Die Anlagen trügen durch eine lastnahe Stromerzeugung dazu bei, den Netzausbau bzw. Kosten für den Ausbau zu minimieren, und seien somit unverzichtbarer Eckpfeiler der Energiewende und ein wichtiger Schritt zur Strom- und Wärmewende vor Ort. 8. Der Netzausbau ist die Achillesferse der Energiewende. Deshalb müssten die Planungen der Übertragungsnetzbetreiber und der Bundesnetzagentur, die Nord-Süd-Trassen bis 2025 auszubauen, weiter forciert werden, um Abregelungen von Windparks zu vermeiden. Dies bedeute, dass bei der konkreten Umsetzung allen Kommunen beispielsweise bei Pachtverträgen gleich gute Konditionen angeboten werden müssen. Das „Netzausbaubeschleunigungsgesetz“ biete gute Anreize, den Netzausbau schneller als in der Vergangenheit umzusetzen. Das Verfahren zum Netzausbau auf der Übertragungsnetzebene müsse dringend weiter beschleunigt und gestrafft werden. Hierzu gehöre auch – wie allgemein beim Ausbau erneuerbarer Energien –, die Dauer von Widerspruchs- und Klageverfahren durch mehr Personal in Verwaltung und Justiz deutlich zu verkürzen. Daneben müssten sich Investitionen in intelligente Verteilnetze lohnen, um die Digitalisierung der Energiewende zu forcieren und beispielsweise das „gesteuerte Laden“ von E-Autos zu ermöglichen, was zugleich die Stromnetze entlaste. 9. Der Bund muss für die EU-Staaten eine europäische Klima-Datenplattform einfordern. Ziel dieser Plattform müsse es sein, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, um die Klimaziele schneller zu erreichen. Das intelligente Energie- und Wärmenetz der Zukunft könne nur in Echtzeit alle Prozesse steuern und optimieren, wenn es über die bestmögliche unkritische Datenlage verfügt. Durch den Roll-Out der Smart-Meter komme bereits ein Teil der notwendigen Infrastruktur für neue Geschäftsmodelle zu einigen Endkunden. Um jedoch alle Vorteile der Smart-City/Regionen voll ausschöpfen zu können, bedürfe es einer einheitlichen Datenschnittstelle. Diese könnte auch den Wettbewerb im europäischen Energiesektor erhöhen. 10. Der Bund muss die Europäische Union dazu bewegen, die kommunale Ebene stärker zu berücksichtigen. Die Energiewende könne nur gelingen, wenn sie europäisch gedacht wird. National motivierte Alleingänge führten, auch wenn sie gut gemeint sind, zu einer Überforderung des europäischen Stromsystems. Anstelle einer stetigen Verschärfung deutscher Klimaziele müsse es eine gemeinsame europäische Energie- und Klimaschutzpolitik geben. Nur so könne Europa im Interesse des Klimaschutzes und einer nachhaltigen Energieversorgung auch ein Beispiel für andere Regionen auf der Welt sein.
Dieser Beitrag ist Teil des Energie-Sonderdrucks mit dem Erscheinungsdatum 30.7.2020, den Sie sich hier downloaden können.
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