Kommunalverbändezurück

(GZ-4-2023)
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► Bayerischer Landkreistag:

 

Landkreise an der Belastungsgrenze

Schnelles Handeln in Sachen kommunale Flüchtlingsaufnahme bzw. eine gänzlich neue Herangehensweise an eine etwaige Strukturreform der Krankenhäuser sind aus Sicht des Bayerischen Landkreistags unverzichtbar. Wie Verbandspräsident, Landrat Thomas Karmasin (Fürstenfeldbruck) im Rahmen einer Präsidiumssitzung darlegte, übertreffe der Zustrom von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und Asylsuchenden aus anderen Ländern die Zahlen aus der letzten Flüchtlingswelle 2015. Die Unterbringung neu ankommender Flüchtlinge sei in den Landkreisen kaum mehr leistbar, die Ressourcen schlichtweg erschöpft.

Nach Angaben von Innenminister Herrmann sind derzeit im Freistaat mehr als 170.000 Menschen in „öffentlich gesteuerten Einrichtungen“ untergebracht – 15.000 mehr als zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015. 2022 habe Bayern aus Landesmitteln 1,5 Milliarden Euro für Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen aufgewendet, von denen der Bund nur knapp eine halbe Milliarde Euro getragen habe. Inzwischen beherberge der Freistaat mehr Flüchtlinge aus der Ukraine als ganz Frankreich.

Bund und EU in der Pflicht

Mehrfache Versuche der Kommunen, den Bund und die EU mit ins Boot zu holen, blieben bisher weitgehend unbeachtet, moniert der Bayerische Landkreistag. Dabei ist eine Lösung aus Sicht der Kreischefs nur durch schnelles Handeln der EU möglich. „Menschen, die vor einem Krieg flüchten und deren Leben in der Heimat bedroht ist, müssen in Europa Schutz finden können. Menschen, die von vornherein keine Bleibeperspektive haben, müssen aber bereits an den EU-Außengrenzen abgewiesen werden. Dafür muss die Europäische Union ihre Außengrenzen wirksam sichern. Zudem muss die EU verbindliche Verteilungsquoten für die Mitgliedstaaten festlegen. Und schließlich sollten die Asylverfahren und die Asylleistungen in allen Mitgliedstaaten wenigstens ähnlich aussehen. Die Herausforderung muss von denen geregelt werden, die es regeln können“, unterstrich Präsident Karmasin.

Ohne eine spürbare Begrenzung des ungesteuerten Zugangs vor Ort wird aus seiner Sicht die Integration auf kommunaler Ebene scheitern. Die Kapazitäten für die Unterbringung von Geflüchteten, die Ressourcen für die soziale Betreuung sowie die notwendigen Plätze für Kinder in Kindertageseinrichtungen und Schulen seien nahezu erschöpft.

Keine Migration aus wirtschaftlichen Gründen

Entscheidend werde es in Zukunft auf eine überzeugende Entwicklungspolitik der Europäischen Union ankommen. Die Situation in den Herkunftsländern, insbesondere den afrikanischen Staaten, müsse so stabilisiert werden, dass Migration aus wirtschaftlichen Gründen kein Ziel mehr sein muss.

Kritik übt der Kommunalverband auch am Vorschlag des Bundes für eine Reform des Krankenhauswesens, würde doch das favorisierte Stufenmodell im Flächenland Bayern die Sicherstellung der medizinischen Versorgung erschweren. Um als wohnortnahe Klinik mit Zukunftsperspektive eingestuft zu werden, wären schließlich Voraussetzungen zu erfüllen, die nicht die Gegebenheiten im ländlichen Raum widerspiegeln, heißt es.

