Kommunalverbändezurück

(GZ-14-2023 - 20. Juli)
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► Bayerischer Städtetag in Erlangen:

 

Forderungskatalog zur Landtagswahl

 

Der Appell war unüberhörbar: Der Bayerische Städtetag fordert von Landes- und Bundespolitik die Erkenntnis, dass die Kommunen die Fülle der ihnen zugewiesenen Aufgaben und Standards so nicht mehr bewältigen können. Das Staatswesen müsse sich wieder stärker auf die Erledigung der wesentlichen Aufgaben konzentrieren, unterstrich der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr, im Rahmen der Jahrestagung in Erlangen.

V..: Dr. Florian Janik, Markus Pannermayr, Dr. Thomas Jung, Markus Loth und Bernd Buckenhofer.
V.l.: Dr. Florian Janik, Markus Pannermayr, Dr. Thomas Jung, Markus Loth und Bernd Buckenhofer.

Mehrere unterschiedliche Krisen verschärfen sich aus seiner Sicht derzeit gegenseitig, Probleme vermischten sich, die Unsicherheiten nähmen zu. Dies mache den Menschen Sorge und beschäftige die Politik auf allen Ebenen, betonte der ebenso wie seine beiden Stellvertreter wiedergewählte Verbandschef vor knapp 400 Delegierten und Gästen aus der Europa-, Bundes- und Landespolitik.

„Vieles von dem, was in der Welt passiert, steht letztlich zur Lösung auf kommunaler Ebene an. Die Menschen waren gewohnt, dass bei Problemen zügig eine Lösung zur Hand war. Doch auf viele komplexe Fragen – Energiekrise und Klimawandel, Digitalisierung, demografischer Wandel und Integration – gibt es keine schnelle und einfache Antwort.

Ressourcen werden knapper

Ressourcen werden knapper und weniger Personal steht zur Bewältigung von Aufgaben zur Verfügung“, machte Pannermayr deutlich. Unter der Dauerlast der Corona-Pandemie habe die kommunale Daseinsvorsorge mit einer stabilen Infrastruktur gute Dienste geleistet, erklärte der Vorsitzende: „Auf die Problemlösungskompetenz der Kommunen können Bund und Freistaat bauen. Die Kommunen müssen gut aufgestellt bleiben, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Wir müssen uns nun auf Wesentliches beschränken und die Komplexität reduzieren. Nötig ist die Konzentration auf vordringliche Probleme. Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen praktikabel sein, um eine rasche Umsetzung zu sichern.

Die Kommunen können steigende Standards und immer neue Aufgaben nicht mehr ohne weiteres erfüllen. Es muss nicht alles bis ins Detail geregelt, genehmigt und geprüft werden. Vertrauen in das sachgerechte Handeln der Kommunen reduziert Komplexität: Personelle Kapazitäten und finanzielle Ressourcen sind klug einzuteilen. Politik auf Landes- und Bundesebene muss sich hüten, ständig neue Themen anzureißen und Erwartungen zu wecken, die sich nicht erfüllen lassen.“

Gesetzliche Ansprüche und neue Aufgaben

Gesetzliche Ansprüche und neue Aufgaben verursachten zum Beispiel bei Wohngeld, Bürgergeld und Ganztagsanspruch für Grundschulkinder steigende Kosten. Pannermayr zufolge darf die kommunale Ebene nicht als Ausfallbürge für die Erfüllung von staatlichen Aufgaben in Haftung kommen.

Kommunen hätten einen Anspruch auf eine aufgabengerechte Finanzierung. Dazu gehöre ein leistungsfähiger kommunaler Finanzausgleich. Schlüsselzuweisungen seien hier ein gutes Instrument. Eine Stärkung der Verbundmasse im allgemeinen Steuerverbund gebe den Kommunen mehr finanzielle Planungssicherheit und Flexibilität. Zudem benötigten Kommunen mehr Beinfreiheit und weniger lähmende Bürokratie von Förderprogrammen und Modellprojekten.

