Kommunalverbändezurück

(GZ-18-2023 - 28. September)
gz deutscher staedtetag
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► Präsidiumssitzung des Deutschen Städtetags:

 

Wohnungsbaukrise und Digitalpakt

 

Um sich gegen die Krise im Wohnungsbau zu stemmen, hat sich der Deutsche Städtetag bei einer Präsidiumssitzung in Neubrandenburg für ein Maßnahmenbündel ausgesprochen. Städtetags-Präsident Markus Lewe zufolge legt der Wohnungsbau derzeit eine Vollbremsung hin, weil es sich für niemanden rechne, neue Häuser oder Wohnungen zu bauen. „Dieser Mangel trifft viele. Studierende, Alleinerziehende mit Kindern, geflüchtete Familien, aber auch Menschen mit mittlerem Einkommen finden kaum eine bezahlbare neue Wohnung“, unterstrich der Münsteraner Oberbürgermeister.

Neben Neubauten sollten aus seiner Sicht aber auch die Bestandswohnungen stärker in den Fokus rücken, etwa durch Nutzbarmachung als Sozialwohnungen. In den Städten leben etwa 15 Prozent der Menschen in zu kleinen, überbelegten Wohnungen. Gleichzeitig leben vor allem ältere Menschen in sehr großen Wohnungen. Ein Umzug unter Neuvermietungsbedingungen lohnt sich für sie nicht und bremst kommunale Initiativen zum Wohnungstausch aus. Instrumente für eine bessere Verteilung bezahlbaren Wohnraums sollten geprüft werden. Lösungen könnten eine Fehlbelegungsabgabe oder auch Anreize zum Wohnungstausch sein.

Vielfältige Ursachen

Steigende Baukosten, Lieferkettenprobleme, Inflation, Zinsanstieg sowie die große Nachfrage nach kleinen Wohnungen durch immer mehr Einzelhaushalte sind Ursachen für Wohnungsmangel und stockenden Wohnungsbau. Viele Projekte sind unter diesen Rahmenbedingungen für Investoren und private Bauwillige nicht mehr realisierbar. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen im ersten Halbjahr 2023 ist um gut 27 Prozent eingebrochen und die Krise verschärft sich von Tag zu Tag. 2022 sind lediglich 22.500 neue Sozialwohnungen fertiggestellt worden, kaum ein Viertel des politischen Ziels der Bundesregierung. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach günstigem Wohnraum, auch durch Flucht und Migration, enorm.

Kurzfristig Lösungen finden

„Die Städte ziehen alle Register. Sie stellen Bauland bereit, sorgen für Nachverdichtung, haben Baulandmodelle zur sozialgerechten Bodennutzung entwickelt, schließen mit Investoren städtebauliche Verträge, verabreden Sozialbindungen und unterstützen Genossenschaften. Alle haben wir das Ziel, das Wohnen für einkommensschwache Haushalte erschwinglich zu halten – trotz steigender Mieten und sinkendem Sozialwohnungsbestand. Aber mit dem vorhandenen Instrumentarium laufen wir immer häufiger ins Leere“, machte Lewe deutlich und forderte deshalb: „Bund und Länder müssen kurzfristige Lösungen neu prüfen und umsetzen. Die Regelungen zum Vorkaufsrecht sollten überarbeitet und das Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten zum Quartierschutz wieder anwendbar gemacht werden.“

Bauland entwickeln

Der Königsweg für mehr Wohnungsbau bleibe, Bauland im Schulterschluss von Städten, Grundstückseigentümern sowie Projektträgern zu entwickeln. Falls das nicht gelinge, müssten die Städte aber praxisnah handeln können.

Nach Lewes Auffassung muss das Baugebot bei der anstehenden Novelle des Baugesetzbuches konsequent vereinfacht und praxisgerecht ausgestaltet werden. „Außerdem brauchen wir Investitionszuschüsse für Wohnungsbauträger, die dazu beitragen, die von der Bundesregierung ins Auge gefassten 100.000 Sozialwohnungen zu errichten.“ Allein auf die steuerliche Abschreibung im Wohnungsbau zu setzen, garantiere nicht, dass an den richtigen Standorten die passenden Wohnungen errichtet werden. Zudem wäre die gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft außen vor, da sie ohne Gewinne nichts abschreiben können.

Aus Sicht der Städte sind folgende Maßnahmen für mehr Wohnungen unerlässlich:

  • Baugebot vereinfachen und bereits erprobtes Innenentwicklungsmaßnahmengebiet (IEM) im Baugesetzbuch ergänzen, damit im Stadtgebiet verteilte, ungenutzte Flächen endlich bebaut werden (Maßnahme des Bündnisses für „Bezahlbares Wohnen und Bauen“).
  • Deutlich mehr Mittel von Bund und Ländern für sozialen Wohnungsbau. Investitionszuschüsse für Wohnungsbauträger, die Sozialwohnungen errichten, für das Ziel von jährlich 100.000 Sozialwohnungen.
  • Vorkaufsrechte auf alle Grundstücke im Gemeindegebiet ausweiten sowie Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten zum Quartiersschutz wieder rechtssicher ausgestalten.
  • Leerlaufen des Vorkaufsrechts bei Grundstücksübertragungen in Share Deals beenden.
  • Optionale Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe für Sozialwohnungen prüfen (Beispiel Hessen und Rheinland-Pfalz).
  • Effektivere Instrumente zur besseren Verteilung von Bestandswohnungen finden, stärkere Anreize zum Wohnungstausch setzen.

