(GZ-7-2023) |
► Präsidiumssitzung des Deutschen Städtetags: |
Flüchtlingskrise und Kinderarmut bekämpfen |
Die Entlastung der Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten darf aus Sicht des Deutschen Städtetags nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden. Viele Kommunen kämen zunehmend an ihre Grenzen. Bund und Länder seien jetzt in der politischen Verantwortung. Verbandspräsident Markus Lewe forderte nach einer virtuellen Sitzung des Präsidiums „ein dauerhaftes Konzept statt immer neuem Verhandlungs-Ping-Pong“.
Für Lewe kommt das Bund-Länder-Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Mai sehr spät. Jeder Tag ohne klare Zusagen, auch finanzielle, bringe die Städte weiter in Bedrängnis. Mehr finanzielle Unterstützung für die Kommunen sei zwar wichtig, jedoch werde Geld allein den Städten bei den aktuellen Herausforderungen nicht helfen. Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine habe gezeigt, dass sich die Zahl von Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, schnell und dynamisch entwickeln kann.
Es geht um viel mehr
Der Präsident plädierte für ein umfassendes und dauerhaft gültiges Konzept für die Unterbringung, aber auch für die Integration von Geflüchteten. Kurzfristig eine Unterkunft für immer mehr Schutzsuchende zu finden, sei schon eine große Herausforderung. Es gehe aber um viel mehr. Es gehe um Kita- und Schulplätze, Wohnraum, Personal in den Ausländerbehörden, Personal für Integrationsaufgaben. „Diese Integrationskosten sind bei den Geldern, die von Bund und Ländern bei den Städten ankommen, bisher mit keinem Cent eingepreist“, machte Lewe deutlich.
Bundesregierung muss zusätzliche Zusagen machen
Nach seinen Worten „können wir keine weiteren kommunalen Flächen oder Gebäude für die Unterbringung mehr aus dem Hut zaubern. Die Länder müssen deshalb ihre Aufnahmekapazitäten deutlich ausbauen und dauerhaft vorhalten. Aber auch der Bund muss in einem abgestimmten Konzept mit Ländern und Kommunen eigene Unterbringungskapazitäten zur Erstaufnahme aufbauen. Außerdem wissen wir jetzt schon, dass die im vergangenen Jahr zugesagten Mittel des Bundes von 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchteten aus der Ukraine und die Verstetigung der allgemeinen flüchtlingsbezogenen Pauschale von 1,25 Milliarden Euro für dieses Jahr nicht reichen werden. Die Städte benötigen dringend zusätzliche finanzielle Zusagen der Bundesregierung.“
Planungssicherheit unabdingbar
„Wir brauchen Planungssicherheit“, erklärte Lewe. Deshalb sei es gut, dass die Ministerpräsidentenkonferenz vereinbart habe, mit dem Bund über ein Finanzierungsmodell zu sprechen, das sich den steigenden Flüchtlingszahlen anpasst und bis Ende 2021 galt: Im sog. Vier-Säulen-Modell gab es vom Bund neben der vollständigen Übernahme der Kosten der Unterkunft auch eine Pauschale für flüchtlingsbezogene Zwecke, Mittel für unbegleitete minderjährige Geflüchtete und eine 670-Euro-Pro-Kopf-Pauschale. Dieses Modell hat sich aus Sicht des Deutschen Städtetags grundsätzlich bewährt.
Nicht zuletzt müsse auch die Verteilung der Geflüchteten und Asylsuchenden in Europa besser gelingen, wie Markus Lewe ausführte: „Unser Appell an die Bundesregierung ist klar: Wir brauchen in dieser Frage endlich feste Vereinbarungen auf europäischer Ebene für eine faire Verteilung. Auch das würde die Städte in Deutschland entlasten.“
Meilenstein gegen Kinderarmut
Darüber hinaus riefen die Städte die Ampel-Koalitionäre dazu auf, sich sehr bald über die Kindergrundsicherung zu verständigen und damit Kinderarmut wirksam zu bekämpfen. Laut Verbandsvizepräsident Burkhard Jung „soll die neue Kindergrundsicherung zum Meilenstein gegen Kinderarmut werden. Das ist richtig und wird von den Städten unbedingt unterstützt.