Darüber hinaus muss der Freistaat nach den Worten des 1. stellvertretenden Verbandsvorsitzenden, Fürths Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung, den Kommunen für die Umsetzung seiner gesetzlich verankerten Klimaschutzziele einen konnexitätsrelevanten Kostenausgleich zur Verfügung stellen. Wo das Konnexitätsprinzip nicht greift, müsse ebenfalls eine aufgabengerechte Finanzierung erfolgen. Um bis 2040 die angestrebte Klimaneutralität, Resilienz gegen stetig wachsende Wetterextreme und Umweltkatastrophen sowie die Sicherung des Artenschutzes zu erreichen, seien vom Staat unter Beachtung und Stärkung der kommunalen Planungshoheit kommunale Handlungsinstrumente zu schaffen.

Energiewende mit den Kommunen

„Die Energiewende funktioniert nicht gegen, sondern nur mit Städten und Gemeinden“, fuhr Jung fort. Die Kommunen benötigten dafür Steuerungsmöglichkeiten. Die Wertschöpfung müsse vor Ort erfolgen und so dezentral sein, wie es die Erzeugung erneuerbarer Energien selbst ist. „Je mehr Wertschöpfung regional zu verbuchen ist, desto höher ist die Akzeptanz von Windrädern, Solar-Anlagen, Wasserkraft oder Geothermie-Anlagen.“

Das Gebäudeenergiegesetz und die damit verbundene Aufstellung von Wärmeplänen in den Kommunen erachteten die bayerischen Städte zwar als sinnvoll, die Umsetzung werde aber bereits in kleineren Gemeinden zweistellige Millionenbeträge erfordern, machte Jung deutlich. Wie Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik ergänzte, könnten die Kommunen bzw. deren Versorgungsunternehmen Investitionen nur auf den Weg bringen, wenn sichergestellt sei, dass die Häuser auch an die verlegten Wärmeleitungen angeschlossen werden. „Die Grundstückseigentümer dürfen keine Wahl haben“, betonte das Stadtoberhaupt.

Offensive im Nahverkehr

Auch die Verkehrswende sei ein wichtiges Element, um die Klimaziele zu erreichen, hob Verbandsvize Jung hervor. Der Bayerische Städtetag unterstützt das Ziel der bayerischen ÖPNV-Strategie, die zur Erhöhung der Fahrgastzahlen bis 2030 führen soll. Dafür sei eine Offensive im Nahverkehr nötig. Jung: „Bund und Freistaat müssen die Investitionen erhöhen, und die Verkehrswende in Stadt und Land finanziell und inhaltlich begleiten. Es braucht Handlungsspielräume für Kommunen bei Tempo-30-Zonen und bei Erhebung von Parkgebühren. Das sind effektive Instrumente, um Klimaschutz zu beschleunigen und die Aufenthaltsqualität in Städten zu verbessern. Wer die Verkehrswende schaffen will, muss den öffentlichen Raum in Städten zu Gunsten von Fahrrädern und Fußgängern erweitern, also: weniger Raum für Autos und Parkplätze.“ In der ÖPNV-Strategie des Freistaats fehle dieser Aspekt. „Da ist Bedarf für Nachbesserung.“

Bezahlbaren Wohnraum schaffen

„Bezahlbaren Wohnraum schaffen und erhalten“ lautet eine weitere Forderung zur Landtagswahl. Leider sind laut Weilheims Bürgermeister Markus Loth, 2. stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Städtetags, die Rahmenbedingungen insbesondere für den sozialen Wohnungsbau ungünstig. So leide die Baubranche vor allem seit dem Ukraine-Krieg unter Materialmangel und Personalmangel, die Grundstücks- und Baukosten seien stark gestiegen. Der Zinsanstieg erschwere besonders den kommunalen Wohnbaugesellschaften die Investition in Wohnungsbau.

