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(GZ-19-2021)
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► Difu-Gemeinschaftsstudie:

 

Innovationsfähigkeit der Wirtschaftsförderung

Akteure – Instrumente – Handlungsansätze

 

Für Städte und damit auch die lokale Wirtschaft wachsen die Anforderungen: Auch sie müssen die notwendige sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft aktiv mitgestalten. Eine Gemeinschaftsstudie des Deutschen Instituts für Urbanistik mit den Städten Bremen, Frankfurt am Main, Freiburg, Karlsruhe, Kiel, Konstanz, Ludwigsburg, München, Nürnberg und der Region Hannover zeigt, wie die Wirtschaftsförderungen der Kommunen ihre eigene Innovationsfähigkeit stärken können.

Schon seit langem fordern Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit für ihre klimafreundlichen Geschäftsmodelle. Vor diesem Hintergrund rückt die Frage nach der Innovationsfähigkeit und der Innovationsnotwendigkeit der Wirtschaftsförderung ins Visier ihrer Arbeit. Die Bedeutung der Themen „Krisenfestigkeit“, „Resilienz“ und Anpassungsfähigkeit haben mit der Corona-Krise und im Bewusstsein der möglichen krisenhaften Auswirkungen des Klimawandels neue Betroffenheiten und Verantwortlichkeiten sichtbar gemacht.

Sicherung und Wiederbelebung

„Die Strategien zur Sicherung und Wiederbelebung der Wirtschaft in den Kommunen müssen deshalb technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt miteinander verbinden“, heißt es in der Studie. Laut Difu-Wissenschaftlerin Sandra Wagner-Endres, Projektleiterin der Studie, müssen die Wirtschaftsförderungen in den Kommunen in einem äußerst dynamischen Umfeld Zukunftsthemen berücksichtigen und zugleich die eigenen Organisationsstrukturen erneuern.

„Die Wirtschaftsförderung muss einen Rollenwechsel von einer reinen Serviceeinheit hin zu einer Institution vollziehen, die sich als Zukunftsgestalterin und zugleich als städtischer Netz werkknoten versteht und dabei ‚Gestaltung mit Haltung‘ praktiziert“, ergänzt Dr. Henrik Scheller, Teamleiter Wirtschaft und Finanzen am Difu.

Vor diesem Hintergrund schlägt das Difu-Forschungsteam verschiedene Maßnahmen vor, die sich für eine umfassende Neuaufstellung der kommunalen Wirtschaftsförderung anbieten: Ein Kernteam, das die Verantwortung für zentrale Handlungsfelder hat (Bestands- pflege, Gründungs- und Ansiedlungsförderung, Netzwerke und Cluster), wird weiterhin für die Organisationsstruktur einer ‚Wirtschaftsförderung der Zukunft‘ als zielführend erachtet.

Allerdings sollten hier die Tätigkeiten qualitativ noch stärker an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ausgerichtet werden. Für den Organisationsaufbau könnten flachere Hierarchien das prozessorientierte und agile Arbeiten unterstützen – flankiert durch fach- und bereichsübergreifende Ad-hoc-Teams für projektbezogene Aufgaben sowie Bottom-up-Initiativen der Mitarbeitenden.

Neue Stakeholder

Mit den neuen Aufgaben der Wirtschaftsförderungen wird es erforderlich, dass der bestehende Instrumentenkasten konsequent eingesetzt und ergänzt wird. Dazu zählen beispielsweise der Ankauf, die Entwicklung, Vermarktung und das Monitoring von Wirtschaftsflächen sowie ein nachhaltiges Gewerbegebietsmanagement (einschließlich eines Leerstands-, Brach- und Dachflächenkatasters). Um neue Stakeholder zu erreichen und insbesondere der Vernetzungsfunktion gerecht zu werden, sollten Wirtschaftsförderungen beispielsweise künftig vermehrt Miteigentümer von Innovations- und Nachhaltigkeitshub(s) zur Gründung und Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Start-ups werden.

Dynamisches Gründungs- und Innovationsökosystem

Ein starkes dynamisches Gründungs- und Innovationsökosystem ist zunehmend ein wichtiger Motor und Treiber der Wirtschafts- und Standortentwicklung. Um Unternehmen bei ihrer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen und nachhaltig ausgerichtete Ökonomien zu fördern, sollte Wirtschaftsförderung im Sinne eines „Sustainable Innovation Office“ aktiv werden.

So könnten nicht nur Nachhaltigkeitsangebote für Bestandsunternehmen, Existenzgründungen, ansiedlungswillige Unternehmen und bestehende Netzwerke ermöglicht werden, sondern auch gezielt Modelle der Kreislaufwirtschaft, Zero-Waste-Strategien oder soziale Innovationen gestärkt und miteinander vernetzt werden.

Best-Practice-Beispiele

Die Gemeinschaftsstudie enthält diverse Best-Practice-Beispiele aus Deutschland und dem europäischen Ausland und eignet sich als Instrumentenkasten für die praktische Arbeit der Wirtschaftsförderungen in Kommunen.

Gemeinwohl-Ökonomie

Beispiel Gemeinwohl-Ökonomie in Kirchanschöring (Landkreis Traunstein): Als erste Gemeinde innerhalb Deutschlands hat Kirchanschöring 2018 eine Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz erstellt. Die Bilanzierung macht das wertebasierte Handeln und Wirtschaften transparent und folgt damit der Bayerischen Verfassung, in der Gemeinwohl orientiertes Handeln festgeschrieben ist. Dies verwirklicht die Gemeinde z. B. durch eine Anlage ihres Geldes bei Banken mit einem ethisch orientierten Katalog. Zudem wurden gemeinschaftliche Projekte zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern verwirklicht, wie z. B. das Haus der Begegnung, in dem neben einem Sozialbüro und einer Arztpraxis verschiedene Wohnformen barrierefrei und generationenübergreifend untergebracht wurden.

