Kommunalverbändezurück

(GZ-23-2022)
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► KPV-Bundeskongress in Bochum:

 

Konzepte statt Schnellschüsse!

 

Die Kommunen sind Krisenmanager und Stabilitätsanker. Doch die schwerwiegenden Herausforderungen durch Inflation, steigende Energiepreise, unterbrochene Lieferketten, Extremwetterereignisse, Krieg und Migration können die Verantwortlichen vor Ort nicht allein lösen. Unter dem Motto „Innovative Kommunalpolitik – Neustart vor Ort“ diskutierte die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands im Rahmen ihres traditionellen Bundeskongresses in Bochum mit über 500 Teilnehmern Wege aus der Krise.

KPV-Bundesvorsitzenden Christian Haase. Bild: KPV
KPV-Bundesvorsitzenden Christian Haase. Bild: KPV

Laut dem wiedergewählten KPV-Bundesvorsitzenden Christian Haase „gelten jahrzehntelange Gewissheiten nicht mehr. In Deutschland platzt die Wohlstandsblase. Vielen wird wieder klar: Wir müssen erst etwas erwirtschaften, bevor wir es verteilen können. Da müssen wir uns als CDU/CSU klar positionieren.“ Grundlage für einen erfolgreichen Umbruch seien „Mut und Zuversicht und keine ideologischen Vorgaben aus Berlin, gepaart mit neuer Bürokratie, wie sie die Ampel anbietet“.

Bei aller Ungewissheit seien die Kommunen „das solide Fundament, auf das sich unser Land stützen und verlassen kann“, unterstrich Haase. Daher könnten Bund und Länder den Städten und Gemeinden ruhig mehr zutrauen. „Weniger Vorschriften sorgen nicht nur für effektive passgenaue Politik, die Entscheidungsmacht vor Ort stärkt auch das Vertrauen in unsere Demokratie.“

Was für die politischen Ebenen gilt, müsse auch für die Partei gelten. Die Kommunalpolitik sei die Seele der Union, bekräftigte der Chef der Bundes-KPV. Daher sei es richtig, dass auch die Partei erkannt habe, die Kommunen mehr ins Visier zu nehmen.

Ampel: Lange Liste handwerklicher Fehler

Mit Blick auf die Ampelregierung sprach Haase von einer „langen Liste handwerklicher Fehler“. Die Koalition halte leider auch nicht, was sie den Kommunen unter anderem im Koalitionsvertrag versprochen habe. Die kommunalfreundliche Politik der unionsgeführten Bundesregierungen sei erst einmal Geschichte. „Trotzdem“, so Haase, „dürfen wir uns nicht verstecken. Wir müssen deutlich machen, wo und welche Unterstützung wir brauchen.“ Probleme wie Inflation, Energiefragen oder Migration könnten die Kommunen nicht allein meistern. Die Lösungsschlüssel lägen auf anderen Ebenen. Bund und Länder müssten die Weichen richtig stellen und die Herausforderungen nicht noch größer machen.

„Unsere Kommunen brauchen ein Schutzschild, um selbst Schutzschild zu bleiben“, fuhr der Vorsitzende fort. In ihrem Leitantrag habe die Bundes-KPV 25 klare Forderungen aufgestellt, die die Kommunen als Stabilitätsanker unseres Gemeinwesens stärken.

Riesenbaustelle Finanzen

Auf die größten Baustellen eingehend nannte Haase zunächst das Thema Finanzen. Hier rechneten die Spitzenverbände für das Jahr 2022 mit einem Defizit von 5 Mrd. Euro. Die Belastungen durch Zinsen, Migration und Energiekrise seien hoch. Hinzu kämen nach wie vor neue gesetzliche Vorgaben oder Wunschprojekte der Ampelregierung, die weder nachhaltig finanziert noch mit einer ausreichenden Vorlaufzeit ausgestattet seien. Beispiel Wohngeld: „Hier werden Hoffnungen geweckt, die einfach zeitlich nicht umsetzbar sind. Das ist Realitätsverweigerung auf Kosten der Kommunen“, unterstrich der KPV-Chef. Deshalb sei jetzt der richtige Zeitpunkt, die Kommunalfinanzierung vom Kopf auf die Füße zu stellen: „weg von Förderprogrammen, die mit komplizierten Antragsverfahren unnötig Personal binden, hin zu einer angemessenen Finanzausstattung mit Beinfreiheit über die Umsatzsteueranteile“.