Loth: „Der Staat muss für die Schaffung von Wohnraum effektive bodenrechtliche Steuerungsmöglichkeiten bereitstellen – das kann etwa eine Grundsteuer C für baureife, aber unbebaute Grundstücke sein, oder das können wirksame Vorkaufsrechte für Kommunen sein. Der Freistaat wird aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine beherzte Novelle des Baugesetzbuches einzusetzen. Es muss konsequenter auf eine Mobilisierung von Bauland für den Bau von Wohnungen hingewirkt werden.“

Ein weiteres Manko seien die ungenügenden Wohnraumförderbedingungen. Loth: „Die bayerische Wohnraumförderung ist im Bundesvergleich solide, aber sie hinkt den Entwicklungen hinterher. Die Programme sind zu kurzatmig. Bauprojekte brauchen ihren Vorlauf für Planung, Bau und Abwicklung. Wenn Fördermittel nur von Jahr zu Jahr festgesetzt werden, lässt sich nicht mehr von Planungssicherheit sprechen.“

Ein Beispiel: Die Wohnraumfördermittel für 2022 wurden im April 2022 im Haushalt beschlossen – damit sind die Mittel meist im Herbst abgeflossen und es herrscht für ein halbes Jahr Stillstand. Loth: „Fördermittel für Wohnraum müssen planbar und auskömmlich sein. Das gelingt nur mit einer Verdoppelung der staatlichen Mittel auf der Grundlage eines Maßnahmenprogramms, das auf vier Jahre angelegt ist. Ein Fokus sollte auf bezahlbaren Mieten und energetischer Ertüchtigung liegen.“

Dauerbaustelle Bildungs- und Schulpolitik

Eine weitere Dauerbaustelle liegt nach Auffassung des Bayerischen Städtetags in der Bildungs- und Schulpolitik. Wenn überhaupt, gehe es in einer Fülle an Fragen zur Betreuung von Kindern nur im Schneckentempo voran. Die Verhandlungen mit den zuständigen Ministerien für Kultur und Soziales verliefen zäh.

Loth: „Die Kommunen müssen im Bildungsbereich wesentlich besser unterstützt werden; dies gilt besonders mit Blick auf den Betreuungsanspruch für Kinder im Grundschulalter, der ab dem Schuljahr 2026 wirken soll. Der Freistaat muss vor der eigenen Tür kehren und in eigener staatlicher Verantwortung im Schulwesen mehr ganztägige Schulangebote schaffen, damit der Rechtsanspruch für Grundschulkinder umgesetzt werden kann.“

Ein weiteres Ärgernis stellten ungenügende Rahmenbedingungen für die Kindertagesbetreuung dar. Wer einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung formuliert, müsse auch darauf achten, ob sich in der knappen Frist genügend Räume bauen lassen und ob Personal gewonnen werden kann, damit eine Einrichtung in Betrieb gehen kann. Loth: „Die Kindertagesbetreuung in kommunaler Verantwortung muss so auskömmlich gefördert werden, dass die Rechtsansprüche erfüllt werden können. Es ist ärgerlich, wenn Bund und Freistaat seit Jahren bei Kindern und Eltern Erwartungen wecken, aber die Umsetzung auf sich warten lässt. Es ist ärgerlich, Dinge zu versprechen, bei denen unsicher ist, ob sie sich überhaupt realisieren lassen.“ Der Fachkräftemangel, so Loth, sei enorm. Ohne Erziehungspersonal sei es unwahrscheinlich, dass sich der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Grundschulkinder in einem Zeitfenster erfüllen lässt, das im Schuljahr 2026/27 mit der ersten Klasse beginnt und bis ins Jahr 2030 reicht.

