Kommunalverbändezurück

(GZ-15/16-2022)
gz bayerischer staedtetag
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► Vollversammlung des Bayerischen Städtetags:

 

Die Städte im Klimawandel

 

„Der Klimaschutz funktioniert nur mit handlungsfähigen Kommunen. Wir sind bereit, unseren Anteil zu leisten“, lautete die klare Botschaft der diesjährigen Vollversammlung des Bayerischen Städtetags in Regensburg. Wie Markus Pannermayr, Verbandsvorsitzender und Straubinger OB, vor (Ober-)Bürgermeistern und Stadträten aus über 300 bayerischen Städten und Kommunen deutlich machte, benötigten sie hierfür jedoch die Unterstützung von Bund und Freistaat. „Städte und Gemeinden brauchen rechtliche Instrumente und einen verlässlichen finanziellen Gestaltungsrahmen. Die Rahmenbedingungen, die Bund und Freistaat setzen, müssen stimmen.“

Eingang findet dieser Appell in einer von der Vollversammlung einstimmig gefassten Resolution. Darin wird die Staatsregierung aufgefordert, die Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels als kommunale Pflichtaufgabe zu begreifen und entsprechend mit staatlichen Mitteln auszustatten. Dazu gehöre zwingend, dass der Freistaat nach den Grundsätzen des Konnexitätsprinzips der Bayerischen Verfassung auch eine entsprechende Kostenfolgeschätzung vorlegt, mit dem Ziel, den Kommunen für diese Aufgaben nicht nur einzelne Förderprogramme anzubieten, sondern vielmehr eine Kostenerstattung zu gewähren.

Forderungen aus dem Vollzug von Förderprogrammen

Aus dem Vollzug von Förderprogrammen ergäben sich folgende Forderungen:

  • Die Mehrkosten für elektrisch angetriebene Kommunalfahrzeuge und Busse sowie der rechtlich selbstständigen Verkehrsgesellschaften der Kommunen sind in voller Höhe vom Bund zu bezuschussen.
  • Der Zuschuss für die Errichtung öffentlich zugänglicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge durch den Bund ist anzuheben, unabhängig davon, ob die Stationen von der jeweiligen Kommune selbst oder von Beteiligungsgesellschaften errichtet werden.
  • Bei der Förderung des Radwegebaus muss eine Kumulierung von mehreren Förderprogrammen möglich sein (z. B. BayGVFG mit Bundes-Kommunal-Richtlinie).
  • Die BEG-Förderung muss die Projektlaufzeiten kommunaler Großbauprojekte berücksichtigen und von strikten zeitlichen Umsetzungsvorgaben entkoppelt werden. Die BEG-Zuschüsse sind anzuheben. Bei einer Kumulierung mit Landesmitteln (wie z. B. Art. 10 BayFAG) ist die staatliche Zuwendungsbegrenzung auf 60 Prozent abzuschaffen.

Zur Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen für den kommunalen Klimaschutz muss nach den Vorstellungen des Bayerischen Städtetags auch ein Grüner Kommunalkredit ermöglicht werden. Dabei sollten größere Investitionen, z. B. über 100 Mio. Euro, über Green Bonds erfolgen, kleinere Investitionen über den Grünen Kommunalkredit. Somit hätten auch mittlere und kleinere Kommunen ein alternatives Finanzierungsinstrument zur Verfügung.

Notwendig sei zudem ein neues Klimaschutz- und Klimaanpassungsfinanzierungsgesetz des Bundes, das den Kommunen eine adäquate und dauerhafte Finanzierung der Maßnahmen sichert. Die Inanspruchnahme dieser Mittel müsse uneingeschränkt möglich sein und von Ausschlusskriterien, wie etwa Einwohnerzahlen oder kommunaler Finanzkraft, entkoppelt werden. Erforderlich sei auch ein konsistentes nationales Konzept zur Erreichung der Klimaziele bis 2045 (Bund) bzw. bis 2040 (Freistaat Bayern), aus dem die Rahmenbedingungen für die Kommunen sowie ihre Finanzierung deutlich werden, z. B. Verfügbarkeit von Wasserstoff, Ausbaupfade bei den erneuerbaren Energien, Umbau der Gasnetze, Verbot von Heizungen auf fossiler Basis und Ausrichtung des Rechts- und Förderrahmens hierauf.

