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(GZ-23-2022)
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Städte im dauerhaften Krisenmodus

 

Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr, hat davor gewarnt, im Zuge von aktuell steigenden Energiepreisen mit gravierenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und breite Bevölkerungsschichten in Angst und Panik zu verfallen. Es sei nötig, sich sachlich mit möglichen Folgen von Ausfällen bei Strom oder Wasser zu befassen und sich gegen die Folgen von Cyber-Attacken auf kritische Infrastruktur der Daseinsvorsorge zu wappnen.

Städtetagsvorsitzender Markus Pannermayr.
Städtetagsvorsitzender Markus Pannermayr.

„Zu einer kritischen Situation“ in den Kommunen habe der anhaltende Flüchtlingszustrom geführt, machte Pannermayr deutlich. Sowohl der verfügbare Wohnraum als auch die Personalausstattung kämen an ihre Grenzen. Es sei zu befürchten, dass im Winter noch mehr Flüchtlinge aus der Ukraine kommen, weil Russland durch Angriffe auf die Infrastruktur der Bevölkerung schaden wolle.

Mehr Unterstützung für die Kommunen

Um die Herausforderungen angehen zu können, forderte der Städtetagsvorsitzende mehr Unterstützung für die Kommunen. Sein „dringender Wunsch“ sei es, dass der Bund die Kosten der Unterbringung Geflüchteter wieder voll übernimmt, wie dies bis Ende 2021 der Fall gewesen sei. Zudem müssten die Integrationsleistungen dauerhaft unterstützt werden.

Beschränken auf Weniges und Wesentliches

Vieles von dem, was in der Welt passiert, fällt laut Pannermayr auf die kommunale Ebene. Die Fülle an Fragen an Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nehme stetig zu. Träten Probleme auf, seien es die Bürger gewohnt, dass Lösungen schnell greifen. In Krisenzeiten aber müsse man damit leben, nicht für alle kritischen Lebenslagen eine passgenaue Lösung parat zu haben. „Wir müssen uns auf Weniges und Wesentliches beschränken. Wir müssen die Komplexität reduzieren. Das Vertrauen in die Arbeit der Rathäuser muss gestärkt werden, denn Vertrauen reduziert Komplexität“, so der Verbandschef.

Nicht alles müsse bis ins Detail nach einem differenzierten Auflagenkatalog geregelt, genehmigt und geprüft werden. Die Komplexität im Vergaberecht, im Datenschutz, im Denkmalschutz oder in Förderprogrammen mit all den Auflagen und Kontrollmechanismen lasse sich in der Verwaltungspraxis oft nicht mehr abarbeiten, erklärte Pannermayr. Kommunale Bauämter, Kämmereien, Jugendämter und Schulreferate stießen an ihre Grenzen.

Kommunen brauchen Kontinuität und Verlässlichkeit

Pannermayr zufolge benötigen Kommunen „Kontinuität und Verlässlichkeit“. Die kommunale Investitionskraft sollte grundlegend mit höheren Pauschalen oder Fördersätzen im kommunalen Finanzausgleich gestärkt werden, um Schulen, Kindergärten, Kindertagesbetreuung, Radwegebau und Nahverkehr als Daueraufgaben auszubauen. Dies sorge für Planungssicherheit und reduziere Bürokratie. Nötig seien klare und praktikable Regeln, die nicht ständig in Details wieder aufs Neue geändert werden.

Einige wenige Fördertöpfe genügten, wenn sie gut ausgestattet sind und eine lange Laufzeit haben. Damit wäre nicht nur den Rathäusern geholfen, sondern auch den sieben Bezirksregierungen in Bayern, von denen zu hören sei, dass auch Genehmigungsbehörden bei der Bearbeitung an Kapazitätsgrenzen stoßen.

