Kommunalverbändezurück

(GZ-20-2021)
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► Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistags:

 

Verantwortung vor Ort

 

Nach seiner Präsidiumssitzung im Landkreis Celle hat der Deutsche Landkreistag seine Erwartungen für die neue Legislaturperiode formuliert. Das Augenmerk sei darauf zu richten, finanzielle Fesseln durch immer neue Förderprogramme und Anschubfinanzierungen zurückzuführen und stattdessen eine bessere und gerechtere Grundfinanzierung der Kommunen zu realisieren.

Präsident Landrat Reinhard Sager erklärte dazu: „Die Verantwortung vor Ort muss gestärkt werden. Daran werden wir eine neue Regierungskoalition in Berlin messen. Die Verantwortlichen vor Ort wissen am besten, was sie brauchen – gerade bei Klimawandel, Digitalisierung und Infrastruktur. Die Kommunen müssen die drängenden Zukunftsherausforderungen angehen und dazu auch finanziell imstande sein.“ Zudem sollten die nächsten vier Jahre eine Wahlperiode der gleichwertigen Lebensverhältnisse werden.

Neben der Stärkung föderaler Strukturen zur Krisenbewältigung muss die Bundespolitik bis 2025 laut Deutschem Landkreistag die Kommunen besser mit Steuermitteln ausstatten. Dazu sei der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer deutlich anzuheben, an dem auch die Landkreise zu beteiligen sind. Diese Mittel müssten durch einen einwohnerbasierten Schlüssel, der belastungsorientiert gewichtet und ausgestaltet werden kann, verteilt werden.

Gestaltungsspielräume

Auch gelte es, Gestaltungsspielräume bei Bundesgesetzen zu erhalten. Deshalb müsse die 75 %-Grenze in Art. 104a Abs. 3 GG für alle Geldleistungen maßgeblich sein, und zwar unter Wahrung der kommunalen Selbstverantwortung. Dies gelte in erster Linie für Sozialleistungen, die nach individuellen Bedarfen und nach unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort gewährt werden (müssen).

Gemeinsam mit den Ländern müsse der Bund zudem geeignete Wege finden, die Ausgaben bei der Eingliederungshilfe, der Sozial- sowie Kinder- und Jugendhilfe zu begrenzen und die diesbezüglichen Mehrbelastungen vollständig und dynamisch auszugleichen. Aktuell beziehe sich dies auf die kommunalen Finanzierungslasten bei der Ganztagsbetreuung.

Aufgabenangemessene Steuerausstattung

Auch im Hinblick auf die mit der Digitalisierung der Bildung in Landkreisen und Gemeinden verbundenen Kosten sei für eine aufgabenangemessene Steuerausstattung der kommunalen Ebene zu sorgen. Vorbild dürfe nicht der Digitalpakt Schule sein, sondern es sollte eine dauerhaft erhöhte kommunale Steuerbeteiligung geben.

Verfassungswidrige Aufgabendurchgriffe

Zu unterbinden seien darüber hinaus verfassungswidrige Aufgabendurchgriffe des Bundes. Der Bund wird aufgefordert, die vom BVerfG als verfassungswidrig erkannte Zuständigkeitsbestimmung der Landkreise zu Sozialhilfeträgern in § 3 Abs. 2 SGB XII unverzüglich für das gesamte SGB XII aufzuheben.

Zur zukunftsfesten Gestaltung der Altenpflege gehöre, dass die Pflegeversicherung die pflegebedingten Aufwendungen vollständig abdeckt oder zumindest die Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen deutlicher als bislang begrenzt wird. Des Weiteren müssten die Krankenkassen alle Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege übernehmen. Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung bei bedürftigen Personen seien vollständig von der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abzudecken. Sie dürften nicht mehr zulasten der Hilfe zur Pflege gedeckelt sein. Auch müssten die gesetzlichen Grundlagen für eine wirkungsvolle kommunale Pflegeplanung im SGB XI geschaffen werden. Insbesondere pflegebedürftige behinderte Menschen sollten die vollen Leistungen der Pflegeversicherung erhalten.

Zur Planung und Ausgestaltung einer sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung sind laut Deutschem Landkreistag gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen. Die Landkreise müssten in diese Planung aktiv eingebunden werden. Notwendig sei die flächendeckende Sicherstellung der bedarfsgerechten stationären Versorgung. Hierzu bedürfe es einer Krankenhausfinanzierung, die Qualität und Erreichbarkeit im Sinne gleichwertiger Lebensbedingungen gewährleistet.

