Kommunalverbändezurück

(GZ-10-2021)
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► Bayerischer Städtetag:

 

Kommunen zukunftsfest machen

 

Rechtzeitig zur anstehenden Steuerschätzung für den Freistaat hat der Bayerische Städtetag Alarm geschlagen. Laut dem Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr, werden die bayerischen Städte und Gemeinden auch 2021 Kompensationen für ausfallende Gewerbesteuer in Milliardenhöhe benötigen.

Markus Pannermayr. Bild: Bayerischer Städtetag
Markus Pannermayr. Bild: Bayerischer Städtetag

Nach einer internen Umfrage des Bayerischen Städtetags – teilgenommen hatten 90 Prozent der Verbandsmitglieder, was rund 75 Prozent des gesamtbayerischen Aufkommens bei der Gewerbesteuer ausmacht – liegt das zu erwartende Aufkommen bei der Gewerbesteuer rund 21 Prozent unter Vorkrisenniveau: Die Gesamtsumme der Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer beträgt aktuell rund 1,68 Milliarden Euro. Damit ist der Rückgang 2021 Pannermayr zufolge „noch breiter als im Krisenjahr 2020“.

Kurze Atempause vor einer langen Durststrecke

Im vergangenen Jahr hatte sich das Minus bayernweit auf 2,1 Milliarden Euro belaufen. Damals hatten Bund und Länder den Städten und Gemeinden im Freistaat bei einem Corona-Hilfsprogramm 2,4 Milliarden Euro überwiesen und damit die Gewerbesteuer-Ausfälle mehr als kompensiert. „Das hat uns eine kurze Atempause vor einer langen Durststrecke verschafft“, erklärte Pannermayr in einer Video-Pressekonferenz.

Gefahr einer strukturellen Schieflage

„Aber wenn wir Kommunen handlungsfähig bleiben sollen, muss der finanzielle Ausgleich nach dem Muster von 2020 fortgesetzt werden.“ Andernfalls sei die Gefahr groß, dass viele Kommunen in eine ‚strukturelle Schieflage‘ gerieten und bei wichtigen Investitionen auf die Bremse treten müssten. Im Übrigen, so der Verbandschef, sei auch der Anteil der Städte und Gemeinden an der Einkommensteuer rückläufig. Hier betrage das Minus im ersten Quartal im Schnitt vier Prozent.

Die Kombination von steigenden Ausgaben und sinkenden Steuereinnahmen führt laut Bayerischem Städtetag in kommunalen Verwaltungshaushalten zu gewaltigen Finanzierungslücken. Wenn Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr aus eigener Kraft finanzieren können, müssten dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur aufgeschoben werden. Dies sei in der aktuellen Zeit des wirtschaftlichen Konjunktureinbruchs ein falsches Signal.

Um die Konjunktur wieder zu beleben, seien gerade jetzt öffentliche Investitionen nötig. Mit ihren Investitionen und Projekten, wie etwa den Bau von Schulen und den Ausbau der Infrastruktur, setzte die kommunale Ebene wichtige Impulse für die heimische Wirtschaft.

Pannermayr: „Wir müssen unsere Kommunen in Krisenzeiten aktionsfähig halten und zukunftsfest machen. Ein handlungsfähiges Land benötigt gerade in Krisenzeiten die Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge und funktionstüchtige Strukturen mit Feuerwehr, Katastrophenschutz, Krankenhaus und Rettungsdiensten.“

Den Wandel gestalten

Einschneidende Änderungen für die Städte stehen aus seiner Sicht bei Digitalisierung und Online-Handel, dem demografischen Wandel und einer flexiblen Arbeitswelt mit Home-Office sowie geänderten Lebens- und Kaufgewohnheiten an. Der Lock-Down beschleunige Entwicklungen und zeige Problemfelder wie unter einem Brennglas.

Allerdings sei der Wandel nicht ungewohnt: „Städte haben im Laufe der Geschichte immer wieder Umformungen erlebt, sie haben sich an neue Rahmenbedingungen angepasst und haben mit ihrer Einwohnerschaft den Wandel gestaltet.“

Umgestaltung der Ortskerne

Die Automobilisierung in den 1960er Jahren habe die Gestalt der Städte ebenso beeinflusst wie die Einführung der Fußgängerzonen seit den 1970er Jahren. In den vergangenen Jahrzehnten breiteten sich europäische oder globale Filialisten und Markenläden aus und verdrängten inhabergeführte Traditionsläden. Heute sei vom Ende des Konzepts Kaufhaus zu hören, viele Filialen schließen.