Andere Wege in der Beschaffung

Darüber hinaus bestreitet Kirchanschöring andere Wege in der Beschaffung innerhalb der Verwaltung. So werden ausschließlich zertifiziertes Papier und spezielle Putzmittel für die Verwaltung eingekauft, um ein ganzheitlich gesundes und nachhaltiges Betriebsklima zu schaffen. Der einjährige Prozess der Bilanzierung der Gemeinde wurde von Gemeinwohl-Ökonomie Beratern begleitet. Innerhalb des Prozesses waren hauptsächlich Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung beteiligt, die Ansätze zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie innerhalb der Verwaltung erarbeiteten.

Projekt „reGIOcycle“

Beispiel Circular Economy in der Region Augsburg: Mit „reGIOcycle“ wurde ein Projekt angestoßen, das für Vermeidung, Substitution und nachhaltige Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen am Beispiel der Region Augsburg steht. Es fokussiert daher ein spezielles Thema der Kreislaufwirtschaft. Das Vorhaben ist ein Zusammenschluss aus regionalen und überregionalen Akteuren sowie aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die gemeinsam die Umsetzung eines Kreislaufwirtschaftskonzepts in der Kunststoffproduktion voranbringen wollen.

Ziel von „reGIOcycle“ ist es, Wege aufzuzeigen, wie die lineare Abfallwirtschaft im Raum Augsburg zu einer zirkulären Wirtschaft weiterentwickelt werden kann. Akteure der Kreislaufwirtschaft werden laut Difu derzeit kaum als potenzielle Zielgruppe der kommunalen Wirtschaftsförderungen wahrgenommen. Mit Blick auf die Klimakrise und eine zunehmende Ressourcenknappheit (neben Seltenen Erden inzwischen selbst Baustoffe wie Holz, Sand u. a.) werden jedoch die Anforderungen an einen gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel immer dringlicher.

In der Folge könne die Kreislaufwirtschaft als einer der wichtigsten Lösungsansätze zur Bewältigung der bestehenden Nachhaltigkeitsherausforderungen in unterschiedlichen Bereichen und auf verschiedenen politischen Ebenen neue Impulse setzen.

Ko-Produktion

Beispiel Ko-Produktion in Nürnberg: Das Projekt Quartier U1 ist ein Beispiel für Ko-Produktion in der Stadt. Mit Hilfe vieler Akteure und unter der Initiative des Urban Labs Nürnberg entsteht unter dem Motto „Stadt Selbermachen“ entlang der U-Bahn Linie U1 das „Quartier U1“ – ein Experimentierlabor und Alltagsmuseum. Es motiviert Bürgerinnen und Bürger, Ideen zur Gestaltung des Quartiers zu entwickeln und zu verwirklichen. Damit wird versucht, die Stadt nicht nur von Verwaltung und Wirtschaft weiterzuentwickeln, sondern auch den Einwohnern den Prozess mitgestalten zu lassen. So soll ein gemeinwohlorientiertes Quartier geschaffen werden.

Enkeltauglichkeit

Welche Projekte umgesetzt und gefördert werden, wird von den beteiligten Akteuren entschieden. Die Vergabekriterien orientieren sich am Konzept der „Enkeltauglichkeit“ und sollen die Gemeinwohlorientierung sicherstellen. Finanziell gefördert wird das koproduktive Projekt sowohl von der Nationalen Stadtentwicklungspolitik im Rahmen der Förderung „Stadt gemeinsam gestalten – Neue Modelle der Quartiersentwicklung“ als auch von der Stadt Nürnberg und der Deutschen Postcode Lotterie.

Einbeziehung „der Vielen“

Partizipative Ansätze zur Einbeziehung „der Vielen“ sind der Studie zufolge zwar oft aufwändig und erfordern durchaus auch spezifische Kompetenzen bezüglich Organisation und Moderation solcher Beteiligungsprozesse. Allerdings können sie – strategisch geplant – maßgeblich zur Akzeptanzsteigerung und Identifikation von Vorhaben beitragen.

Weiterentwicklung zukunftsorientierter Standorte

Fazit: Für die Sicherung und Weiterentwicklung zukunftsorientierter Standorte geht es nun vermehrt um die Frage, wie lokale und regionale Wertschöpfungsketten und Kreisläufe gestärkt werden können und wie eine (Neu-)Ordnung der Wertschöpfungsstrukturen von den kommunalen und regionalen Wirtschaftsförderungen befördert werden kann, die krisenfester und nachhaltiger ist. Im Blickfeld stehen laut Difu neben dem in Deutschland ausgeprägten Mittelstand auch zahlreiche Kleinstbetriebe und Start-ups, die als Kreative und mit innovativen Geschäftsideen Lösungen für verschiedene technologische oder sozial-ökologische Herausforderungen entwickeln.

Systemische Zusammenhänge verstehen

Ob es gelingt die Krise als Chance zu nutzen, werde im Rückblick aus dem Jahr 2040 zu beurteilen sein: Für einen zukunftsfähigen „Reboot“ sei es notwendig, die systemischen Zusammenhänge zu verstehen, um Klarheit darüber zu gewinnen, welche Bereiche wie verändert werden sollen, um Wirtschaftsentwicklung als Wohlstandentwicklung und -sicherung im Gleichgewicht zu gestalten.

DK

 

 

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