Unberechenbare Naturgewalten

Beim Thema Sicherheit mahnte Haase an, nicht den Blick auf den Zivil- und Katastrophenschutz zu verlieren. Gerade die Flutkatastrophe an der Ahr habe doch vor Augen geführt, dass Naturgewalten unberechenbar sind, und das Land seine Widerstandsfähigkeit stärken müsse. Der Zivil- und Katastrophenschutz benötige modernes Gerät und Ausrüstung, um im Notfall den Bürgerinnen und Bürgern schnell zur Seite stehen zu können. Auch müsse man auf Strom- oder Gasengpässe, den Ausfall kritischer Infrastruktur, immer häufiger auftretende Cyberangriffe gegen Kommunen und schließlich auch auf Bedrohungen und tätliche Angriffe auf kommunale Ehrenämtler vorbereitet sein. „Wir wollen Hass und Hetze im Netze stoppen, dafür müssen die Täter aber identifizierbar sein. Anfeindungen können Menschen vom ehrenamtlichen Engagement abhalten. Das wäre eine fatale Bankrotterklärung unseres Staatswesens“, machte Haase deutlich.

Mit Blick auf Energie und Klima bezeichnete Haase die Energiewende der Ampel als ein „planwirtschaftliches Bürokratiemonster“. „Wir dagegen wollen eine marktwirtschaftliche CO2-Abgabe. Wer viel CO2 freisetzt, muss mehr zahlen. Unkomplizierte steuerliche Sonderabschreibungen sorgen dann für die richtigen Anreize.“

Mechanismen des Marktes für Energie und Klima

Die Mechanismen der Marktwirtschaft würden auch bei der Energieerzeugung benötigt. „Wir brauchen Investitionen in jede Form der Energieerzeugung und auf allen Ebenen – ideologiefrei und an den Bedürfnissen im Land orientiert“, so der Vorsitzende. Gleiches gelte für den Klimaschutz: „Wir müssen unsere Ressourcen effizient einsetzen. Nur technologieoffen und ohne ideologische Scheuklappen können wir unsere ambitionierten Klimaziele erreichen.“ Unersetzliche Partner auf diesem Weg seien die Stadtwerke. Auch seien sie Garant für die zuverlässige Belieferung mit Strom, Gas oder Wärme als Kernelement der kommunalen Daseinsvorsorge. „Sie muss daher bei den Entlastungen des Bundes dabei sein, EU-Beihilferecht hin oder her. Auch unsere Stadtwerke müssen wir vor Ausfällen und Insolvenzen schützen. Genauso wie die Kommunen von den Strom- und Gaspreisbremsen profitieren müssen.“

Stichwort Sozialstaat: Wie Haase darlegte, „wollen wir den Menschen aus der Ukraine helfen, aber ob der direkte Zugang zum SGB II der richtige Weg ist, ist zu bezweifeln. Schließlich führe dieses Vorgehen vollkommen unbemerkt von der Ampel auch zur Unruhe unter den verschiedenen Migrantengruppen. Gleichzeitig nehme auch die Zuwanderung aus anderen Regionen wieder Fahrt auf. Mittlerweile seien in vielen Kommunen schon jetzt die Kapazitätsgrenzen erreicht.

