Fortschritte in der Klima- und Energiepolitik könne es gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse und dem Erfordernis einer stärkeren Unabhängigkeit von Energieimporten nur im engen Schulterschluss mit den Landkreisen geben. Bislang sei es so, dass zu viele Maßnahmen über befristete Projektmittel umgesetzt würden, was nicht nachhaltig sei, betonte Sager. Im Kern gehe es um eine grundlegende Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung durch die verantwortlichen Länder, um von der bisherigen Projektfinanzierung zu einer grundständigen Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zu gelangen. Darüber hinaus müssten Wertschöpfungspotenziale in den ländlichen Räumen beispielsweise bei der Windenergienutzung oder bei Wasserstofftechnologien für eine nachhaltige Energieversorgung realisiert werden.
Ebenfalls entscheidend sei eine gerechte Lastenverteilung zwischen Stadt und Land bei erneuerbaren Energien, Industrie, Mobilität und CO2-Bepreisung, z. B. durch höhere Förderquoten bei investiven Klimaschutzmaßnahmen. „Klimaschutz und Energiepolitik sind strukturpolitische Themen, bei denen man die unterschiedlichen Betroffenheiten von Stadt und Land in eine gesunde Balance bringen muss. Nicht zuletzt, um die Akzeptanz für die Energiewende zu sichern, brauchen wir auch wirtschaftliche Anreize“, so der DLT-Präsident.
Förderung gleichwertiger - Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen
Zwar sei der Beschluss des Koalitionsausschusses, die Pendlerpauschale zu erhöhen, ein richtiger Baustein für die Beförderung gleichwertiger Lebensverhältnisse, jedoch reiche er für die in den ländlichen Räumen lebenden Menschen nicht aus. Hier ist Sager zufolge mehr Unterstützung gefragt, die Pendlerpauschale betreffe nur das Erwerbsleben und nicht andere Aspekte der Lebenswirklichkeit in ländlichen Räumen. Hinzu kämen tiefgreifende Verteilungs- und soziale Ausgleichsfragen im Verhältnis von Stadt und Land im Zuge der Klimapolitik, die immer wieder die Frage aufwerfen, wie Lasten und Entwicklungschancen im Land verteilt werden. Dafür müsse die Bundesregierung sehr sensibel sein.
Pendelpauschale keine klimaschädliche Subvention
Für die Menschen in den ländlichen Räumen sei die höhere steuerliche Absetzbarkeit der Pendelkosten dennoch ein gutes Signal. „Zu betonen ist außerdem, dass die Pauschale keine klimaschädliche Subvention ist, sondern als steuerrechtliches Instrument Ausdruck des Prinzips, eigene Ausgaben im Zusammenhang mit der Berufsausübung geltend zu machen. Es geht dabei um die freie Wahl des Lebensmittelpunktes und des Arbeitsortes in unserer Leistungsgesellschaft“, verdeutlichte der Verbandschef.
Mit Blick auf die gleichwertigen Lebensverhältnisse mahnte Sager zudem eine auch weiterhin ordentliche finanzielle Mindestausstattung der Landkreise und Gemeinden an. Dieses Thema sei von den Regierungsparteien im Koalitionsvertrag nicht aufgegriffen worden. Statt die Kommunen finanziell zu stärken, habe man erneut zahlreiche weitere Förderprogramme, zentrale Steuerung und Projektfinanzierungen angekündigt.
Bund soll Defizite ausgleichen
Dieses Defizit müsse der Bund nun ausgleichen und ernsthaft in eine Diskussion darüber eintreten, wie die Steuerausstattung der Kommunen insgesamt erhöht werden kann. „Auch sollte der Bund seine finanzielle Beteiligung an den flüchtlingsbedingten Unterkunftskosten weiterführen, die Ende vergangenen Jahres ausgelaufen ist.“ Dieses Thema erlange in Anbetracht der zu uns kommenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine neue Bedeutung.
Im Zusammenhang mit der kommunalen Finanzsituation sprach der Präsident zudem den vom Bund geplanten einmaligen Corona-Zuschuss in Höhe von 100 Euro an. Dieser sei ein weiterer „Sündenfall“, weil er den Landkreisen eine neue Aufgabe übertrage, ohne für eine Finanzierung zu sorgen. „Um nicht missverstanden zu werden: Der Zuschuss für Sozialhilfeempfänger ist natürlich in der Sache sinnvoll und zu unterstützen. Aber der Bundesgesetzgeber sollte eine Regelung beschließen, nach der die Länder die Aufgabe auf die Kommunen übertragen und damit auch finanzieren. Der Bund darf nicht sehenden Auges verfassungswidrige Gesetze beschließen.“
Bereits im vergangenen Jahr habe der Bund mit dem Corona-Zuschuss für Sozialhilfeempfänger unzulässig auf die Landkreise durchgegriffen, monierte Sager. Er erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht erst 2020 solches Handeln für verfassungswidrig erklärt hatte. „Diesem erneuten rechtwidrigen Agieren des Bundes muss deshalb ein Riegel vorgeschoben werden, notfalls wiederum durch das Bundesverfassungsgericht.“
Flächendeckender Glasfaserausbau
Schließlich bekräftigte das DLT-Präsidium, dass der flächendeckende Glasfaserausbau in den ländlichen Räumen weiter vorangetrieben werden müsse. „Der mit Mitteln des Bundes und der Länder unterstützte Ausbau durch und in den Landkreisen hat dazu bereits einen wesentlichen Beitrag geleistet. Der geförderte Glasfaserausbau ist ein Erfolgsmodell, das auch nach dem Ende des bisherigen Förderprogramms im Jahr 2023 weitergeführt werden muss“, stellte Sager fest.