Die angesprochenen Schwerpunktthemen fanden auch Eingang in eine Podiumsdiskussion, an der Finanz- und Heimatminister Albert Füracker, der Landesvorsitzende der SPD Bayern, Florian von Brunn, der Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, Ludwig Hartmann, der stellvertretende Ministerpräsident und Landesvorsitzende der Freien Wähler Bayern, Hubert Aiwanger, der Landesvorsitzende der FDP Bayern, Martin Hagen, die Oberbürgermeisterin der Stadt Augsburg, Eva Weber, Regensburgs Stadtoberhaupt Gertrud Maltz-Schwarzfischer, sowie die Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Pullach i. Isartal, Susanna Tausendfreund, teilnahmen.

Spitzenposition für Bayerns Kommunen im Ländervergleich

Wie Staatsminister Füracker ausführte, nähmen Bayerns Kommunen im Ländervergleich eine Spitzenposition ein: Platz 1 bei der Investitionsquote und eine nur sehr geringe Verschuldung. Dies liege nicht zuletzt an der starken Unterstützung und engen Partnerschaft mit dem Freistaat. Auch künftig bleibe Bayern für seine Kommunen ein sicherer Anker: Der Kommunale Finanzausgleich überschreite 2023 erstmals die Marke von 11 Milliarden Euro, ein neues Rekordniveau. Mit Gesamtleistungen von über 20 Milliarden Euro gehe mehr als jeder vierte Euro aus dem Bayerischen Staatshaushalt an die Kommunen.

Landesvorsitzender Florian von Brunn merkte an: „Wir als bayerische SPD regieren in rund 200 Städten und Gemeinden im Freistaat!“ Erforderlich sei mehr Geld für Städte und Gemeinden, um bezahlbare Wohnungen, Horte und Kitas zu bauen. Zudem plädierte er für unbürokratische Lösungen für den Ganztag – im Interesse der Familien vor Ort. Aktuell sei der Freistaat Schlusslicht bei der Ganztagsbetreuung. Dies dürfe kein Dauerzustand werden.

„Ein starkes Bayern braucht starke Kommunen. Unser oberstes Ziel ist, dass die Finanzlage der Kommunen in dieser schwierigen Zeit solide bleibt“, bekräftigte Innen- und Kommunalminister Joachim Herrmann am Festabend der Vollversammlung. Herrmann sagte, die Staatsregierung unterstütze die kommunale Familie nach Kräften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.

Starkes Signal des Freistaats

Ein starkes Signal, wie wichtig dem Freistaat leistungsfähige Kommunen sind, seien die Schlüsselzuweisungen, so Herrmann. Sie betragen 2023 insgesamt 4,2 Milliarden Euro, davon gehen rund 2,7 Milliarden Euro allein an die bayerischen Städte und Gemeinden. Ganz im Gegensatz zur Verantwortung, die der Freistaat für seine Kommunen übernehme, steht laut Herrmann das Verantwortungsbewusstsein der Bundesregierung bei der Übernahme der Kosten für die Flüchtlinge: „Der Bund leistet hier viel zu wenig angesichts der Belastungen, die unsere Städte und Gemeinden hier besonders in der Integration zu tragen haben.“

Herrmann forderte eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Kommunen, man müsse die Entwicklungen aktiv mitgestalten. „Daher ist es mir als Kommunalminister umso wichtiger, dass die kommunalen Spitzenverbände auch weiterhin frühzeitig auf Augenhöhe in staatliche Entscheidungen eingebunden sind.“

Die bayerischen Städte seien ein wichtiger Beschleuniger für positive Entwicklungen in unserer Gesellschaft, betonte der Minister. Für die Arbeit der Kommunen sei auch ein verlässlicher Rechtsrahmen von großer Bedeutung.

„In der nächsten Woche wird der Landtag voraussichtlich die Kommunalrechtsnovelle 2023 beschließen. Sie wurde intensiv auch mit dem Bayerischen Städtetag abgestimmt und soll wichtige Impulse zur Steigerung der Attraktivität kommunaler Ämter setzen.“

DK

 


TV-Beitrag von TV-Bayern.

 

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