DLT-Präsident Landrat Reinhard Sager würdigte in seiner Festrede das Jubiläum: „Die Kreise haben in ihrer Dreifachfunktion als Gebietskörperschaft, Gemeindeverband und untere staatliche Behörde im Laufe der Zeit vor allem bei besonderen Herausforderungen ihre Leistungsfähigkeit, Einsatzbereitschaft und Bürgernähe bewiesen. Das war schon in und nach beiden Weltkriegen so, als die Ernährungssicherung, Wohnungsfürsorge, Sicherung des Lebensunterhalts, die Gesundheitsfürsorge und vieles mehr für die Bevölkerung gewährleistet werden mussten.“ Auch in jüngster Zeit hätten die Kreise – oft im Verbund mit ihren Gemeinden – bei vielfältigen Herausforderungen bewiesen, dass man sich auf sie verlassen könne. „Ich erinnere nur an die vielfältigen Aufgaben bei der Flüchtlingsunterbringung und -integration, die uns in besonderem Maße gefordert haben und weiter fordern werden, aber auch an die Bekämpfung zahlreicher Hochwasser und andere plötzliche Ereignisse.“
Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge
Daneben leisteten die Kreise im Rahmen der Daseinsvorsorge dauerhaft und verlässlich viel für ihre Bevölkerung in der Sozial- und Jugendhilfe, in der Krankenhausversorgung, als Schulträger, im Umweltschutz, in der Kreislaufwirtschaft, beim Straßenbau und vielen anderen Bereichen mehr. „Bei der Wiedervereinigung vor 26 Jahren ist es gelungen, das große Leistungsspektrum der Kreise in Westdeutschland auf die durch Gebiets- und Funktionalreformen ertüchtigten Kreise in den fünf neu gebildeten Ländern zu übertragen. Dabei haben viele westdeutsche Landkreise Verwaltungshilfe geleistet und tatkräftig zur Seite gestanden, um der kommunalen Selbstverwaltung auch in den neuen Ländern zur Entfaltung zu verhelfen“, so Sager.
Vielfältige Verbesserungen der Infrastruktur
Auch generell seien viele Kreise immer wieder freiwillig und experimentell vorangeschritten, um die Infrastruktur zu verbessern oder die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. „Deshalb haben wir uns 2002 nach langer Diskussion bereiterklärt, die Trägerschaft für die zusammenzufassende Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu übernehmen. Ich denke, wir haben seit mehr als einem Jahrzehnt in den anfangs 69 und derzeit 105 kommunalen Jobcentern (Optionskommunen) bewiesen, dass wir der gewachsenen Verantwortung gerecht geworden sind und der Wettbewerb der Systeme den Langzeitarbeitslosen im Lande geholfen hat.“
Wenn die Arbeit des Landkreistages auf große Anerkennung stoße, gelte diese in allererster Linie den Landkreisen, ihren Mitarbeitern sowie den tausenden ehrenamtlich mitwirkenden Kommunalpolitikern.
Bezogen auf die „verfassungsrechtlichen Spielregeln“ habe der Deutsche Landkreistag insbesondere in den vergangenen 20 Jahren erfolgreich auf Strukturentscheidungen eingewirkt: „Hier ist die im Zuge der ersten Föderalismusreform im Sommer 2006 erfolgte Unterbindung des direkten Durchgriffs des Bundes auf die kommunale Ebene zu nennen, wodurch ab diesem Zeitpunkt ein wirksamer Mechanismus zur Beendigung der Überwälzung immer neuer finanzieller Belastungen auf die Kommunen geschaffen wurde.