Weiterentwicklung neuer Technologien

„Neben dem raschen Ausbau erneuerbarer Energien und der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren unter Wahrung der kommunalen Planungshoheit muss die Energiewende sektorenübergreifend betrachtet werden“, heißt es weiter. Sie beinhalte neben einer Stromwende eine Wärme- und Kältewende. Eine Schlüsselstellung nähmen der Ausbau und die Dekarbonisierung der Wärmenetze ein. Diese werde durch eine konsequente Nutzung von Abwärme sowie durch die Stärkung und Weiterentwicklung neuer Technologien erreicht. Auch Tiefengeothermie könne einen Beitrag leisten.

Investitionen in Schlüsseltechnologien

Bund und Land müssten in Schlüsseltechnologien investieren, die Investitionsrisiken besonders für Stadtwerke und kleinere Unternehmen reduzieren und die zukunftsweisende Technologie in Gesetzesvorhaben mitdenken. Daneben seien weitere Technologien wie die Kraft-Wärme-Kopplung zu stärken. Die Energieeinsparung sei wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende.

Wie Pannermayr erläuterte, bedrohe der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen: „Unsere Städte leiden unter den Folgen: Wir spüren den Klimawandel auf der Haut und erleiden Hitzestress. Trockene Sommer mit Monaten ohne einen Regentropfen lassen Grünanlagen, Spielplätze und Parks mit Bäumen verdorren.“ Auch in Bayern steigt die Gefahr von Waldbränden und sinken die Grundwasserspiegel. Die Zahl der Kommunen in Bayern, die mit Überschwemmungen, Hagelschauern und Starkregen zu kämpfen haben, wachse von Jahr zu Jahr. Unwetter könnten jederzeit die eigene Stadt oder das eigene Haus treffen.

„Wir dürfen deshalb nicht darauf warten, bis andere Maßnahmen ergreifen – wir müssen selbst handeln“, unterstrich der Vorsitzende. Jeder Mensch sei als Individuum gefordert, Städte und Gemeinden seien gefragt. Nötig sei die Bereitschaft, selbst und im Schulterschluss mit
anderen Akteuren zu handeln.

Als „Leitmotiv für Klimaschutz in Kommunen formulierte Pannermayr einen Dreiklang aus „Verändern – verstetigen – schützen“. Veränderungen führten zum Erfolg, wenn positive Effekte verstetigt und geschützt werden. Ein Weiter-so könne es nicht geben. Verstetigen bedeute, dass laufende kommunale Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimaanpassung weiterverfolgt werden. Neue Maßnahmen müssten auf Dauer angelegt sein.

Klimagerechter Städtebau

Ein Instrument für klimagerechten Städtebau ist laut Verbandschef die grüne Infrastruktur mit Parks, Bäumen, Straßengrün, Grüngürteln, begrünten Fassaden und Dächern, Friedhöfen, Kleingärten, Spielplätzen, Sportplätzen und Hinterhöfen. Hilfreich könne ein Hitzeschutz-Konzept wirken. Stadtgrün schaffe einen Beitrag für mehr Klimaneutralität, speichere CO2, mildere die Folgen von Hitze und Starkregen.

Jede Stadt ist anders, weshalb es keine „Blaupause“ für klimagerechten Stadtumbau gebe, so der Vorsitzende. Klimaschutz und Klimaanpassung funktionierten eher im Quartier als in einzelnen Gebäuden: „In historischen Altstädten mit Baudenkmälern stellen sich andere Voraussetzungen als in Wohnvierteln der 1960er Jahre. Siedlungen samt Grünanlagen ermöglichen Durchlüftung und Vernetzung von grüner Infrastruktur, woraus sich Chancen zur Speicherung von Regenwasser nach dem Prinzip der Schwammstadt bieten.“ Grüne, blaue und graue Infrastruktur müssten stärker abgestimmt werden – etwa mit der Öffnung von Stadtbächen oder der durchlässigen Pflasterung von Plätzen und Wegen, die mit Bäumen gesäumt werden.

Städte und Gemeinden benötigten wirksame Instrumente, um mit Konzepten und Investitionen konsequenter handeln zu können. Dazu zählten straffere Planfeststellungsverfahren sowie rechtssichere Anordnungsmöglichkeiten für eine solare Baupflicht. Die Instrumente für den quartiersbezogenen klimaresilienten Stadtumbau sind aus Pannermayrs Sicht unzureichend.

