Kommunalverbändezurück

(GZ-18-2022)
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► Jahrestagung des Deutschen Landkreistags:

 

Bayerische Anliegen an den Bund richten

Karmasin ist neuer Vizepräsident

 

Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin, seit Mai 2022 Präsident des Bayerischen Landkreistags, wurde im Rahmen der 75. Jahrestagung des Deutschen Landkreistags im brandenburgischen Neuhardenberg (Landkreis Märkisch-Oderland) einstimmig zu einem der Verbands-Vizepräsidenten bestimmt. Neu in diesem Amt sind auch die Landräte Sven Ambrosy (Landkreis Friesland) und Wolfgang Schuster (Lahn-Dill-Kreis). Wiedergewählt wurden Vizepräsident Landrat Joachim Walter (Landkreis Tübingen) sowie DLT-Präsident Landrat Reinhard Sager (Kreis Ostholstein).

Der 1996 in Fürstenfeldbruck erstmals zum Landrat gewählte Karmasin war seit 2011 bereits Vorsitzender im Verfassungs- und Europaausschuss des Deutschen Landkreistags, dem er insgesamt seit 25 Jahren angehört. Seine Wahl kommentierte er wie folgt: „Als Vizepräsident im Präsidium des Deutschen Landkreistags ist es mir besonders wichtig, unsere bayerischen Anliegen über dieses Gremium auch unmittelbar an den Bund adressieren zu können. Denn der Bund beschließt fortlaufend Regelungen, die uns als Kommunen unmittelbar betreffen und auch finanziell belasten, ohne dass wir vorab eingebunden wären. Umso wichtiger ist es, über das DLT-Präsidium beim Bund Einfluss zu nehmen.“

Menschen im Blick behalten

Wie Präsident Sager darlegte, „ist der Deutsche Landkreistag über die Jahre nicht müde geworden dafür einzutreten, dass die Politik die Menschen in den Landkreisen im Blick behält und weiter am Thema gleichwertige Lebensverhältnisse arbeitet. Eine verantwortungsbewusste und gestaltungswillige kommunale Selbstverwaltung muss auch von Berlin aus unterstützt werden. Das beginnt bei einer aufgabenangemessenen Steuerausstattung und geht bis hin zu Klimaschutz, Krisenfestigkeit und Digitalisierung.“ Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke versicherte: „Wir lassen die Kreise mit der Energiekrise und den Inflationsfolgen nicht allein. Uns ist bewusst, dass sie zunehmend finanziell belastet werden. Hier ist die Unterstützung von Bund und Ländern gefragt. Und dieser Verantwortung werden wir uns auch stellen.“

Hohes Maß an Entscheidungsfreiheit

Laut Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, setzt sich die Bundesregierung ein für leistungsfähige Kommunen mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit vor Ort: „Diese Regierung vertraut Ihnen. Ich bin zutiefst überzeugt: Nur mit starken, handlungsfähigen Landkreisen werden wir die Herausforderungen der Zukunft meistern.“

Dafür müssten im Bund die richtigen Weichen gestellt werden, so Özdemir. So sei es beispielsweise für das Gelingen der Energiewende entscheidend, dass die ländlichen Regionen auch von ihren Anstrengungen profitierten. „Beim Osterpakt zum Ausbau erneuerbarer Energien habe ich mich dafür stark gemacht, dass möglichst viel Wertschöpfung in den ländlichen Regionen gesichert wird. Klar ist: Die Stadt braucht das Land bei der Energieversorgung, aber das Land darf am Ende nicht leer ausgehen. Dazu gehört, dass die Kommunen besser an den Erträgen von bestehenden Windkraft- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen beteiligt werden und selbst entscheiden können, wo neue Anlagen ausgewiesen werden.“

Mit Blick auf die Energiewende wies Özdemir auch auf die Konkurrenz der Flächennutzung und den Flächenverbrauch hin. Die für die Energiewende unbestreitbar benötigten Flächen lägen vorwiegend in ländlichen Räumen. Aber gerade diese Flächen brauche es ebenfalls zur Ernährungssicherung, wie der Krieg in der Ukraine gezeigt habe.

