Mit 6,3 Milliarden Euro Haushaltsvolumen (2021) sind die Bezirke der größte Träger der überörtlichen Sozialhilfe sowie Eingliederungshilfe in Bayern. Zudem betreiben sie an über 40 Standorten in Bayern psychiatrische Kliniken, Wohn- und Pflegeeinrichtungen.
Löffler: Zielgerichtete Gesetzgebung für zielgenaue Maßnahmen
Mit den Gesundheitseinrichtungen unterhalten sie in etwa ein Fünftel aller Krankenhausbetten in Bayern, das entspricht über 12.500 Betten. Weidens Oberbürgermeister Jens Meyer wartete in seinem Grußwort mit der erfreulichen Nachricht auf, dass mit dem Bau der neuen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Bezirks Oberpfalz in Weiden bereits begonnen werden konnte. Geplant sind dort 32 Betten sowie sechs weitere tagesklinische Plätze. Sechs weitere Plätze in der Tagesklinik werden das fehlende Therapieangebot für Klein- und Vorschulkinder abdecken. Damit entsteht in Weiden die zweitgrößte Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie nach der Klinik in Regensburg.
Der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Franz Löffler, appellierte an die Teilnehmer der Vollversammlung, „vor lauter Krisenmodus nicht die schon lange vor der Corona-Krise bekannten Problemstellungen wie Fachkräftemangel und den demografischen Wandel aus den Augen zu verlieren“. Die vergangenen beiden Jahre hätten besonders deutlich gezeigt, wie wichtig ein guter und funktionierender Sozialstaat ist. In Zeiten von angespannten öffentlichen Haushalten dürfe dennoch nicht automatisch im Sozialbereich gespart werden. Der Verbandspräsident appellierte deshalb an Sozialministerin Ulrike Scharf und Dr. Winfried Brechmann, Amtschef im Bayerischen Gesundheitsministerium, der Staatminister Klaus Holetschek vertrat:
„Damit auch unter schwierigen Bedingungen die soziale Daseinsvorsorge funktioniert, braucht es eine zielgerichtete Gesetzgebung, die das verfügbare Geld in wirksame und zielgenaue Maßnahmen lenkt. Denn nur kluge und nachhaltige Reformen sowie neue Ideen und Herangehensweisen können die Versorgung der Menschen in Bayern dauerhaft sicherstellen.“
Großes Potenzial sieht Löffler dabei im Erhalt der eigenen Häuslichkeit, um besser mit den kommenden Herausforderungen in der Pflege angesichts einer alternden Gesellschaft umgehen zu können. So sei es wichtig, Pflegebedürftige und ältere Menschen, die Hilfen im Alltag benötigen, künftig besser und frühzeitig zu unterstützen, damit sie möglichst lange selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden leben können. Dafür müssten allerdings auf örtlicher Ebene Strukturen mit Ansprechpartnern geschaffen werden, die direkten Kontakt zu den Betroffenen aufnehmen und auch konkrete Hilfestellung leisten können. Ebenso müssten bestehende Angebote besser vernetzt werden. „Wir müssen innovative Ideen und Konzepte entwickeln, um den Aufenthalt im Pflegeheim möglichst lange hinauszuzögern bzw. ganz zu vermeiden. Doch dafür braucht es entsprechende Strukturen, um das am Ende auch umsetzen zu können.“
Fachkräftemangel
Mit Blick auf den Fachkräftemangel wünscht sich der Bezirketagschef von der Politik vor allem mehr Flexibilität für die bezirklichen Gesundheitseinrichtungen sowie die Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen bzw. Pflegebedarf. Im Krankenhausbereich kämpften die Bezirkskliniken derzeit mit dem 2020 eingeführten Personalbemessungsinstrument, der sog. PPP-Richtlinie. Zwar werde damit ein neuer Qualitätsstandard geschaffen, jedoch setzten die Personalmindestvorgaben der Richtlinie teils veraltete Berufsbilder voraus und berücksichtigten zu wenig, dass in der Psychiatrie heutzutage multiprofessionell und mit einem modernen Aufgaben- und Fähigkeiten-Mix gearbeitet wird.
Auch die derzeit vorgesehenen unmittelbaren Strafzahlungen für eine Nichteinhaltung der Vorgaben sind Löffler zufolge unverhältnismäßig. Langfristig könnten mittlere und kleine Häuser so nicht mehr wirtschaftlich arbeiten, obwohl gerade diese Einrichtungen eine wohnortnahe psychiatrische Grundversorgung in hoher fachlicher Qualität böten. Abhilfe könne und müsse hier das Bundesministerium für Gesundheit schaffen: Denn notwendig sei ein gestuftes und verhältnismäßiges Sanktions- und Anreizsystem. Um dies schaffen zu können, müssten jedoch die bundesgesetzlichen Vorgaben überarbeitet werden.