Mit derart komplizierten kurzzeitigen Förderprogrammen und ausufernden Ausschreibungsregelungen sind die bayerischen Kommunen aus Sicht des Städtetagsvorsitzenden auch nicht in der Lage, das Megaprojekt Klimaneutralität erfolgreich zu initiieren. Städte und Gemeinden nähmen Klimaschutz ernst, hob Pannermayr hervor: „Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die vom Bund und vom Freistaat gesetzten Rahmenbedingungen müssen passen, damit Kommunen wirkungsvoll aktiv werden können.“

Auf der Grundlage einer Studie des unabhängigen Denk- und Politiklabors „Agora“ geht Pannermayr von einem Finanzbedarf der bayerischen Kommunen zur Umsetzung der erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen von 28 Milliarden Euro bis 2030 aus. Darunter fallen der Umbau der Energieversorgung, die Hebung der Energiestandards in kommunalen Gebäuden, sowie Investitionen in eine klimaneutrale Infrastruktur und in die Mobilitätswende.

„Die Bayerische Staatsregierung muss die Bewältigung des Klimawandels als kommunale Pflichtaufgabe begreifen und mit staatlichen Mitteln ausstatten“, unterstrich der Verbandschef: „Diese Forderung bleibt für die Kommunen zentral. Die Staatsregierung ist zwar im Herbst mit den kommunalen Spitzenverbänden in einen Dialog getreten. Das hat uns aber bislang noch nicht weit gebracht.“

Neue Dialogreihen und Gesprächsformate seien gut gemeint, um etwa Vollzugserleichterungen und Vereinfachungen in der Förderlandschaft zu erreichen. Die in den Dialogen mit dem Umweltministerium bislang diskutierten Fördervolumina des Programms „Klimaschutz in Kommunen“ bewegten sich allerdings in Bereichen von jährlich 3,9 Millionen Euro im Jahr 2022 und geplanten 8,9 Millionen Euro im Jahr 2023. Eine solche Summe genüge nicht einmal im Ansatz, um bei über 2.000 Städten und Gemeinden in Bayern etwas Wesentliches für den Klimaschutz bewegen zu können, stellte Pannermayr fest:

„Wir dürfen uns mit Klimaschutz nicht nur thematisch in Teilaspekten, Pilotprojekten und Teilprogrammen an der Oberfläche beschäftigen, es muss an den Kern von dauerhaften Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung gehen.“

Dabei sei es nicht ausreichend, wenn der Freistaat immer neue spezialisierte Förderprogramme auflegt, berichtete der Vorsitzende aus der Praxis:

„Das ist in Teilbereichen für Einzelprojekte hilfreich, aber letztlich wegen der kleinteiligen Förderstruktur nur jeweils ein Tropfen auf den heißen Stein. Da Richtlinien von Sonderförderprogrammen komplex sind, führt dies zu umfangreichen und langwierigen Antragsverfahren. Notwendig ist ein dauerhafter verlässlicher Finanzrahmen über feste überjährige Budgets, damit Kommunen für Klimaschutz und Klimaanpassung konsequent handeln können.“

Vielseitigkeit des gemeindlichen Wirkungskreises

Die Vielseitigkeit des gemeindlichen Wirkungskreises mache Städte und Gemeinden zu wichtigen Akteuren des Klimawandels und führe zur Verantwortung, diese Möglichkeiten mit Leben zu füllen. Dazu sei es erforderlich, den Kommunen die notwendigen Kompetenzen und Mittel zu verschaffen, etwa mit der Stärkung kommunaler Unternehmen der Daseinsvorsorge für Energieversorgung, öffentlichen Nahverkehr, Wasser und Abwasser.