Sonderabschreibungen

Des Weiteren plädiert der Kommunalverband dafür, Unternehmen in Ortskernen bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen mit steuerlichen Sonderabschreibungen gezielt zu unterstützen. Auch sollte bei der Städtebauförderung ein besonderer Schwerpunkt auf die besonderen Herausforderungen von Ortskernen der Klein- und Mittelstädte gelegt werden. Zudem seien die baurechtlichen Instrumente zum Erhalt und zur Vitalisierung der Ortskerne auszubauen und die Möglichkeiten der Kommunen zum Erwerb von Grundstücken zu verbessern. Neben dem in einigen Kommunen bestehenden Wohnraummangel sei die Ertüchtigung von Leerständen in den Blick zu nehmen. Ein gut ausgestattetes Programm „Jung kauft Alt“ könne gezielte Kaufanreize für den Erwerb von Bestandsimmobilien setzen.

Das Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau in „Grauen Flecken“ müsse fortgeführt und so dotiert werden, dass in allen Landkreisen flächendeckende Glasfasernetze entstehen können. In der nächsten Legislaturperiode seien dafür Fördermittel in Höhe von mindestens 20 Mrd. Euro bereitzustellen. Im Mobilfunkbereich liege der Fokus darauf, sowohl die Lücken im LTE-Netz zu schließen als auch den Ausbau des 5G-Netzes zu fördern. Im Blickpunkt steht laut DLT auch die intelligente Unterstützung der Verwaltungsdigitalisierung.

Bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes komme es darauf an, dass Lösungen nach dem Prinzip „Einer für Alle“ entwickelt werden und eine flächendeckende Nachnutzung bis zu den kommunalen Fachverfahren sichergestellt wird. Darüber hinaus sollten auch Softwarelösungen von kommunalen IT-Dienstleistern und privaten Anbietern sowie aus dem Bereich der Sparkassenorganisation berücksichtigt werden. Es sollte auf Open-Source gesetzt werden. Die Unterstützung der Kommunen müsse insbesondere die im Rahmen des Portalverbundes von Bund, Ländern und Kommunen online anzubietenden Leistungen in Landes- und Kommunalverantwortung umfassen.

Zudem sei die Registermodernisierung voranzutreiben, wobei eine dezentrale Haltung von Fachdaten in den verschiedenen staatlichen und kommunalen Datenspeichern sicherzustellen ist. Im Hinblick auf neue digitale Prozesse und die Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in den Datenaustausch im Gesundheitswesen seien abgestimmte Standards und Schnittstellen erforderlich, die eine Anbindung der kommunalen Prozesse und Fachverfahren an zentrale Strukturen ermöglichen.

Stärkung der Flächenadern

Beim Aus-, Neu- und Umbau des Straßen- und Schienennetzes sollte sich der Bund stärker am Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse orientieren.

Neben den Hauptadern seien die Flächenadern zu stärken. Zum weiteren klimagerechten Ausbau des ÖPNV in der Fläche bedürfe es in Ergänzung der Finanzmittel der Länder u.a. einer weiteren Anhebung und Verstetigung der Regionalisierungsmittel. Für das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 sei der Ausbau von Lade- und Wasserstoffinfrastrukturen in der Fläche voranzutreiben. Gestärkt werden muss nach Auffassung des Verbands auch die Verantwortung der Landkreise als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger für die Bewirtschaftung sämtlicher Siedlungsabfälle.

Stichwort Klimaschutz: Die besonderen Belastungen der Bevölkerung in den Landkreisen seien durch steuerliche Entlastungsmaßnahmen sowie durch infrastrukturverbessernde Maßnahmen auszugleichen. Der Bund solle ferner dafür sorgen, dass die mit dem Klimaschutz und der Erzeugung erneuerbarer Energien verbundenen Wertschöpfungspotenziale unmittelbar in den betroffenen ländlichen Räumen realisiert werden können. Dazu seien die Chancen der Sektorkopplung bei der Windenergieerzeugung sowie der Wasserstoffwirtschaft zu nutzen. Durch die gezielte Ausrichtung und Förderung von Wasserstofftechnologien sollten gerade in der Fläche Erneuerbare Energien, Mobilität und Wärmeerzeugung gekoppelt und regionale Energiekreisläufe und Wertschöpfung ermöglicht werden.

Vision für 2040

In seiner europapolitischen Ausrichtung sollte der Bund die ländlichen Räume insgesamt stärker in den Fokus rücken und den Prozess der „langfristigen Vision für die ländlichen Gebiete bis 2040“ aktiv mit eigenen Vorschlägen und Initiativen begleiten, heißt es weiter. Zudem müssten die EU-Programme zum Wiederaufbau nach der Pandemie kommunale Investitionen unterstützen. Um die kommunalen Haushalte nicht noch stärker unter Druck zu setzen, sollten zur Kompensation nationale Mittel eingesetzt werden, um die Kommunen bei der Erbringung ihres Eigenmittelanteils zu entlasten.