Die mit der Flüchtlingsaufnahme verbundenen Lasten dürfen nach Auffassung der KPV am Ende nicht an den Kommunen hängen bleiben. Ob der mit den Ministerpräsidenten gefundene Kompromiss ein fauler ist, werde sich in der Praxis herausstellen, erklärte Haase. „Wichtige Punkte wie die der Integrationskosten scheinen vergessen worden zu sein. Die Länder werden die Lücken füllen müssen. Wichtig ist aber zuerst: Jeder ausgehandelte Cent gehört in den Topf der Kreise, Städte und Gemeinden.“

Bessere Infrasturktur

Was das Thema Infrastruktur anbelangt, so ist es nach Auffassung des KPV-Chefs „nicht übertrieben, wenn man behauptet: Diese Ampel-Regierung regiert gegen den ländlichen Raum.“ Der flächendeckende Ausbau mit schnellem Internet sei gestoppt worden und über die Frage der Erschließung von grauen oder sogar weißen Flecken wüchsen den kommunal Verantwortlichen nur noch graue Haare. „Wir müssen jedes Haus und jeden Hof in Deutschland erschließen. Da gibt es keine zwei Meinungen“, hob Haase hervor. Auch der Vorschlag der grün geführten Bundesnetzagentur, den ländlichen Raum beim schnellen Mobilnetz abzuhängen, passe in diese Reihe.

Gleiches Bild bei der Verkehrsinfrastruktur: Das 49 Euro-Ticket ist Haase zufolge „ein teures und noch nicht einmal ausfinanziertes Geschenk an die Städter, die auf einen dicht getakteten ÖPNV zugreifen können. Statt Subventionen für die Nutzer braucht es bessere Mobilitätsangebote in Stadt und Land. Wir brauchen keine Unterstützung bei einer Vollkaskomentalität gegen den Staat, sondern ein attraktives ÖPNV-Netz, das auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten ist.“

Sechs Fachforen

Der Kongress der Bundes-KPV bot vielfältige Gelegenheit für den Austausch von Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. So vertieften namhafte Experten im Rahmen von sechs Foren die angesprochenen thematischen Baustellen und definierten Lösungsmöglichkeiten. Während der KPV-Vorsitzende der CSU in Bayern, Landrat Stefan Rößle, dem Forum Kommunalfinanzen beiwohnte, nahm der als Beisitzer wiedergewählte Münchner Landkreischef Christoph Göbel am Forum Mobilität teil.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, nutzte die Gelegenheit für einen Meinungsaustausch mit dem Vorsitzenden der CDU, Friedrich Merz, und dem Vorsitzenden der AG Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, André Berghegger. Dabei ging es unter anderem um die aktuelle Flüchtlingssituation sowie die Wohn- und Bürgergeldreform.

Landsberg zufolge braucht es auch in der Flüchtlingspolitik mehr Realitätssinn. Die Zahl der Flüchtlinge werde wahrscheinlich noch zunehmen, die Unterbringungsmöglichkeiten seien begrenzt. „Deswegen brauchen wir schnell einen Masterplan mit einer systematischen Initiative zum Ausbau von Unterkünften durch Bund und Länder. Auch hier gilt der Grundsatz: Unsere Herzen und unsere Anteilnahme sind groß, aber unsere Möglichkeiten sind nicht unbegrenzt.“

Bereits zu Kongressbeginn hatte CDU-Chef Merz darauf hingewiesen, dass die Erneuerung seiner Partei nicht allein auf der Bundesebene vollzogen werden könne. Auch auf der kommunalen Ebene müsse der Neuaufbau gelingen. „Sonst werden wir unserem Anspruch als stärkste Partei in der Bundesrepublik nicht gerecht werden können.“

Mit Blick auf die Regierungskoalition registriert Merz eine große Nervosität, bis hin zu einem Sprachgebrauch, den man bisher nur von der extremen amerikanischen Rechten gekannt habe. Gleichzeitig stellte er aber auch klar: „Wir lassen uns durch diese Radikalisierung der politischen Sprache, an der sich bedauerlicherweise auch die FDP beteiligt, in unserer Grundüberzeugung nicht beirren.“

DK

 

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