Laut DLT-Präsident Landrat Reinhard Sager spitzt sich die aktuelle Flüchtlingssituation vor Ort weiter zu: „Die Landkreise haben bei der Unterbringung längst die Belastungsgrenze erreicht. Die Zahl der in Notunterkünften in Zelten oder Turnhallen Untergebrachten steigt weiter. Der Bund muss deshalb den weiter stattfindenden Zustrom begrenzen. Und die Länder müssen mit eigenen Einrichtungen mehr Flüchtlinge selbst unterbringen, um die kommunale Ebene zu entlasten.“ Darüber hinaus müssten die Wohnkosten für anerkannte Flüchtlinge wie bis Ende 2021 auch weiterhin unmittelbar vom Bund ersetzt werden. Dies habe Bundeskanzler Scholz den kommunalen Spitzenverbänden im April 2022 in Aussicht gestellt, passiert sei bislang aber nichts.
Die Landkreise benötigten das Geld für die Unterkunft der Geflüchteten, und zwar direkt und zu 100 Prozent. „Seit 2022 übernimmt der Bund die Unterkunftskosten von Geflüchteten im SGB II nicht mehr komplett. Dies führt bei den zuständigen Landkreisen und kreisfreien Städten zu erheblichen Mehrbelastungen. Diese Kostenlücke ist mit der Unterbringung der seit Juni in die Zuständigkeit der Jobcenter übernommenen ukrainischen Geflüchteten noch einmal größer geworden, so dass wir mittlerweile bundesweit von einem Fehlbetrag von um die zwei Milliarden Euro ausgehen. Das ist kein Pappenstiel“, machte Sager deutlich.
EU-weite Verteilung von Geflüchteten
Neben der Unterbringung von Geflüchteten würden aber auch die Beschulung, die Kita-Betreuung und die Gesundheitsversorgung immer schwieriger. „Insgesamt brauchen wir endlich wirkliche Fortschritte bei der EU-weiten Verteilung von Geflüchteten. Die Situation in den Landkreisen wird immer belastender.“
Da eine flächendeckende Krankenhausversorgung für die Landkreise oberste Priorität hat, drängt der Deutsche Landkreistag auch auf eine schnelle und komfortable Finanzausstattung der Kliniken. Der Präsident nannte es „gut, dass Bund und Länder den Gesetzentwurf gemeinsam erarbeiten wollen. Daran müssen auch die kommunalen Spitzenverbände beteiligt werden. Wir brauchen eine gute Krankenhausstruktur auch in der Fläche.
Zugleich besteht das Hauptproblem in der strukturellen Unterfinanzierung der Kliniken. Hierbei spielen die Länder die entscheidende Rolle, da sie für die Investitionsförderung verantwortlich sind. Dieser Verantwortung müssen sie stärker als bislang nachkommen.“
Diskussion über die Krankenhausfinanzierung
Mit dem Krankenhaustreffen von Bund und Ländern sei weitere Bewegung in die Diskussion über die Krankenhausfinanzierung gekommen:
„Die Reformbestrebungen von Bund und Ländern müssen in den kommenden Monaten zu guten Ergebnissen führen. Der Deutsche Landkreistag hat immer wieder deutlich gemacht, dass die finanzielle Lage vieler, auch kommunaler Krankenhäuser schlecht ist. Sie können die Preissteigerungen nicht mehr schultern. Zu begrüßen ist, dass die Übernahme von Vorhaltekosten vorgesehen werden soll. Dies greift eine Forderung des Deutschen Landkreistages auf. Die Vorschläge verteilen jedoch nur vorhandene Mittel um. Das ist nicht ausreichend. Die von der Bundesregierung angekündigten Finanzhilfen zum Ausgleich von Energiepreissteigerungen helfen zwar, können aber das Defizit infolge der Inflation nicht ausgleichen“, unterstrich Sager.
Wichtig sei, dass es im Zuge der Reform nicht zur Zentralisierung von Standorten komme. „Das würde an den Bedarfen der Bevölkerung in der Fläche vorbeigehen. Die wohnortnahe stationäre Versorgung ist für die Menschen elementar. Die Krankenhausplanung muss daher in der Hand der Länder bleiben und kann nicht mit einheitlichen Vorgaben von Berlin aus gesteuert werden.“
Auskömmliche Investitionsförderung
Darüber hinaus gehe es um eine auskömmliche Investitionsförderung, für die ebenso die Länder verantwortlich seien. Erst kürzlich habe das Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) aufbereitet, dass mehr als jedes zweite Krankenhaus für das Jahr 2023 von einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ausgehe und zunehmend Kredite aufgenommen werden müssten. Schwierig bleibe auch die Personalsituation in den Kliniken, vor allem in der Pflege. „Das Risiko für die Versorgung wird mehr und mehr sichtbar“, betonte der DLT-Präsident.