„Wir denken über die Umgestaltung der Innenstädte nach. Der strukturelle Wandel verläuft von Stadt zu Stadt unterschiedlich, da Rahmenbedingungen, örtliche Gegebenheiten und Einwohnerzahlen verschieden sind“, betonte der Vorsitzende. Letztlich könne der Prozess des Wandels, so schmerzhaft er ist, eine Chance auf Gestaltung geben. Improvisation und die Suche nach kreativen Lösungen könnten viel Positives bewirken.

Mehr Raum für Wohnen im Zentrum

Heute erscheint die Funktionseinheit der Stadt von einst als möglicher Orientierungspunkt: Die Einheit von Leben und Arbeiten gewinnt an Bedeutung. Einige Handelsketten und Filialisten geben ihre Standorte auf und setzen auf Online-Handel, mehrstöckige Warenhäuser reduzieren sich auf das Erdgeschoss oder geben auf. Wie Pannermayr erläuterte, könnte es nach dem Vorbild der Stadt von einst wieder mehr Raum für Wohnen im Zentrum geben – unten das Geschäft, oben die Wohnung.

„Es bieten sich neue Nutzungen mit kleinem Handwerk, Kunsthandwerk, Kultur- und Kreativwirtschaft, inhabergeführten Läden und Geschäften für Regionalprodukte, die sich gut in das Angebot regionaler Wochenmärkte einfügen. Ein weiterer Trend ist die ‚Mediterranisierung‘, sprich das Leben im Freien mit Cafés, mit Gasthaus-Tischen unter freiem Himmel.“

Auch die städtischen Plätze können lebendiger werden, in dem Open-Air-Konzerte und Kabarett, Freiluftkinos, Stadtstrände, temporäre Spiel- und Sportflächen neue Nutzungsmöglichkeiten für die Innenstädte eröffnen. Im Sommer 2020 habe die Corona-Pandemie dazu geführt, dass mehr Experimente für Freiluft-Gastronomie gewagt wurden. So verschwanden Parkplätze am Straßenrand zeitweise zugunsten von Restaurantflächen nach italienischem Vorbild.

Experimentierfreude

Pannermayrs Botschaft: „Wo es möglich und sinnvoll ist, sollte man versuchen, mit Mut, Improvisation und Experimentierfreude den Innenstädten neuen Schwung zu geben. Letztlich bleibt über all dem Wandel der Stadt eines bestehen: Innenstädte und Ortskerne sind Herz und Gesicht unserer Städte und Gemeinden. An diesen Orten leben wir, erleben wir und begegnen wir uns. Innenstädte erfüllen nicht nur Funktionen für Arbeit, Wohnen oder Handel, sie sind Begegnungsorte und lösen Emotionen aus.“

„Sehr nah an den Überlegungen des Bayerischen Städtetags“ ist Pannermayr zufolge der Sonderfonds „Innenstädte beleben“, der kürzlich vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr gestartet wurde: Bayerns Städte, Märkte und Gemeinden erhalten 100 Millionen Euro aus Mitteln der Städtebauförderung. Mit maßgeschneiderten Förderinstrumenten können sie so den Folgen der Pandemie in den Innenstädten und Ortskernen aktiv entgegenwirken.

Förderangebot

Das Förderangebot reicht dabei von städtebaulichen Konzepten zur Weiterentwicklung der Innenstädte, einem städtebaulichen Innenstadtmanagement und einem Projektfonds zur Innenstadtentwicklung bis hin zur vorübergehenden Anmietung leerstehender Räumlichkeiten durch die Gemeinde. Auch die Restrukturierung von Einzelhandelsgroßimmobilien, der Zwischenerwerb leerstehender Einzelhandelsimmobilien, bauliche Investitionen für Zwischennutzungen, kommunale Förderprogramme für Erdgeschossnutzungen oder längerfristige Vorhaben wie bauliche Maßnahmen zur Belebung der Innenstädte können Fördergegenstände des Sonderfonds sein.

Die Anmeldung gemeindlicher Bedarfe ist bis 10. Juni 2021 bei den örtlich zuständigen Bezirksregierungen möglich. 

Hinweis: Die Vollversammlung des Bayerischen Städtetags wird sich im Juli in Aschaffenburg eingehend mit der Zukunft der Innenstädte befassen.

DK

 

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