Konsequent klimaorientiert

So wie Städte und Gemeinden im Zuge ihrer Planungshoheit die Belange von Klimaschutz und Klimaanpassung zu integrieren haben, müssten das Bau- und Planungsrecht und seine Förderprogramme konsequent klimaorientiert ausgerichtet werden. Gemeindliche Vorkaufsrechte und das Sanierungsrecht für einen strategischen, klimagerechten Stadtumbau seien zu schärfen. Zur kleinräumlichen Regulierung des Stadtklimas sollte der Freistaat den Gemeinden ein einfaches Instrumentarium für blau-grüne Standards an Bauwerken und auf Freiflächen zur Verfügung stellen.

Über konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz in ihren Städten informierten neben Verbandschef Pannermayr seine beiden stellvertretenden Vorsitzenden, Fürths OB Thomas Jung und der Weilheimer Bürgermeister Markus Loth. Pannermayrs Fokus richtet sich unter anderem auf eine Mobilitätswende. Straubing sei dabei, den kompletten ÖPNV auf Biomethan umzustellen. Zudem soll Carsharing ein zweites Auto im Familienverbund überflüssig machen. Für Bauherren, die bei großen Projekten Carsharing-Stützpunkte einplanen, werde die Stellplatzverpflichtung gelockert und parallel dazu das Radwegenetz ausgebaut.

Fürths Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung verwies auf den dringend erforderlichen und sehr teuren Netzausbau in den Städten. Schließlich müsse neue regenerative Energie auch verteilt werden, um den allein wegen der E-Mobilität steigenden Stromverbrauch zu decken. In Fürth sei etwa auch ein neues Umspannwerk nötig, berichtete Jung.

Klimaschutzmanagement

Nach Angaben von Bürgermeister Markus Loth hat Weilheim eine Klimaschutzmanagerin eingestellt. Damit sollen innerhalb der Stadtverwaltung mehr Kooperationen einzelner Ressorts erfolgen, die Bürgerschaft eingebunden, Gewerbe, Handwerk und Industrie ins Boot geholt werden. „Jeder Ort ist anders, hat andere Voraussetzungen und Wirtschaftsstrukturen. Patentrezepte liegen nicht vor. Jeder Ort findet seinen Weg – etwa mit Carsharing, Radwegekonzepten, elektrischen Stadtbussen oder einem Energienutzungsplan“, betonte Loth. Städte könnten die Kreativität der Gesellschaft nutzen, um Strategien für eine nachhaltige Veränderung umzusetzen.

„Die Lage ist ernst: Eine drohende Gas-Triage, der Klimawandel, Krieg in der Ukraine und Corona sind historische Herausforderungen. Mit dem Spitzenniveau von 10 Mrd. Euro im kommunalen Finanzausgleich stehen wir weiter fest an der Seite der Kommunen“, erklärte Ministerpräsident Markus Söder. Klimaschutz betrachtet er als „überragende Aufgabe für die Zukunft“, die möglicherweise noch dominanter sein werde als die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine.

Auf wenig Resonanz stieß bei ihm die Idee einer weiteren kommunalen Pflichtaufgabe. „Sollen wir wirklich festlegen, dass ihr Klimaschneisen legen müsst?“, fragte Söder die anwesenden Kommunalpolitiker und warnte vor einem möglichen Einschnitt in die kommunale Selbstverwaltung. Städte und Gemeinden sollen aus seiner Sicht die Möglichkeit erhalten, beim Klimaschutz unterschiedliche Wege zu gehen.

Söder: Angebot zum Dialog

Als Angebot zum Dialog wollte Söder eine mögliche Gesprächsrunde mit Vertretern des Bayerischen Städtetags verstanden wissen. Dabei sollten zusätzliches Geld für den Klimaschutz in den Kommunen und weniger Bürokratie bei den Förderprogrammen im Mittelpunkt stehen. Eventuell müsse das Finanzausgleichsgesetz neu strukturiert werden, vielleicht bedürfe es bei der staatlichen Förderung anderer Schwerpunkte. „Kommunikation auf Augenhöhe“ laute die Devise.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion äußerten sich abschließend Umweltreferent Reiner Erben, Augsburg, Vorsitzender des Umweltausschusses des Bayerischen Städtetags, Dr. Robert Frank, Vorsitzender der VDV-Landesgruppe Bayern, Oberbürgermeister Max Gotz, Erding, Vorsitzender des Wirtschafts- und Verkehrsausschusses des Bayerischen Städtetags, Josef Hasler, Vorsitzender VKU-Landesgruppe Bayern, Dr. Simone Linke, Lehrstuhl für Energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen an der Technischen Universität München, sowie Josef Schön, Audi AG, zu diversen Aspekten des Tagungsthemas.

DK

 

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