(GZ-11-2023) |
► Hauptversammlung des Deutschen Städtetags: |
Neue Wege wagen |
Mit den aktuellen Herausforderungen der Städte in Deutschland – Klimawandel, Wohnungspolitik, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Bildung – beschäftigten sich rund 1.300 Delegierte und Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet im Rahmen der 42. Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in Köln. Im Zentrum der mehrtägigen Zusammenkunft standen Reden von Spitzenvertretern des Verbands sowie aus der Bundes- und Landespolitik.
Der Deutsche Städtetag unterstützt das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 Klimaneutralität beim Heizen zu erreichen. Bei der Wärmewende sind die Städte und kommunalen Energieversorger zentrale Akteure. Wie der Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister der Stadt Münster, Markus Lewe, betonte, „unterstützen wir ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 aus dem Heizen mit fossilen Energieträgern wie Öl und Gas auszusteigen. Die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden.“
Große Verunsicherung
Die Energieberatungsstellen vor Ort könnten sich jedoch vor Anfragen kaum retten, fuhr Lewe fort. „Das zeigt, wie verunsichert viele Menschen jetzt sind. Es gibt noch zu viele offene Fragen: Könnte ich vielleicht an ein Wärmenetz angeschlossen werden und wann? Oder steht Geothermie, Biogas oder Wasserstoff für die Wärmeversorgung zur Verfügung? Deshalb ist es sehr wichtig, dass Städte die künftige Wärmeversorgung strategisch angehen können.“
Die kommunale Wärmeplanung sei ein wichtiges Instrument, aber gerade hier fehle ein Gesetz zur Umsetzung. Daher muss das Wärmeplanungsgesetz aus Sicht des Deutschen Städtetags möglichst parallel zum Gebäudeenergiegesetz kommen. Für die Akzeptanz der Wärmewende bei der Bevölkerung sei dies elementar.
Für den Ausbau der Wärmenetze benötigten die Städte die nötige Vorlaufzeit – etwa für Netzentwicklungspläne, Bauplanungen und Baugenehmigungen. Dies werde Jahre in Anspruch nehmen. Die jetzt im Gesetz vorgesehene Pflicht, bereits 2035 einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbaren Energien im Wärmenetz sicherzustellen, sowie eine Garantiepflicht für den Anschluss an ein Wärmenetz bis 2035 sind laut Kommunalverband in der Fläche nicht realisierbar. Lewe: „Wir sehen, dass die Zeit drängt. Aber es gibt keine Not, hier so strenge zeitliche Vorgaben zu machen, wenn doch im Ergebnis klar ist, dass wir 2045 klimaneutral werden wollen. Den Städten sollte der nötige Spielraum gegeben werden, selbst Zwischenziele bis 2045 festzulegen.“
Wärmewende – ein harter Brocken für die Kommunen
Zudem sollte die Bundesregierung die geplante Förderung beim Heizungsumbau noch einmal umgestalten: Soziale Kriterien müssten stärker berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollten nicht nur individuell Hausbesitzer, sondern auch der Aus- und Umbau der Wärmenetze in den Kommunen gefördert werden können. Nach den Worten des Präsidenten „wird für die Städte die Wärmewende in den kommenden Jahren ein großer Brocken. Jeder Euro, den wir in die Wärmenetze investieren, ist ein Euro für schnellere Klimaneutralität. Dafür brauchen wir aber die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern.“
„Wir müssen unsere Instrumente miteinander verzahnen“, unterstrich Bundeskanzler Olaf Scholz. Ländern und Kommunen käme etwa bei der Wärmewende eine Schlüsselrolle zu. Seine Regierung arbeite auch an einem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung.
Der Städtetag plädiert außerdem dafür, den Städten auch bei anderen Klimaschutzmaßnahmen durch ein neues finanzielles Fördersystem die Möglichkeit zu geben, schneller und effizienter zu handeln. Aktuell gebe es eine Vielzahl von Förderprogrammen für Kommunen, die aber oft mit Ende einer Wahlperiode auslaufen und für die Städte mit einem hohen Aufwand bei der Beantragung der Mittel verbunden sind.
Bürokratische Förderprogramme
Lewe zufolge wollen die Städte mehr Tempo beim Klimaschutz machen. „Das geht aber nicht mit Förderprogrammen, die oft so bürokratisch und unflexibel sind, dass man Manager einstellen müsste, um das Förderdickicht zu durchdringen und an die Gelder zu kommen. Die Städte wissen am besten, was für mehr Klimaschutz vor Ort notwendig ist. Statt immer wieder neue Fördermittel beantragen zu müssen, sollten die Kommunen deshalb feste Budgets für Klimaschutz für mindestens zehn Jahre erhalten. Das gibt uns Planungssicherheit und wäre gleichzeitig ein völlig neues schlankes Fördersystem, mit dem wir vor Ort passgenau und flexibel arbeiten können.“
Der Deutsche Städtetag schlägt vor, dass diese städtischen Budgets von Bund und Ländern gemeinsam finanziert werden. Die Bundesmittel sollten auf die Länder nach Einwohnerzahl aufgeteilt werden. Die Länder könnten dann weitere Kriterien wie Finanzschwäche oder regionale Besonderheiten berücksichtigen, wenn sie das Geld auf die Kommunen aufteilen. Viele bereits bestehende Förderprogramme könnten in dem neuen Programm mit festen Budgets für Klimaschutz aufgehen.