Was die Unterstützung der ländlichen Regionen angeht, setze die Bundesregierung weiter auf eine gezielte Förderung für das Land, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Dafür stehe mit der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) ein Instrument zur Verfügung, bei dem der Bundesminister noch Optimierungsmöglichkeiten sieht: „Ich hoffe, dass sich noch einmal ein Fenster für eine Grundgesetzänderung öffnet, um die GAK zu einer echten Gemeinschaftsaufgabe Ländliche Entwicklung auszubauen. Aber bis dahin haben wir innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens viele Hebel, um die eigenen Kräfte ländlicher Regionen zu stärken.“ Auch bei der Förderung der ländlichen Räume müssten künftig Natur-, Umwelt- und Klimaschutz noch stärker mitberücksichtigt werden, forderte Özdemir. Daher würden die Fördermaßnahmen in der GAK jährlich aktualisiert und an Herausforderungen wie Klimakrise und Artensterben angepasst.

Unerlässliche Digitalisierung

Als unerlässlich zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bezeichnete der Minister die Digitalisierung. Sie sei als Voraussetzung für attraktive Arbeitsplätze und konkurrenzfähige Unternehmen auf dem Land absolut unverzichtbar. Zudem hänge von einer leistungsfähigen digitalen Anbindung auch eine moderne Verwaltung ab. „Flächendeckend Glasfaser und schneller Mobilfunk – das ist die entscheidende Zukunftsfrage für die ländlichen Regionen. Homeoffice braucht Breitband und gerade in Landkreisen mit großer Fläche erwarten die Bürgerinnen und Bürger zurecht, dass Verwaltungsgänge digital erledigt werden können.“ Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beteilige sich daher aktiv daran, die Gigabit-Strategie der Bundesregierung umzusetzen.

Landkreise brauchen einen verlässlichen Rahmen

Die laufende Legislaturperiode sei aus kommunaler Sicht keine einfache, hob DLT-Präsident Sager hervor: „Der Koalitionsvertrag ist kein Füllhorn von Versprechungen für die ländlichen Räume. Umso mehr müssen und werden wir dafür eintreten, dass die Stimme der Landkreise gehört, ihre Belange von der Bundespolitik ernst genommen und so die Lebenswirklichkeit für die in den Landkreisen lebenden 56 Mio. Menschen weiter verbessert und perspektivisch gesichert wird.“ Die Menschen in den Landkreisen, von denen die meisten in ländlichen Räumen leben, würden zu Recht von der Politik eine gesicherte Infrastruktur – von der Kita, Schule und medizinischen Versorgung bis hin zu schnellem Internet, öffentlichem Nahverkehr und Kultur – erwarten. „Und sie wollen einen verlässlichen Rahmen für ihre wirtschaftliche Betätigung zur Verfügung haben.“

Was nötig sei, sei angesichts der massiv gestiegenen Energiepreise eine finanzielle Absicherung des bestehenden ÖPNV: „Ohne eine so schnell wie möglich erfolgende Erhöhung der Regionalisierungsmittel wird es zu einem Rückgang des Angebots kommen. Das ist die Sorge, die uns umtreibt“, betonte Sager.

Berlin müsse auch eine Politik für die Menschen in den Landkreisen machen: „Für die ländlichen Räume ist es in dieser Legislaturperiode schwerer geworden, Mittel zu mobilisieren und Verbesserungen zu erreichen.“ Gerade in der derzeitigen weltpolitischen Situation mit vielfachen Auswirkungen auf das Leben der Menschen in den Landkreisen gehe es aber um eine Stärkung der eigenen „Krisenfestigkeit von unten“: „Das beginnt auf kommunaler Ebene, bei den Landkreisen und Gemeinden: Ihnen muss das Leben leichter und nicht schwerer gemacht werden. Aus ihnen kommt die Kraft zur Bewältigung von Corona, Katastrophen und Flüchtlingswellen. Auch das Erreichen der Klimaziele wird sehr viel besser mit der Gestaltungsfreiheit der Länder und Kommunen funktionieren. Das sorgt für Akzeptanz in der Bevölkerung und ist ein Schlüssel zum Erfolg der Energiewende“, so der DLT-Präsident.

