(GZ-8-2023) |
► LAGFA-Fachtag „Pflege und Ehrenamt“: |
Nachhaltige Pflegestruktur im Blick |
Wie kann Altern angesichts des demographischen Wandels für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen lebenswert gestaltet werden? Was kann bürgerschaftliches Engagement dazu beitragen, und welche Rollen spielen dabei Freiwilligenagenturen, Freiwilligenzentren und Koordinierungszentren für bürgerschaftliches Engagement? Diese Fragen wurden jüngst bei einer virtuellen Tagung der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (lagfa) bayern, diskutiert.
Die lagfa bayern e.V. dient als Dachorganisation der Freiwilligenagenturen (FA), Freiwilligenzentren (FZ) und Koordinierungszentren für bürgerschaftliches Engagement (KoBE) und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Zudem stärkt der Zusammenschluss die kommunale Infrastruktur zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements.
Wohlfahrtspluralismus
„In allen Diskussionen über bürgerschaftliches Engagement in der Pflege wird auf den Welfare Mix oder Wohlfahrtspluralismus zugegriffen. Es wird von einem Hilfe- oder Pflegemix gesprochen: Profis und Freiwillige ergänzen sich und ergänzen ihrerseits die sogenannte informelle Pflege, also die Pflege, die innerhalb von Familie, im Freundeskreis und Nachbarschaften geleistet wird“, betonte Achim Uhl, Leiter des Landesamtes für Pflege. Nach seinen Worten „hört Engagement dort auf, wo professionelle Pflege beginnt“. Medizinisch-pflegerische und grundpflegerische Aufgaben zählten nicht zum Engagement, erläuterte Uhl.
Tragende Säule Familie
Richtet man den Blick auf die Pflege und die Unterstützung einer älter werdenden Gesellschaft, wird Uhl zufolge schnell deutlich, dass der überwiegende Anteil der Leistungsempfänger in Bayern in privaten Haushalten lebt. Die tragende Säule der Pflege in Bayern sei also die Versorgung innerhalb der Familie oder durch nahestehende Menschen. Hinzu kämen Personen, für die überwiegend in einem Mix aus informeller und professioneller Pflege im häuslichen Umfeld gesorgt wird.
Damit im Freistaat eine nachhaltig gelingende Pflegestruktur gestaltet werden kann, sei ein ausgewogener Versorgungsmix, der sich an den Bedürfnissen der pflegebedürftigen Menschen orientiere, unumgänglich, unterstrich Uhl: „In diesem Versorgungsmix muss sichergestellt werden, dass sowohl die Ressourcen professionell als auch informell Pflegender – und dabei auch freiwillig Engagierter – zum Wohle der pflege- und hilfebedürftigen Menschen eingesetzt werden. Nebenberufliche Tätigkeitsformen mit einem begrenzten Honorar sind unter verschiedenen Gesichtspunkten sehr wertvoll. Die ‚stundenweise‘ entgoltene Tätigkeit sollte als bezahlte, gemeinwohlorientierte Tätigkeit, als bezahlte ‚Bürgerhilfe‘ ihren Platz im Hilfemix bekommen, aber nicht als ‚bürgerschaftliches Engagement‘ bezeichnet werden.“
Positionspapier
Welche Rolle dabei die FA/FZ/KoBE spielt und wo genau die Chancen und Grenzen liegen, wurde beim Fachtag gemeinsam mit den Teilnehmern und weiteren Experten erörtert. Zudem wurde der erste Entwurf eines Positionspapiers vorgestellt, den die lagfa bayern e.V. zu diesem Thema derzeit erarbeitet.
„Wenn bürgerschaftliches Engagement einen wesentlichen Beitrag in lokalen Sorgestrukturen leisten soll und FA/FZ/KoBE eine entscheidende Rolle dabei übernehmen sollen, dann müssen auch die Voraussetzungen und die Ressourcen für diese Arbeit sichergestellt sein“, heißt es darin. Als Grundlage dafür dienten folgende Voraussetzungen:
- Es braucht einen gemeinsamen Konsens über die Definition von bürgerschaftlichem Engagement mit seinen Chancen und Grenzen.
- Es müssen klar definierte Inhalte und Aufgaben (Einsatzbereiche) für Engagierte vorliegen, die dem gemeinsamen Verständnis von bürgerschaftlichem Engagement entsprechen.
- FA/FZ/KoBE können die beschriebenen Aufgaben umsetzen, wenn sie dafür die nötigen finanzielle und fachlichen Ressourcen erhalten. Auch unbürokratische Finanzierungsmöglichkeiten für eine professionelle Freiwilligen-Koordination in Engagementprojekten sollten gegeben sein.
- FA/FZ/KoBE sollen als Partner anerkannt und in lokale Netzwerke der sorgenden Gemeinschaften eingebunden werden.
- Es braucht eine gesicherte langfristige finanzielle Perspektive für die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement, die über eine Anschubfinanzierung hinausgeht (wie z.B. befristete Förderung für Aufbau von Nachbarschaftshilfen).
Im Rahmen von Workshops wurden die Inhalte des Positionspapiers diskutiert. In der Arbeitsgruppe „Perspektiven von Engagement in sorgenden Gemeinschaften – Mehrwert und Grenzen“ wurde der Blick der Teilnehmer zu Beginn auf die aktuellen Herausforderungen in der Pflege, auf die Rolle der Kommunen sowie auf die Strategie „Gute Pflege. Daheim in Bayern“ gerichtet. Das im vergangenen Jahr gemeinsam mit Experten der bayerischen kommunalen Spitzenverbände sowie der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen in Bayern entwickelte Strategiepapier enthält Empfehlungen, wie Strukturen im sozialen Nahraum als Lebenswelt älterer Menschen auf- und ausgebaut werden können. Der Hilfemix wird sich vor dem Hintergrund des demographischen und gesellschaftlichen Wandels verändern. Daher müssen bedarfsgerechte, regional differenzierte und niedrigschwellig zugängliche pflegerische Sorgestrukturen aufgebaut werden und soziale Nahräume zu sorgenden Gemeinschaften weiterentwickelt werden.
Gesellschaftliche Teilhabe
„Mir ist es wichtig zu betonen, dass bürgerschaftliches Engagement keine Lücken in der fachpflegerischen Versorgung schließen soll – vielmehr kann bürgerschaftliches Engagement einen wertvollen Beitrag leisten, ältere und pflegebedürftige Menschen in der gesellschaftlichen Teilhabe zu unterstützen“, erklärte Julia Lenhart vom Landesamt für Pflege. Um eine nachhaltige Versorgung sicherstellen zu können, müsse die professionelle Versorgung mit informellen Helfern wie An- und Zugehörigen, bürgerschaftlichen Engagement und weiteren Netzwerken und Akteuren vor Ort enger verzahnt werden. Dabei gelte es, die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu definieren und es brauche einen Konsens über die Chancen und Grenzen.
DK
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