Auch sei es gelungen, finanzielle Ausgleichspflichten der Länder bei Aufgabenübertragungen auf die kommunale Ebene seit Ende der 1990er Jahre in allen Landesverfassungen zu etablieren bzw. konsequenter auszugestalten. „Das war ebenfalls ein großer Erfolg, selbst wenn es bei der Umsetzung in einzelnen Ländern immer wieder einmal hakt.“ Dass dieser Kampf als Daueraufgabe immer wieder neu geführt werden müsse, belege die zeitgleich zum Verbandsjubiläum verkündete Verfassungsänderung im Saarland. Diese erfasse ausdrücklich auch die kostenträchtige Erweiterung bestehender Bundesgesetze – vor allem im Sozialbereich. Daher dürfe sich das Land beim in Aussicht genommenen Konnexitätsausführungsgesetz einfachgesetzlich nicht wegducken, sondern müsse seine Finanzierungspflicht gegenüber Landkreisen, Städten und Gemeinden konsequent ausgestalten, machte Sager deutlich.
Unentbehrlicher Partner
„Der Deutsche Landkreistag ist für die Bundesregierung ein unentbehrlicher Partner“, würdigte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Leistungen des Kommunalverbandes. Sie hob u. a. die Anstrengungen des Bundes, die Kommunen finanziell zu entlasten, hervor - etwa im Zusammenhang mit der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder den flüchtlingsbedingten Wohnkosten. Zwar seien die wirtschaftliche Lage und die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte besser geworden, dennoch hätten viele Kommunen Finanzsorgen und könnten notwendige Investitionen nicht tätigen. Gleichfalls sei das Thema der Flüchtlingsintegration von größter Bedeutung, auch im Zusammenhang mit den komplizierten Fragen der Wohnsitzzuweisung. Der Deutsche Landkreistag bringe sich engagiert und mit viel Sachverstand in die Bundesgesetzgebung ein, beispielsweise in Bezug auf das Bundesteilhabegesetz, unterstrich Merkel.
DLT-Präsident Sager dankte der Kanzlerin für die Würdigung der Verdienste des Deutschen Landkreistages sowie für ihre Gesprächsbereitschaft und Wertschätzung der Arbeit der Landkreise, Städte und Gemeinden im Zusammenhang mit der Flüchtlingsaufnahme und -integration. Die Kanzlerin hatte die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer der kommunalen Spitzenverbände zur Erörterung der Lösungsansätze und gebotenen Rechtsänderungen bei der Flüchtlingsunterbringung und -integration seit September des vergangenen Jahres zu sechs ausführlichen separaten Gesprächen unter Beteiligung zahlreicher Bundesressorts eingeladen. Ein weiteres Gespräch findet demnächst statt.
Steuerung des demografischen Wandels
Auch in Zukunft stehen nach Sagers Worten wesentliche Aufgaben zur Bewältigung an: „Das gilt insbesondere für die aktive Steuerung des demografischen Wandels und die Aufrechterhaltung einer zukunftsorientierten Infrastruktur auch in der Fläche. Insoweit setzen wir auf eine weiterhin ertragreiche Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundestag, der Bundesregierung, den einzelnen Ländern und dem Bundesrat“, erklärte der Präsident.
Bundesratspräsident Stanislaw Tillich warnte vor finanziellen Belastungen der Landkreise und Städte als Folge politischer Entscheidungen auf Bundes- und Länderebene. Der sächsische Regierungschef sprach von einer „gewissen Leichtigkeit“, in Berlin etwas zu entscheiden, das die unteren Ebenen in der Folge administrativ und finanziell schultern müssten.
Im Anschluss an die Jubiläumsfeierlichkeiten tagte das Präsidium des kommunalen Spitzenverbandes. Mit Blick auf die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in den Landkreisen griff der DLT-Präsident einige für den Deutschen Landkreistag wesentliche Punkte heraus: „Der deutliche Rückgang der Zahl der Flüchtlinge wirft die Frage auf, ob die in den Ländern und Kommunen zur Unterbringung der Schutzsuchenden geschaffenen Kapazitäten aufrechterhalten werden sollen. Dazu ist klar zu sagen: Wir sind gut beraten, die Unterbringungskapazitäten zumindest vorübergehend so beizubehalten, dass sie bei einem möglicherweise sehr kurzfristigen Anstieg der Zahl der Asylsuchenden sofort genutzt werden können.“
Integration der Zugewanderten
Man werde sich auf kommunaler Ebene mit aller Kraft auf die Integration der Zugewanderten konzentrieren, benötige aber beispielsweise für Investitionen in Wohnraum und Integrationsangebote auch Planungssicherheit. In den Landkreisen müssten geeignete Strukturen geschaffen bzw. ausgebaut werden, um eine gebündelte Betreuung zu ermöglichen. „Insofern ist es gut, dass das Integrationsgesetz nunmehr in Kraft getreten ist. Es regelt z. B., dass Flüchtlinge ihren Wohnsitz in demjenigen Bundesland nehmen müssen, dem sie für die Dauer ihres Asylverfahrens zugewiesen wurden. Darüber hinaus können die Länder eine konkrete Zuweisung in bestimmte Landkreise und kreisfreien Städte vornehmen.“ Sager bezeichnete diese Möglichkeit als wichtiges Instrument für gelingende Integration.