„Der Klimawandel orientiert sich nicht an Gemeindegrenzen und Zuständigkeiten“, erläuterte der Vorsitzende: „Eine ganzheitliche Verantwortung können die Städte und Gemeinden daher nicht übernehmen, denn diese Aufgabe mit Vernetzung und Koordination, überörtlichen, überfachlichen und sektorenübergreifenden Zielvorgaben liegt auf staatlicher Ebene.“

Für Nachbesserungen spricht sich der Bayerische Städtetag auch beim Wohngeld-Plus-Gesetz aus, das am 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. „Das Ziel dieses Gesetzes ist aus sozialpolitischer Sicht zu begrüßen, doch leider ist es schlecht formuliert“, erläuterte Pannermayr. Bei der Umsetzung werde das Gesetz in den Wohngeldstellen erhebliche Probleme bereiten. „Ohne Änderungen werden Menschen, die berechtigt für Wohngeld wären, lange auf die Bearbeitung ihres Antrags und die Auszahlung warten müssen.“

Vorgesehen sind Leistungsverbesserungen beim Wohngeld und eine Erweiterung der Antragsberechtigten sowie eine dauerhafte Heizkomponente und eine Klimakomponente. Das Wohngeld soll Haushalte mit niedrigeren Einkommen unterstützen, um die hohen Lasten bei Mieten besser zu schultern. Bei den steigenden Heizkosten sollen Betroffene eine Entlastung erhalten. Damit dürfte sich nach ersten Schätzungen der Kreis der Berechtigten von bundesweit bislang 600.000 Haushalten auf zwei Millionen Haushalte erhöhen. In den Wohngeldstellen kreisfreier Städte und Landkreise wird zum Teil mit einer Verfünffachung der Anträge gerechnet, da sich auch viele Menschen Hoffnungen auf Entlastung machen, die nicht zum Kreis der Berechtigten zählen und deren Anträge daher bearbeitet und abgelehnt werden müssen.

Beschleunigte Verfahren

„Wir stehen erneut vor dem Problem, dass wegen der Ankündigungen von Verbesserungen die Erwartungen der Menschen hoch sind“, betonte der Verbandschef. Bisweilen liefen in den Wohngeldstellen schon seit Herbst Anfragen und Anträge auf neue Leistungen ein, obwohl das Gesetz noch gar nicht verabschiedet ist, berichtete Pannermayr aus der Praxis: „Somit stoßen hohe Erwartungen auf die Realitäten eines ungenügend formulierten Gesetzes. Leider sind bei den Gesetzesberatungen auf Bundesebene die von den kommunalen Spitzenverbänden eingebrachten Vorschläge zu einem schlankeren Vollzug der Regeln und für beschleunigte Verfahren nicht berücksichtigt worden. Am Beispiel des Wohngelds zeigt sich ein elementarer Webfehler bei der Gesetzgebung, der leider allzu oft zu monieren ist: Es gibt Probleme bei der Umsetzung, wenn Erfahrungen aus der Praxis und kommunale Anregungen nicht beim Formulieren von neuen Gesetzen berücksichtigt werden.“

Wohngeldstellen in kreisfreien Städten und Landkreisen hätten mit Personalmangel und fehlender Software zu kämpfen. Bereits jetzt seien die Ämter wegen der angespannten Personalsituation und vielfältiger Herausforderungen nach der Corona-Pandemie und mit der Unterbringung von Flüchtenden aus der Ukraine unterbesetzt. Dies sorge aktuell für lange Bearbeitungszeiten und einem Rückstau bei der Bearbeitung von Anträgen auf Wohngeld. Eine Verdreifachung der Antragszahlen sei ohne eine Aufstockung des Personals nicht zu schultern. Überdies müssten zusätzlich Büro-Räume und IT-Infrastruktur geschaffen werden. Auch fehle die Anpassung der zur Abwicklung nötigen Software-Fachverfahren, die nach Einschätzung des Städtetagsvorsitzenden wohl erst im Lauf des Jahres 2023 einsetzbar sein dürften.

Da eine schnelle Umsetzung des Wohngeld-Plus-Gesetzes aus Pannermayrs Sicht nicht möglich ist, sollte es erst zum 1. Juli 2023 in Kraft treten. Die achtseitigen Antragsformulare müssten verschlankt und das gesamte Verfahren vereinfacht werden, damit die Anträge für die Betroffenen zügig bearbeitet werden können. Die Finanzierung des zusätzlichen Personalaufwands obliege dem Freistaat Bayern.

DK

 

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