Digitalpakt 2.0

Themenwechsel. Die Städte fordern überdies von der Bundesregierung, den im Koalitionsvertrag angekündigten Digitalpakt 2.0 als Nachfolger des Digitalpakts Schule endlich aufzulegen. Sonst drohe ab 2024 eine Finanzierungslücke für die Digitalisierung an Schulen. Bund, Länder und Kommunen müssten außerdem ein gemeinsames Zielbild entwickeln, wie digitales Lernen 2030 aussehen und dauerhaft finanziert werden soll. Nur so könnten die Städte verlässlich planen, investieren und allen Schülerinnen und Schülern bundesweit gleiche Bildungschancen ermöglichen.

Daueraufgabe Digitalisierung

Wie das Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Silvio Witt aus Neubrandenburg, erläuterte, „müssen Bund und Länder dafür sorgen, dass unsere Schulen nicht zu digitalen Investitionsruinen werden. Mit den Mitteln aus dem Digitalpakt konnten die Schulen für schnelles WLAN sorgen und digitale Endgeräte wie Tablets oder digitale Tafeln anschaffen. Die technische Infrastruktur an den Schulen hat sich deutlich verbessert. Aber Digitalisierung ist ja mit der einmaligen Anschaffung nicht erledigt, sondern muss weiterlaufen.“

Witt zufolge müssen Infrastruktur und Geräte gewartet und regelmäßig ausgetauscht werden und es braucht eine verlässliche IT-Administration. Diese Folgekosten waren beim Digitalpakt Schule aber praktisch nicht berücksichtigt. „Wenn es kein Nachfolgeprogramm für den Digitalpakt gibt, das auch diese Kosten abdeckt, verstauben die angeschafften Tablets irgendwann in der Ecke. Der Bund muss darum seine Zusage aus dem Koalitionsvertrag einhalten und einen Digitalpakt 2.0 auflegen.“

Digitalpakt 2.0 frühestens 2025

Über den Digitalpakt Schule wurden seit 2019 insgesamt 6,5 Milliarden Euro für die Digitalisierung an Schulen bereitgestellt. Die meisten Mittel sind bereits in Projekten gebunden. Der Digitalpakt Schule läuft im Mai 2024 aus – das Bundesbildungsministerium hat aber bereits mitgeteilt, dass der Digitalpakt 2.0 frühestens 2025 kommt. Im Bundeshaushalt 2024 sind keine Mittel für einen neuen Digitalpakt eingeplant.

„Dass eine gute digitale Ausstattung für Schulen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler künftig Standard sein sollte, ist Konsens“, betonte Witt. Niemand in diesem Land wolle 2030 noch Tafel und Kreide als Mittelpunkt des Klassenzimmers. Das würde auch in keiner Weise modernen und interaktiven Lehr- und Lernkonzepten entsprechen, für die sich Schülerinnen und Schüler auch digital vernetzen und lernen müssen.

„Wir dürfen kein digitales Entwicklungsland bleiben. Digitalisierung der Schulen ist in Zukunft ganz klar eine Daueraufgabe und muss auch dauerhaft finanziert werden“, fuhr Witt fort. „Das Grundproblem von Förderprogrammen wie dem Digitalpakt Schule ist doch, dass sie eine begrenzte Laufzeit haben. Und die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern für das Folgeprogramm Digitalpakt 2.0 scheinen aktuell auf Eis zu liegen. Wir können aber Schülerinnen, Schülern und Eltern doch nicht sagen, dass nach 2024 erstmal Schluss ist mit digitaler Schule“, so das Präsidiumsmitglied.

Planungssicherheit und Regelfinanzierung

Für die digitale Ausstattung als Standard schulischen Lernens brauche es eine Roadmap für die kommenden Jahre, die den Städten Planungssicherheit gibt und mit einer Regelfinanzierung verbunden ist. Witt: „Wir müssen klären, wie digitales Lernen 2030 und darüber hinaus aussehen soll. Bund und Länder müssen sich gemeinsam mit den Kommunen als Schulträger auf ein Zielbild verständigen. Wenn wir das haben, brauchen wir eine Roadmap, in welchen Bereichen wir investieren müssen und welche Mittel wir dafür benötigen. Wenn es dann keine weitere Förderung vom Bund gibt, sind die Länder in der Pflicht. Die Kommunen können die Kosten nicht allein stemmen.“

Ein gemeinsames Zielbild für digitales Lernen der Zukunft sei außerdem wichtig, weil endlich auch über moderne pädagogische Konzepte und mehr Bildungsgerechtigkeit gesprochen werden müsse. Alle Bildungsstudien zeigten, dass es einen riesigen Nachholbedarf gibt, wenn allen jungen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft ein guter Start ins Leben ermöglicht werden soll.

Witt abschließend: „Die Lerndefizite vieler Schülerinnen und Schüler sind ohnehin schon groß. Da können wir es uns bildungspolitisch nicht leisten, dass sie auch noch digital abgehängt werden oder wir in Deutschland einen Flickenteppich bei der Digitalisierung an Schulen haben, je nach Kassenlage der Kommune.“

DK

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