Planungssicherheit und eine nachhaltige Finanzierung fordern die Städte auch für die Aufnahme von geflüchteten Menschen. Wie der Städtetags-Vizepräsident und Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, darlegte, wollen die Städte geflüchteten Menschen Schutz und Zuflucht geben. Dies sei eine der akut größten Herausforderungen für die Gesellschaft. „Die Städte können das, wir vor Ort finden jeden Tag pragmatische Lösungen, damit Aufnahme und Integration gelingen. Aber wir stehen inzwischen mit dem Rücken zur Wand. Notversorgung in Zelten und Messehallen darf kein Dauerzustand werden.“ Die Städte benötigten Planungssicherheit für den Bau von Unterkünften, für das Vorhalten von Reservekapazitäten, für Sprachkurse, Kita- und Schulplätze. Dafür müssten Bund und Länder einen erheblichen Teil beisteuern. „Die Hausaufgaben von Bund und Ländern werden nicht weniger, weil Kriege und Katastrophen auf der Welt weiter Menschen zur Flucht zwingen“, erklärte Jung.
Eine zusätzliche Milliarde Euro gibt keine Perspektive
Wichtige Fragen der Finanzierung für die Aufnahme, Versorgung und Integration von Geflüchteten seien weiterhin ungeklärt. Mit Blick auf die Verabredungen beim jüngsten Bund-Länder-Gipfel sagte der Vizechef: „Eine zusätzliche Milliarde Euro hilft für den Moment, gibt aber keine Perspektive. Aus den Enttäuschungen vom Frühjahr müssen Erfolgsmeldungen im Herbst werden. Wir brauchen eine langfristige, dynamische Finanzierungsregelung, die sich an das tatsächliche Migrationsgeschehen anpasst. Diese Zielmarke muss ganz oben stehen für die Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler im Juni und November. “
Gut sei, dass das Ausländerrecht vereinfacht und Verfahren digitalisiert werden sollen. Der Bund leiste seinen Teil der Unterstützung. Bei der Aufnahme und Unterbringungkommen vom Bund 15,6 Milliarden Euro, das sei erheblich mehr Geld als etwa noch 2015. Zudem übernehme der Bund seit 2020 einen deutlich höheren Anteil an den Unterbringungskosten.
Fachkräftemangel
Stichwort Fachkräftemangel: Qualifizierte Arbeitskräfte sind die wichtigste Ressource unserer Gesellschaft. Jung zufolge fehlen Fachkräfte, aber auch Hilfskräfte an allen Ecken und Enden. Freie Stellen können kaum nachbesetzt werden. „Diese Lücken spüren wir im Alltag. Es werden zu wenig Schulen, Kitas und Wohnungen gebaut, zu wenig Kinder betreut und Menschen gepflegt. Die Digitalisierung geht nur langsam voran, Verwaltungsverfahren dauern zu lange und das vorhandene Personal wird über Gebühr beansprucht. Eine einfache Lösung gibt es nicht. Nötig ist ein Maßnahmenbündel mit Qualifizierung, neuen Arbeitsmodellen und Zuwanderung,“ forderte der Städtetagsvize. Dazu zählten unter anderem:
- Verwaltungsprozesse digitalisieren und entbürokratisieren
- Gezielte Arbeitskräfteeinwanderung verstärken
- Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete in den Kommunen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus
- Mehr Ausbildungs- und Studienkapazitäten
- Moderne und flexible Arbeitsbedingungen
- Einfachere und flexiblere Regelungen bei Renten und Pensionseintritt
- Quereinstiege erleichtern und unterstützen.
Eine Voraussetzung für Zukunftsfähigkeit sowie ein starker Hebel gegen Fachkräftemangel seien außerdem gut umsetzbare Gesetze. Laut Jung ist es richtig, dass der Bund mit dem Digitalcheck Gesetzesvorhaben auf ihre digitale Praxistauglichkeit überprüfen will. Dabei muss der Bund das Wissen der Kommunen rechtzeitig bei der Gesetzgebung mit einbinden.“
Für zentrale Verwaltungsverfahren, wie das Beantragen von Pässen, für Führerscheine oder Führungszeugnisse sollte der Bund auch zentrale IT-Lösungen bereitstellen. Wenn diese von allen Städten genutzt werden können, müsse sich nicht jede Stadt um individuelle Lösungen kümmern. „Das spart Zeit und Kraft, die für die drängenden Aufgaben vor Ort gebraucht wird“, stellte Jung fest. Überstürzte Fristen für Stellungnahmen der Kommunen von wenigen Tagen oder Stunden für komplexe Gesetze seien nicht nur schlechter Stil, sondern kontraproduktiv.
Wahl der Städtetagsspitze
Der Oberbürgermeister der Stadt Münster, Markus Lewe, ist erneut zum Präsidenten des Deutschen Städtetages gewählt worden. Zum Vizepräsidenten wurde der Leipziger OB Burkhard Jung bestimmt, zur Vizepräsidentin die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner. Erster Stellvertreter des Präsidenten ist Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner, Heidelberg. Zu den weiteren Stellvertretern zählt nun auch die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber. Seit 2020 ist sie Mitglied im Präsidium.
DK
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