(GZ-10-2023) |
► bvse-Branchenforum 2023 in Hamburg: |
Kompass für stürmische Zeiten |
Über zukunftsfähige Lösungsansätze, die die Elektro(nik)-/Schrottrecycling-Branche sicher durch die aktuelle Sturmflut an Gesetzen und den Turbulenzen in Lieferketten und auf Rohstoffmärkten navigieren, wurde beim bvse-Branchenforum in Hamburg diskutiert.
Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse-Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung, machte vor den Teilnehmern des 21. Elektro(nik)-Altgerätetages deutlich, dass sich die Branchenunternehmen anspruchsvollen Herausforderungen zu stellen haben. Exemplarisch nannte er die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise, komplizierte und langwierige Genehmigungsverfahren und den Fachkräftemangel in fast allen Tätigkeitsbereichen. „Unsere Branche versorgt große Industriebereiche mit den notwendigen Sekundärrohstoffen. Wenn es um Rohstoffverfügbarkeit geht, sind wir ein wichtiger Partner. Inzwischen haben die meisten verstanden, dass es in Zukunft ohne Kreislaufwirtschaft in Deutschland und Europa nicht gehen wird“, betonte Rehbock.
Erfahrungen aus der Praxis
Inzwischen habe der Prozess zur Formulierung einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie begonnen. Der bvse begrüße dieses Vorhaben ausdrücklich und bringe sich aktiv in verschiedene Dialoggruppen ein. Skeptisch beurteilt Rehbock freilich den Umstand, dass verschiedenste Interessengruppen, Kirchen und NGOs mit am Tisch säßen: Die große Frage sei, ob hier „etwas Vernünftiges herauskommt“. Der bvse werde seine Expertise jedenfalls in die Dialoggruppen einbringen: „Wir als Praktiker können für die verschiedenen Stoffströme deutlich machen, woran es hängt, was verbessert werden muss.“
E-Schrott-Recycling
Als wesentlich bezeichnete der Hauptgeschäftsführer, auch mit Blick auf das E-Schrott-Recycling, dabei das Design for Recycling. Ein weiteres Augenmerk sollte laut bvse auf einfachere und schnellere Genehmigungsverfahren für Recycling- und Entsorgungsanlagen gelegt werden. „Wir müssen alles darauf ausrichten, den maximalen Nutzen der Kreislaufwirtschaft zu generieren. Wenn wir aber mit unseren Genehmigungsverfahren so weitermachen, wird das überhaupt nichts in Deutschland“, monierte Rehbock. Gerade erst habe der Recyclingverband zu einem Gesetzentwurf zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Verfahren Stellung genommen. In diesem Gesetzentwurf wird vorgeschlagen, dass die Möglichkeit bestehen soll, auf Kosten des Antragstellers einen Verwaltungshelfer zu beschäftigen. Aus Rehbocks Sicht verfolgt diese Regelung nur den Zweck, die Behörde zu entlasten und die Kosten für die Tätigkeit der Behörden auf den Vorhabenträger abzuwälzen.
Genehmigungsverfahren effizient bearbeiten
Der Hauptgeschäftsführer kritisierte, dass Genehmigungsverfahren ohne diverse Gutachter nicht mehr möglich seien. Die Behörden sähen sich außer Stande, aus eigener Kompetenz Genehmigungen auszusprechen. Sinnvoller dürfte es daher sein, dass die politisch Verantwortlichen dafür Sorge tragen, kompetentes Personal in den Behörden weiter aufzustocken, damit diese in der Lage sind, Genehmigungsverfahren effizient zu bearbeiten. Neben der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie beschäftigt sich die Branche überdies mit neuen Initiativen der Europäischen Union. Erhöht werden soll die Versorgungssicherheit bei wichtigen Industrierohstoffen, um sich aus Abhängigkeiten zu lösen, so der bvse-Hauptgeschäftsführer. Bereits in Arbeit befinde sich ein Gesetzentwurf, der „Raw Material Act“.