Wir brauchen Chancengerechtigkeit für alle Kinder. Es muss für jedes Kind möglich sein, gut ausgestattet die Schule zu besuchen, gemeinsam mit Gleichaltrigen Sport zu treiben, Theater zu spielen oder bei Vereinen mitzumachen.“
Tatsächlich lebt etwa jedes fünfte Kind in Familien mit Armutsrisiko und ist von sozialen Transferleistungen abhängig. Seit Corona ist die Benachteiligung von armen Kindern noch offensichtlicher geworden. Die Lösung liegt nach Jungs Auffassung nicht in einem weiteren Förderprogramm, „sondern wir brauchen eine Familienunterstützung aus einem Guss. Dieses Versprechen der Ampel muss jetzt konkret werden, damit das neue System bis 2025 kommen kann.“
Überforderung durch aktuelle Preissteigerungen
Die Kinderarmut steigt gerade in den Städten immer weiter an. Besonders Familien mit geringen Einkommen, Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose sind angesichts der aktuellen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln überfordert. Deshalb muss das Gesetz für die Kindergrundsicherung sehr bald auf festen Füßen stehen.
Bei der Kindergrundsicherung wird es neben einem Basisbetrag für alle Kinder und Jugendlichen einen einkommensabhängigen Zusatzbetrag für hilfebedürftige Familien geben. Deshalb müssen viele Ämter und Behörden zusammenarbeiten, damit bisherige Zahlungen zusammenfließen können. Dazu gehören Kindergeld, Kinderzuschlag und Regelleistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII. Und es wird laut Deutschem Städtetag Schnittstellen geben müssen zum Unterhaltsvorschuss, zum Wohngeld und zum Jobcenter.
Einfache Antragstellung
Jung zufolge brauchen einkommensarme Familien Unterstützung, die verlässlich und einfach zu beantragen ist. „Es ist richtig, das bisherige Zuständigkeitsdickicht zu lichten und den Familien das Beantragen der familienunterstützenden Leistungen zu erleichtern.“ Die Kindergrundsicherung als reine Geldleistung sollte bundeseinheitlich und unbürokratisch aus einer Hand durch die Bundesverwaltung ausgezahlt werden. Zudem müsse sie einfach, verständlich und online zu beantragen sein, damit sie alle Familien erreicht und unnötige Bürokratie in der Verwaltung überflüssig wird.
Soziale Infrastruktur vor Ort
Genauso wichtig für eine gute Bildungskarriere von Kindern und Jugendlichen sei die soziale Infrastruktur vor Ort, machte der Städtetags-Vizepräsident deutlich: „Die Städte sorgen schon heute für die soziale Infrastruktur, um Kinder und Jugendliche zu fördern: in Kita und Schule und mit weiteren Bildungsangeboten, in der ambulanten und stationären Jugendhilfe, Jugendtreffs und Sportvereinen. Kinder können auf städtischen Spiel- und Sportplätzen toben und sich bewegen, ins Schwimmbad gehen oder die Bibliotheken nutzen. In den Jobcentern gibt es Beratungsstellen für Jugendliche beim Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf.“
In Krisensituationen erhielten Kinder und Jugendliche und ihre Eltern Hilfe und Unterstützung vor Ort. Vor allem in der Kindertagesbetreuung und der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder gebe es jedoch noch erheblichen Ausbaubedarf, der die Kommunen extrem fordert, monierte Jung. „Für diese gesamtgesellschaftlichen Aufgaben müssten sie als verantwortlicher Jugendhilfeträger stärker in die Verabredung strategischer Ziele zwischen Bund und Ländern eingebunden und dann auch besser finanziell unterstützt werden.“
DK
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