Themawechsel. Nach der verheerenden Flutkatastrophe ist es nach Meinung des Deutschen Landkreistags wichtig, den Wiederaufbau möglichst schnell, aber auch klimafolgenangepasst zu organisieren. Präsident Sager zufolge „begrüßen wir, dass der Bund und die Länder umgehend ein milliardenschweres Aufbauhilfeprogramm beschlossen haben. Daneben braucht es nun eine Reihe von Maßnahmen zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wir sollten jetzt den Rahmen für einen Wiederaufbau in Höchstgeschwindigkeit schaffen.“ Diese Ansätze für den Wiederaufbau im Ahrtal sollten darüber hinaus auch in der neuen Legislaturperiode eine Rolle spielen. „Denn generell gilt:

Wir müssen in Deutschland bei Infrastrukturprojekten schneller werden.“ Für die von der Flut verwüsteten Orte sei es von zentraler Bedeutung, nach den unmittelbaren Hilfs- und Instandsetzungsmaßnahmen den Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur nachhaltig anzulegen und dabei auch die Anpassung an die Klimafolgen mitzudenken. „Der Hochwasserschutz etwa muss ein maßgebliches Kriterium sein, um katastrophensicher zu planen und zu bauen.“

Zugleich seien Erleichterungen im Bau- und Planungsrecht notwendig, um eine schnellere Realisierung zu befördern. Dazu zählten Erleichterungen bei den zugrundeliegenden Verfahren, z. B. zur Neuerrichtung von Ersatzbauten und baulichen Anlagen wie Schul- und Verwaltungsgebäude, Straßen, Brücken, Ver- und Entsorgungsleitungen. Sager: „Vereinfachte Genehmigungsverfahren sind hier das Stichwort. Auch sollte auf bereits erteilte Genehmigungen zurückgegriffen werden können. Sonst vergeht einfach zu viel Zeit. Das kann man den betroffenen Menschen nicht erklären.“ Gleiches gelte für die viele Jahre dauernden Planfeststellungsverfahren.

Straffen und vereinfachen

Weitere Punkte seien Fristverkürzungen und die Straffung der Rechtsschutzmöglichkeiten beim Wiederaufbau nach Katastrophen. „Klageverfahren sollten auf die tatsächlich Betroffenen und eine Instanz beschränkt werden, deren Entscheidung dann abschließend ist und gegen die nicht weiter monate- und jahrelang vorgegangen werden könnte.“

Auch müssten die Landkreise dauerhaft die Möglichkeit erhalten, im Rahmen von Planungsverfahren digitaler zu werden, vor allem mit Blick auf Beteiligungsprozesse. „Das muss im Jahr 2021 digital und zügiger vonstattengehen.“ Ferner seien Beschaffungsvorgänge für Bau-, Liefer- und Dienstleitungsvergaben in den Katastrophengebieten zu nennen. Auch hier gehe es darum, zu straffen, zu vereinfachen und Ausnahmen zuzulassen.

Klare Aussagen von den Ländern erwartet das Präsidium des Deutschen Landkreistags, wenn es um die Finanzierung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler geht. Wie Reinhard Sager betonte, „müssen die Länder nun nachholen, worum sie sich während des Gesetzgebungsverfahrens herumgedrückt haben: das Bekenntnis, diese neue Milliardenaufgabe gegenüber ihren Landkreisen und Städten zu finanzieren. Dabei sollte ihnen die Kostenbeteiligung des Bundes helfen, die im Vermittlungsverfahren noch einmal erhöht worden ist. Die Länder müssen jetzt aus der Deckung kommen.“

Neue Rechtsansprüche

Der Präsident wies erneut darauf hin, dass sich gerade die Betriebskosten sehr dynamisch entwickeln würden. Es gehe bei den laufenden Ausgaben um einen Betrag von rund 4 Mrd. Euro pro Jahr. „Ducken sich die Länder an dieser Stelle weiterhin weg, kann uns das vor Ort das Genick brechen. Deshalb appellieren wir an die Länder, ihre Zusagen zügig abzugeben und damit ein Signal der Entspannung in Richtung ihrer Kommunen zu senden.“

Die Landkreise litten sehr darunter, dass neue Rechtsansprüche kommunale Dauerlasten verursachten, die nicht oder nicht vollständig von den Ländern als Verantwortliche ausgeglichen würden: „Am Ende sind wir in finanzieller Hinsicht meist die Leidtragenden. Das kann so nicht weitergehen“, so der DLT-Präsident abschließend.

DK

 

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