Kritische Rohstoffe
„Für unsere Branche wesentlich ist das Ziel, dass 15 Prozent des EU-Jahresverbrauchs an kritischen Rohstoffen zukünftig aus dem Recycling gedeckt werden sollen“, informierte Rehbock. Aufgrund technischer und ökonomischer Grenzen sei das heutige Recycling auf die großen Metall- und Edelmetallstoffströme fokussiert, die den Materialwert der Geräte bestimmen. Für das Recycling müsse das komplexe Gemisch der verschiedenen Werkstoffe getrennt werden. Diese Werkstofftrennung mit qualitativ guten Ergebnissen durchzuführen, stelle jedoch erhebliche Ansprüche an technologische Lösungen. „Daher sind die EU-Mitgliedstaaten nun gefordert, erhebliche Anstrengungen in Forschung und Entwicklung zu unternehmen, denn die Herausforderungen der Zukunft werden insbesondere in der Weiterentwicklung von Verfahren zur erhöhten Ausbeute seltener Metalle bestehen“, machte Rehbock deutlich.
Im bvse-Forum Schrott ging es insbesondere um den von der Europäischen Union eingeschlagenen Weg in eine in eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft. Die deutschen Hüttenwerke versuchen, ihre Produktion klimaneutraler zu gestalten, was eine erhöhte Schrottnachfrage zur Folge haben wird. Denn CO2-Einsparungen sind durch nichts schneller und günstiger zu realisieren als über den Schrotteinsatz.
Wie Sebastian Will, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied beim bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, feststellte, „ist dieser Weg unumkehrbar und der Transmissionsprozess schreitet voran. Wir nehmen jedoch bisher nur wahr, dass die Branchenunternehmen vor allem zunehmendem Dirigismus in der europäischen und deutschen Gesetzgebung unter dem Deckmantel des Umweltschutzes ausgesetzt sind. Auch dieser Herausforderung müssen und werden wir uns stellen.“
Will wies zudem darauf hin, dass der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine seit Februar 2022 für die Schrottbranche vieles verändert und manche Entwicklungen verschärft habe. Lieferketten seien unterbrochen worden (Stichwort Halbleiter und Kabelbäume). Auch mussten neue Lieferketten aufgebaut und neue Rohstofflieferanten gefunden werden.
Branche mit Sorgenfalten
Das Präsidiumsmitglied stellte fest, dass der Ausstieg aus der fossilen Energienutzung hierzulande durch den Krieg noch schneller vollzogen werde. Es sollte aber klar sein, dass die Energiebeschaffung und die Energiepreise die Schlüsselfaktoren für Wirtschaftswachstum und den politisch gewollten raschen Umbau zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sind. Dabei habe die Branche mit großen Problemen zu kämpfen.
Schließlich ist die deutsche Rohstahlproduktion 2022 im Vergleich zu 2021 um 8,4 Prozent bzw. 3,4 Mio. Tonnen auf rund 36,9 Mio. Tonnen gefallen. Entsprechend niedriger war der Schrotteinsatz. Im Jahr 2021 lag der Schrottverbrauch der Stahlwerke nach bvse-Schätzungen bei knapp 18 Mio. Tonnen, im vergangenen Jahr nur noch bei 16,4 Mio. Tonnen. Trotzdem konnte sich der Schrotthandel auch unter diesen Voraussetzungen behaupten.
Im April 2022 erreichten die Schrotteinkaufspreise der deutschen Stahlwerke Spitzenwerte, da der Schrottbedarf im In- und Ausland hoch war. So ermöglichte das erste Halbjahr eine positive Unternehmensentwicklung und der NE-Metallschrottmarkt schaffte Ausgleichmöglichkeiten.
Die Energie-, Personal-, Fracht- und Verwaltungskosten sorgten jedoch für Sorgenfalten und auch die hohen krankheitsbedingten Ausfälle wegen Corona belasteten die Unternehmen in hohem Maße, wie Will weiter ausführte. „Ab Juni 2022 begann die Stahlproduktion infolge nachlassender Nachfrage sowohl in Europa als auch bei unserem wichtigsten Schrottabnehmer, der Türkei, zu sinken.“ „Was unsere Branche jedoch auszeichnet, ist ihre Flexibilität und ihr pragmatischer Umgang mit Herausforderungen. Davon wird es in nächster Zeit allerdings noch viele geben“, unterstrich Will abschließend.
DK
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