Folgenabschätzung der Krankenhausreform

Mittlerweile liegt auch eine Expertise des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege zur Folgenabschätzung der Krankenhausreform auf die Versorgungsstruktur in Bayern vor. Das Gutachten hat ermittelt, was passieren würde, wenn die bislang bekannten Reformvorschläge umgesetzt würden. Es kommt zu dem Schluss, dass 53 der rund 400 bayerischen Krankenhäuser (13 Prozent) durch die Reformpläne auf das sogenannte Level II herabgestuft würden. Das bedeutet, sie könnten künftig nur noch eine ambulant-stationäre Basisversorgung anbieten, zum Beispiel bei Diabetes- oder Kreislaufproblemen. An diesen Häusern könnten keine Notfallversorgung und keine reguläre stationäre Versorgung mehr stattfinden.

Schlechteres Angebot durch Berliner Pläne

Laut Minister Holetschek wären mehr als 50 Krankenhäuser in Bayern keine vollwertigen Krankenhäuser mehr, wenn der Bund die bislang bekannten Pläne umsetzen würde. Auch bei Häusern mit einem breiteren Versorgungsangebot würde sich das Angebot nach den Berliner Plänen verschlechtern. Knapp 100 Krankenhäuser würden künftig nur noch eine stationäre Basisversorgung anbieten. Zahlreiche andere, auch in der Fläche relevante Angebote, fielen nach der Konzeption des Bundes an diesen Häusern weg, ein besonders gravierendes Beispiel sei die Geburtshilfe.

Gefährdet wäre auch die Versorgung bei einem Schlaganfall. Gerade auf dem Land sei diese in telemedizinischen Netzwerken in Bayern bislang sehr erfolgreich. Auch am Beispiel der Intensivmedizin belege das Gutachten die große Gefahr einer Ausdünnung der Versorgungsangebote.

Zukunftsfähige Wege für die medizinische Versorgung

„Die derzeitige Situation ist personell und finanziell schwierig. Verstärkt wird das Ganze durch Inflation und Energiekosten. Wir brauchen eine Reform, die diese Herausforderungen beantwortet und zukunftsfähige Wege für die medizinische Versorgung aller Menschen im Land aufzeigt. Die vom Bund vorgelegten Strukturüberlegungen würden die medizinische Versorgung in der Fläche gefährden“, machte Landkreistagschef Karmasin deutlich und ergänzte: „Die Rolle unserer Krankenhäuser bei der medizinischen Flächenversorgung ist weit größer als auf den ersten Blick ersichtlich. Es geht nicht nur um das Behandlungsspektrum in den Häusern an sich. Sie sind auch zentral für die Pflegeausbildung und die ärztliche Weiterbildung im ländlichen Raum. Sie sind essenziell für eine ausreichende Notarztversorgung, da sie vielfach die Notärzte stellen. Mit Blick auf das Ausscheiden der Babyboomer-Generation müssen sie vieles im niedergelassenen Bereich auffangen.“

Finanzielle Unterstützung für den Transformationsprozess

Nach Holetscheks Auffassung können die Krankenhäuser ohne finanzielle Unterstützung den notwendigen Transformationsprozess nicht bewältigen. „Umverteilungen im System reichen nicht, wir brauchen frisches Geld – für die Reform, aber auch schon zuvor zur Beseitigung der systematischen Unterfinanzierung der Krankenhäuser. Man sollte daher den Vorschlag von Professor Christian Karagiannidis (Mitglied des Expertenrats der Bundesregierung) prüfen, einen Strukturfonds über 100 Milliarden Euro einzurichten, denn sonst laufen wir Gefahr, dass einige Kliniken die Strukturreform gar nicht mehr erleben.“

Auch mahnte der Minister Korrekturen und Vereinfachungen bei den Voraussetzungen der sogenannten Level und den am jeweiligen Level möglichen Leistungsgruppen sowie Öffnungsklauseln für die Länder an. „Ich werde es nicht hinnehmen, wenn die Planungshoheit der Länder durch die Reform ausgehebelt wird. Notfalls bin ich auch bereit, dafür nach Karlsruhe zu gehen und vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen“, stellte Holetschek klar.

DK

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