Zur effektiven Umsetzung einer Wohnsitzauflage vor Ort sei erforderlich, diese auch durchsetzen zu können. „Das heißt konkret, dass Verstöße gegen die Wohnsitzauflage geahndet werden können müssen. In der Sozialhilfe ist dies durch Leistungskürzungen bereits vorgesehen. Dies muss auch für Personen greifen, die von den Jobcentern betreut werden. Hier ist der Gesetzgeber erneut gefordert.“ Auch sei notwendig, dass die Länder entsprechende Ausführungsbestimmungen erlassen. „Ansonsten verschenkt die Wohnsitzauflage ihr Potenzial und macht die Integrationsplanung der Landkreise nicht einfacher.“ Auch sei auf eine praktikable Ausgestaltung in den Ländern zu achten: „Vor allem muss die Verteilung der Länder auf die Kommunen grundsätzlich ohne Prüfung des Einzelfalls durch die Ausländerbehörden vonstattengehen.“
Schließlich kam der Verbandschef auf die Wohnkosten anerkannter Flüchtlinge zu sprechen: „In den nächsten drei Jahren wird der Bund diese Kosten vollständig übernehmen. Damit wird unsere Forderung erfüllt. Und den Landkreisen und Städten wird in dieser Hinsicht der Rücken frei gehalten. Auch für die Jahre nach 2018 brauchen wir eine Kostenübernahme, über die zu gegebener Zeit zu sprechen sein wird.“
Stärkung der kommunalen Finanzkraft
Zudem thematisierte er die Stärkung der kommunalen Finanzkraft um jährlich 5 Mrd. Euro ab 2018, die teilweise ebenfalls über eine Aufstockung des Bundesanteils an den SGB II-Unterkunftskosten erfolgen solle. „Die vorgesehenen Regelungen sichern noch nicht vollständig die beabsichtigten Entlastungsbeträge. Sowohl bei der Ermittlung der tatsächlichen flüchtlingsbedingten Mehrkosten als auch bei der für die 5 Mrd. Euro-Stärkung vorgesehenen Erhöhung der Bundesbeteiligung an den SGB II-Unterkunftskosten muss nachgesteuert werden. Wichtig ist sicherzustellen, dass die Übernahme der flüchtlingsbedingten Wohnkosten nicht bei den 5 Mrd. Euro zur Stärkung der Kommunen in Ansatz gebracht wird. Ansonsten erreicht die Stärkung der kommunalen Finanzkraft nicht die volle Höhe, sondern es wird das Spiel ‚Rechte Tasche, linke Tasche‘ gespielt. Es geht hier nach unseren Berechnungen immerhin um einen Betrag in einer Größenordnung von rund 300 Mio. Euro pro Jahr, auf den wir bestehen“, so Sager.
Er erläuterte weiter, dass sich Bund und Länder in Bezug auf 1 Mrd. Euro der zugesagten 5 Mrd. Euro darauf verständigt hätten, diese „aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit“ zunächst an die Länder zu geben. „Wir erwarten, dass die Länder diese Milliarde zu 100 % an die Landkreise, Städte und Gemeinden weiterleiten. Schließlich handelt es sich um Geld, das den Kommunen zugutekommen soll“, unterstrich Sager.
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