Kommunale Strukturen zur Selbstgestaltung befähigen

Kommunale Strukturen gelte es zuerst mit allem Nötigen auszustatten, damit Selbstgestaltung, Kreativität und Engagement zur Entfaltung gelangen können. „Dabei sehen wir die gleichwertigen Lebensverhältnisse als thematische Klammer, als Richtschnur und Prüfmarke, um in Generationenthemen zu investieren.“ Zentral sei hier eine ordentliche, den Aufgaben entsprechende kommunale Finanzausstattung: „Unser Vorschlag dazu liegt seit Langem auf dem Tisch und lautet: Die Umsatzsteuer muss zwingend nach Einwohnern verteilt werden, damit gerade ländliche Gebiete die notwendigen Anpassungen der Infrastruktur bewältigen können“, stellte Sager fest.

Übergriffigkeiten des Bundes

Das Präsidium des Deutschen Landkreistages forderte den Bund auch dazu auf, mit Gesetzesvorhaben, die die kommunale Ebene kostenwirksam umsetzen muss, zurückhaltender umzugehen. Sager zufolge „stehen wir vor finanziell schwierigen Monaten. Gerade deshalb ist es an der Zeit, das ausgreifende Engagement des Bundes in Themenfeldern der Länder und Kommunen zu reduzieren. Hierbei geht es um Bereiche, die die Länder verantworten, bei denen es aber immer wieder zu Übergriffigkeiten des Bundes kommt, für die die Landkreise und Gemeinden vor Ort dann auf Dauer finanziell einzustehen haben.“

Wie der Präsident ausführte, sei es richtig, dass der Bund die Schuldenbremse künftig einhalten will. „Darin unterstützen wir ihn, um nachfolgende Generationen vor Überlastung zu schützen. Deshalb führt an einer Priorisierung kein Weg vorbei, wobei Zukunftsthemen wie Klimaschutz, Transformationsprozesse oder Breitbandausbau wesentlich sind.“ Dies bedeute aber auch, „dass bei Bildung, Kinderbetreuung, Regionalverkehr oder bei kommunalen Investitionen, wo der Bund in der Vergangenheit oft umfangreiche Vorhaben mit zeitlich begrenzten Zahlungen angeschoben hatte, die Kommunen und Länder selbst die Verantwortung tragen und darüber entscheiden müssen, was gemacht wird.“

Neue kommunale Aufgaben

Die maßgebliche Ursache für finanzielle Mehrbelastungen der Kommunen seien ausgeweitete Bundesgesetze oder sogar neue kommunale Aufgaben. „Beispiele sind die Ganztagsbetreuung oder das Bürgergeld, die vor Ort zu kommunalen Mehrbelastungen führen.“ Darüber hinaus würden immer wieder im Bund Strukturdiskussionen – zuletzt zum Katastrophenschutz – geführt, bei denen es im Kern stets um eine Schwächung der kommunalen Ebene ginge, beklagte Sager: „Vielleicht trägt das Bewusstsein um die Endlichkeit der Haushaltsmittel im Bund ja dazu bei, dass der Bund sich etwas mehr Selbstdisziplin auferlegt. Den Landkreisen könnte das durchaus helfen.“

Als zunehmend schwierigeres Unterfangen bezeichnete der DLT-Chef die Aufnahme und Unterbringung einer sehr hohen Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine, aber auch aus anderen Ländern. Vielerorts seien Kapazitätsgrenzen erreicht. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Versorgung der Flüchtlinge mit Wohnraum, aber auch die Bereitstellung von Plätzen in Kita und Schule. Bereits jetzt zeichne sich in vielen Landkreisen erneut eine Unterbringung in Turnhallen und ähnlichen Behelfsunterkünften ab. „Wir fordern deshalb keine weiteren freiwilligen Aufnahmen aus der EU sowie mehr Unterstützung von Ländern und Bund.“

In finanzieller Hinsicht unterstütze der Bund die Länder und Kommunen in diesem Jahr mit insgesamt 2 Mrd. Euro, im November 2022 werde über eine Regelung für 2023 verhandelt. „Ohne Wenn und Aber erwarten wir von den Ländern eine vollständige Kompensation der kommunalen Belastungen. Dabei können dynamisierte Bundesmittel die Länder zusätzlich unterstützen“, machte Sager deutlich.

Darüber hinaus erachtet er eine einvernehmliche Regelung zur Verstetigung der Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbezogenen Kosten sowie den Aufwendungen für Integration als dringend geboten. „Ebenso sollte der Bund rückwirkend ab dem 1.1.2022 die Unterkunftskosten sämtlicher anerkannter Flüchtlinge komplett übernehmen“, forderte der DLT-Präsident.

DK

 

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