Als besorgniserregend nimmt Löffler zudem die Lage in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen wahr. Es dürfe nicht sein, dass Stationen bzw. ganze Einrichtungen geschlossen werden müssen, weil Fachkraftquoten aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal nicht erfüllt werden können. Hier gehe es nicht um eine schlechtere Versorgung der betroffenen Menschen, sondern um eine bedarfsorientierte Betreuung. Und dafür benötigten die Einrichtungen die Möglichkeit, Personal gegebenenfalls flexibel einsetzen zu können“, betonte der Bezirketagschef.
Unsichere Zeiten
Aufgrund des Ukraine-Krieges stünden wirtschaftlich unsichere Zeiten bevor. Dabei müsse die Politik besonders darauf achten, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter auseinandergeht, denn ansonsten gerate der gesellschaftliche Frieden in Gefahr. „Die bayerischen Bezirke werden deshalb auch künftig mit aller Kraft und Überzeugung für Menschen mit Behinderung, mit Pflegebedarf sowie mit psychischen Erkrankungen da sein und ihnen eine bestmögliche Versorgung zur Verfügung stellen. Egal ob zu Hause, in Pflegeheimen, Wohneinrichtungen, Behindertenwerkstätten oder in den Kliniken“, versicherte Löffler.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der seine Teilnahme an der Vollversammlung kurzfristig absagen musste, unterstrich in einem schriftlichen Statement: „Der Fachkräftemangel in Kliniken und Pflegeeinrichtungen ist eine große Herausforderung – auch mit Blick auf eine mögliche weitere Corona-Welle im Herbst. Die Bundesregierung muss deshalb rasch handeln und darf sich bei den notwendigen Reformen nicht im Kleinen verlieren. Ich setze mich intensiv für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege ein.“
Vielfältige Veränderungen Veränderungen müsse es hier auf vielen Ebenen geben, auch bei der Bezahlung von besonderen Diensten wie Nacht- und Wochenendschichten oder Springerdiensten auch in Pflegeeinrichtungen, so Holetschek.
„Aber die Vergütung ist nicht alles, die zu verbessernden Rahmenbedingungen gehen weit darüber hinaus. Die Einrichtungsträger sind gefordert, zum Beispiel was die Planbarkeit der Dienste und das verlässliche ‚Frei‘ angeht. Und die Kommunen können ihren Beitrag leisten, etwa mit bezahlbarem Wohnraum und Kinderbetreuungsangeboten. Denn wir müssen insgesamt die Attraktivität des Pflegeberufs steigern und Abwanderung aus dem Beruf verhindern.“
Zusammenhalt vor Ort
„In schweren Zeiten kommt es auf den Zusammenhalt vor Ort an: in den Städten und Gemeinden – und in unseren Bezirken. Die Bezirke sind zentrale Akteure unseres sozialen Netzes in Bayern. Sie fangen Menschen in Not auf – kompetent, professionell und menschlich“, unterstrich die Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf, in ihrem Grußwort. Sie dankte den ehrenamtlichen Bezirksräten sowie allen Mitarbeitern in den Bezirken für ihr Engagement. „So wie die Bezirke uns unterstützen, so unterstützen auch wir die Bezirke, beispielsweise mit dem Ausgleich der coronabedingten Mehrkosten in der Eingliederungshilfe in Höhe von 70 Prozent. Der Freistaat steht zu seinen Bezirken. Gemeinsam machen wir uns stark für einen zukunftsfähigen Sozialstaat.“
Um in Krisen gesund zu bleiben, ist Resilienz eine wertvolle Fähigkeit. Sie dient als eine Art inneres Immunsystem, um flexibel mit Stress und Belastung umzugehen. Laut Prof. Dr. med. Mathias Zink, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Bezirksklinikum Ansbach, beschreibt Resilienz „den dynamischen Prozess der Gesundung oder des Gesund-Bleibens angesichts kritischer Stressoren“.
Resilienzfaktoren
In seinem Fachvortrag „Resilienz – was hält uns gesund?“ wies Zink darauf hin, dass die Forschung über Resilienz öffentlich gefördert werde und multidimensional angelegt sein müsse. Aus Resilienzfaktoren würden psychotherapeutische Programme abgeleitet. Evidenz gebe es schon für positive Effekte durch körperliche Aktivität und Sport.
Um die Resilienz psychiatrisch erkrankter Patienten zu verbessern, sind Zink zufolge mindestens drei aktuelle Probleme zu adressieren: Der Zugang zur ambulanten Psychotherapie bleibe Patienten mit bipolaren Störungen oder Psychosen oft verwehrt und die aktuell gültige Personalrichtlinie berücksichtige fundierte Behandlungsleitlinien unzureichend. Zudem werde gerade in Bayern die stationsäquivalente Behandlung (StäB) durch die Haltung der Kostenträger aktiv erschwert, kritisierte der Professor.
DK
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