Auch bei der Umsetzung des neuen Wohngeldes stehen die 294 Landkreise wegen der vom Gesetzgeber kurzfristig beabsichtigten Verdreifachung der anspruchsberechtigten Haushalte vor immensen Herausforderungen. Die Politik hätte für die Reform aus Sagers Sicht einen längeren Vorlauf einplanen können und müssen.
„Es wird in den ersten Monaten deutlich stocken, so dass die Menschen nicht so schnell ihr Wohngeld bekommen werden. Wir haben uns im Gesetzgebungsverfahren für einfachere Regelungen eingesetzt – dem ist die Politik aber nicht ausreichend gefolgt.“
Bund und Länder müssten nun die Verwaltungsvorschriften zumindest so ausgestalten, dass Wohngeld leichter beantragt und bewilligt werden könne.
„Es fehlt den kommunalen Wohngeldstellen an zusätzlichem Personal, das für die Umsetzung der Reform erforderlich ist. Außerdem konnten die Länder die Software noch nicht überall an die neue Rechtslage anpassen“, fuhr der Präsident fort.
„In Anbetracht dieser ungünstigen Rahmenbedingungen unternehmen die Landkreise alles, um das Gesetz so gut es geht umzusetzen, wenngleich auch in günstigen Fällen mit Bearbeitungszeiten von mehreren Monaten zu rechnen ist.“
Zusatzbelastung für Jobcenter
Daneben würden die Wohngeldstellen von den Jobcentern unterstützt, indem anspruchsberechtigte Personen nicht mehr verpflichtend auf das eigentlich vorrangige Wohngeld verwiesen würden.
„Die Jobcenter beraten, aber natürlich nach wie vor umfassend, vor allem dann, wenn ein höherer Wohngeldanspruch zu erwarten ist als dies beim Bürgergeld der Fall wäre. Die gesetzliche Übergangslösung, die der Entlastung der Wohngeldstellen dient, belastet die Jobcenter zusätzlich, denn sie sind mit den Geflüchteten aus der Ukraine, der Energiekrise und der Einführung des Bürgergeldes ohnehin
schon an der Belastungsgrenze.“
In Sachen Deutschlandticket haben die Landrätinnen und Landräte den Bund aufgefordert, eine Nachschusspflicht für den Fall zuzusagen, dass die Kosten über die veranschlagten drei Mrd. Euro hinausgehen. Wie Sager erläuterte, hätten die Länder bereits ihrerseits eine solche Zusage gegeben. Außerdem müssten die Regionalisierungsmittel an die Länder kurzfristig um zusätzliche 1,65 Mrd. Euro erhöht werden. Es gehe um eine zügige und verlässliche finanzielle Perspektive für den Ausbau- und Modernisierungspakt und seine ambitionierten Ziele.
Attraktive Tarife für attraktiven ÖPNV
Sager wies auf die wachsenden Bedarfe aufgrund des geplanten Ausbau- und Modernisierungspakts hin. Zu einem attraktiven ÖPNV gehörten zwar auch attraktive Tarife, „in erster Linie müssen aber die Bestandsverkehre finanziell abgesichert und darauf aufbauend das Angebot ausgebaut werden. Das dient dem Interesse des Klimaschutzes und gleichwertiger Lebensverhältnisse. Auch in der Fläche sollte der öffentliche Nahverkehr mehr und mehr zu einer alltagstauglichen Mobilitätsalternative werden. Daher sei es nötig, für den Pakt schon in diesem Jahr eine verlässliche finanzielle Perspektive zu schaffen.
„Die anlässlich der Ministerpräsidentenkonferenz vom 2.11.2022 in Aussicht gestellten zusätzlichen Mittel ab 2025 können aufgrund der Planungsvorläufe und der Dauer entsprechender Ausschreibungsprozesse von zumeist mehr als zwei Jahren nicht vor 2027 auf Straße und Schiene ankommen. Der notwendige Beitrag zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse und zur Erreichung der Klimaschutzziele 2030 würde damit in weite Ferne rücken. Das wollen wir nicht“, unterstrich Sager.
Mit Blick auf das zum 1.4.2023 einzuführende Deutschlandticket gab er erneut zu bedenken, dass günstige Tarife allein ein unzureichendes Angebot nicht ersetzen könnten. Auch erhöhe das Deutschlandticket den Zuschussbedarf der kommunalen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen und nehme ihnen gleichzeitig die Möglichkeit, Kostensteigerungen über Tariferhöhungen weiterzugeben. Damit würden bestehende Refinanzierungsmechanismen ausgehebelt und das volle Kostenrisiko bei den Kommunen abgeladen. Deshalb müsse durch eine Nachschusszusage auch des Bundes sichergestellt werden, dass sämtliche Kosten aus der Einführung des Tickets von Bund und Ländern dauerhaft getragen werden.
DK
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