„Wir brauchen in Deutschland ein flächendeckendes Glasfasernetz, um bei der digitalen Infrastruktur überhaupt Anschluss an die globale Entwicklung zu finden. Der Koalitionsvertrag strebt vollkommen zu Recht Glasfaser bis in jedes Haus an.“
Auch in dieser Legislaturperiode seien dafür ausreichende Mittel von über 10 Mrd. Euro nötig, und zwar überall dort, wo heute noch keine gigabitfähigen Breitbandinfrastrukturen vorhanden seien und wo sich kein rascher eigenwirtschaftlicher Ausbau abzeichne. „Insofern sollte der Bund sein Fördermodell nicht abändern, sondern weiterführen. Vor allem eine vorgeschaltete, zusätzliche bundesweite Potenzialanalyse würde hingegen zu weiteren Verzögerungen im Glasfaserausbau und zu Unwägbarkeiten für die Menschen und Unternehmen vor Ort führen, wann sie mit einem Ausbau rechnen können. Wir dürfen keine weitere wertvolle Zeit verlieren“, unterstrich Sager.
Versorgung der Vertriebenen aus der Ukraine
Was die Hilfe für ukrainische Vertriebene anbelangt, hob der DLT-Präsident die große Bereitschaft der Landkreise hervor, Vertriebene aus den ukrainischen Kriegsgebieten unterzubringen und zu versorgen. „Wir sind sicher, dass uns dies gelingen wird, es findet bereits tausendfach statt. Dabei können wir auf unsere guten Erfahrungen aus den Jahren 2015/2016 aufbauen.“
Tief beeindruckt zeigte sich der Verbandschef von der Hilfsbereitschaft der Menschen: „Ob es die Aufnahme der zu uns Kommenden in Unterkünften oder Einrichtungen ist oder die breite Bereitschaft in der Bevölkerung, Familien vorübergehend bei sich aufzunehmen – es bestehen eine sehr große menschliche Verbundenheit, Empathie und Mitgefühl. Das unterstützt die Landkreise als für die Unterbringung der Vertriebenen Verantwortliche dabei, diese Aufgabe zu bewältigen.“ Teilweise gebe es zudem kurzfristig ins Leben gerufene Wohnungsbörsen. In diesem Zusammenhang begrüßte er den Beschluss der EU-Innenminister als Voraussetzung für die rasche Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Es sei wichtig, dass Bund, Länder und Kommunen gut abgestimmt vorgingen, fuhr Sager fort. „Wir stehen in engem Austausch mit dem Bundesinnenministerium und sind selbstverständlich auch bereit, uns in einem möglichen Koordinierungsgremium auf Bundesebene zu engagieren. Damit alles gut laufen kann, ist eine frühzeitige Einbeziehung in politische Entscheidungen und ein gutes Zusammenwirken im Interesse der Vertriebenen unerlässlich.“ Die früheren zahlreichen Treffen mit Angela Merkel im Zusammenhang mit der Flüchtlingsaufnahme seien sehr zielführend gewesen und könnten dafür ein Vorbild sein.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht
Stichwort einrichtungsbezogene Impfpflicht: Damit ihre Umsetzung gut funktionieren kann, werden laut Sager von Bund und Ländern entsprechende Leitplanken für den Vollzug benötigt. „Im Übrigen hoffen wir, dass der neue Impfstoff Novavax auch Skeptiker gerade im Pflegebereich überzeugen kann. Viele Landkreise haben letzter Zeit für eine Impfung mit Novavax geworben.“
Die Impfpflicht werde von den Landkreisen selbstverständlich umgesetzt – wie auch sonst jedes Gesetz, für dessen Vollzug sie zuständig seien, machte Sager deutlich. Bei den vorzunehmenden Ermessensentscheidungen würden zentral auch Aspekte der Versorgungssicherheit einbezogen. „Ergebnis der Abwägung kann sein, dass die Gesundheitsämter von Betretungsverboten gegenüber ungeimpften Pflegekräften absehen müssen, wenn die gesundheitliche Versorgung insgesamt gefährdet werden würde. Dabei kommt es einzig und allein auf die Situation vor Ort an.“ Aber vielfach seien die Impfquoten beispielswiese beim Personal in Pflegeheimen erfreulich hoch, so dass die Versorgung gesichert sei.
„Und natürlich werben wir nach wie vor für die Impfung“, ergänzte der Präsident. „Es ist und bleibt wichtig, gerade kranke und pflegebedürftige Menschen, die einem besonders hohem Risiko einer schweren Erkrankung ausgesetzt sind, über die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu schützen. Das bleibt auch in Anbetracht von Omikron und rückläufiger Inzidenzen richtig.“
Zur Klärung von Umsetzungsfragen haben sich Sager zufolge Bund und Länder auf eine enge Abstimmung der Regelungen in den Ländern verständigt. „Das muss geschehen bei einem Thema, das mitunter sehr hitzig diskutiert worden ist – bis hin zu Forderungen nach einer Aussetzung der Impfpflicht. Insofern wäre es klug von Bund und Ländern, so transparent wie möglich zu agieren.“
DK
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