Kommunalverbändezurück

(GZ-20-2023 - 26. Oktober)
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► Destatis-Statistik zu Kommunalfinanzen:

 

Zunehmende Schieflage kommunaler Haushalte

 

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) wiesen die Gemeinden und Gemeindeverbände (ohne Stadtstaaten) in Deutschland im 1. Halbjahr 2023 ein Finanzierungsdefizit von 7,3 Mrd. Euro auf. Damit war es nach vorläufigen Ergebnissen der vierteljährlichen Kassenstatistik deutlich höher als im 1. Halbjahr 2022. Damals hatte das Defizit 1,6 Mrd. Euro betragen.

Das Ergebnis setzt sich aus kommunalen Kern- und Extrahaushalten zusammen: Das Defizit der Kernhaushalte belief sich im 1. Halbjahr 2023 auf 8,2 Mrd. Euro. Im 1. Halbjahr 2022 hatte es bei 2,0 Mrd. gelegen. Die Extrahaushalte erzielten dagegen im 1. Halbjahr 2023 einen Finanzierungsüberschuss von 0,8 Mrd. Euro. Im Vorjahreszeitraum hatte der Überschuss 0,4 Mrd. Euro betragen.

Die bereinigten Ausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände stiegen im 1. Halbjahr 2023 im Vergleich zum 1. Halbjahr 2022 sehr stark um 11,0 Prozent bzw. 16,6 Mrd. Euro auf 167,6 Mrd. Euro. Treiber der Ausgaben waren vor allem die Sozialleistungen, die im 1. Halbjahr 2023 um 11,8 Prozent oder 3,9 Mrd. Euro höher waren als im 1. Halbjahr 2022 und sich auf insgesamt 37,1 Mrd. Euro beliefen.

Hauptgrund für den Anstieg waren die zum 1. Januar 2023 erhöhten Regelsätze für das Bürgergeld in der Sozialhilfe nach SGB XII und SGB II. Außerdem wurden die Schutzsuchenden aus der Ukraine seit Juni 2022 aus dem Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetz in den des SGB II überführt. Deswegen reduzierten sich die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im 1. Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 10,1 Prozent auf 1,8 Mrd. Euro.

Beide Entwicklungen – die erhöhten Regelsätze für das Bürgergeld und der Bezug von Leistungen nach SGB II durch Schutzsuchende aus der Ukraine – führten zu einer höheren Zahl leistungsberechtigter Bedarfsgemeinschaften im SGB II. Da die kommunalen Leistungen nach SGB II – überwiegend für Unterkunft und Heizung – zusätzlich vom Anstieg der Energiepreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine betroffen waren, lagen sie im 1. Halbjahr 2023 mit +20,4 Prozent deutlich höher als im Vorjahreszeitraum und beliefen sich auf 7,1 Mrd. Euro. Im Gegenzug stiegen die Erstattungen des Bundes der Kosten für Unterkunft und Heizung um 21,9 Prozent auf 4,4 Mrd. Euro. Der Bund trug damit vorläufig knapp zwei Drittel (66 Prozent) der Unterkunfts- und Heizkosten.

Auch die Ausgaben für die übrigen wesentlichen kommunalen Sozialleistungen stiegen im 1. Halbjahr 2023 beträchtlich: Die Ausgaben für Eingliederungshilfen nach SGB IX erhöhten sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 8,1 Prozent auf 9,8 Mrd. Euro, die Leistungen der Sozialhilfe nach SGB XII um 15,7 Prozent auf 9,2 Mrd. Euro und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII um 14,3 Prozent auf 7,7 Mrd. Euro.

Neben den Ausgaben für Sozialleistungen wuchsen auch andere bedeutsame Ausgabearten kräftig: In den Kernhaushalten stiegen die Personalausgaben um 7,0 Prozent auf 37,1 Mrd. Euro, was vor allem auf den Tarifabschluss 2023 im öffentlichen Dienst zurückzuführen ist, insbesondere auf die Sonderzahlung zum Inflationsausgleich im Juni 2023. Die laufenden Sachaufwendungen stiegen um 7,9 Prozent und die Sachinvestitionen um 15,2 Prozent, was auch auf die allgemeine Teuerung zurückzuführen ist.

Die bereinigten Einnahmen der kommunalen Kern- und Extrahaushalte waren im 1. Halbjahr 2023 mit 160,3 Mrd. Euro zwar um 7,3 Prozent oder 10,9 Mrd. Euro höher als im 1. Halbjahr 2022, sie konnten damit aber den Anstieg auf der Ausgabenseite nicht ausgleichen.

Die Einnahmen aus Steuern (netto) waren mit 55,0 Mrd. Euro im 1. Halbjahr 2023 um 4,0 Prozent höher als im 1. Halbjahr 2022. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer (netto) stiegen dabei um 3,1 Prozent. Während die Gewerbesteuereinnahmen in Rheinland-Pfalz im Vergleich mit den besonders hohen Einnahmen im Vorjahreszeitraum um 33,3 Prozent zurückgingen, stiegen sie in den übrigen Ländern um durchschnittlich 5,8 Prozent.

Die Schlüsselzuweisungen beliefen sich auf 26,3 Mrd. Euro (+6,5 Prozent). Die Zuweisungen der Länder für Investitionen stiegen im 1. Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum kräftig auf 5,2 Mrd. Euro (+17,7 Prozent).

Wegen der Einführung des Deutschlandtickets und der damit verbundenen größeren Abhängigkeit von öffentlichen Zuweisungen wurden etwa 370 kommunale ÖPNV-Unternehmen und -verbände ab dem 2. Quartal 2023 erstmals als Extrahaushalte in die vierteljährliche Kassenstatistik einbezogen. Diese Neuaufnahmen beeinträchtigen den Vorjahresvergleich insbesondere bei den Personalausgaben, den Ausgaben für den laufenden Sachaufwand und den Einnahmen aus Verwaltungs- und Benutzungsgebühren der zusammengefassten Ergebnisse der Kern- und Extrahaushalte.

Prognose für 2023: 6,4 Mrd. Euro Gesamtdefizit

Nach Auffassung von Verena Göppert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetags, „bestätigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das 1. Halbjahr 2023 den Trend, den bereits die Prognose der drei kommunalen Spitzenverbände aufgezeigt hatte: Die kommunalen Haushalte kommen immer mehr in Schieflage.“

Wie Göppert mitteilte, „haben die Kommunen im vergangenen Jahr noch einen leichten Überschuss erzielt. Schon in diesem Jahr rechnen wir aber mit einem Gesamtdefizit von 6,4 Mrd. Euro. Und in den kommenden Jahren werden die Defizite nach unserer Prognose pro Jahr zwischen 8,2 und 9,6 Mrd. Euro liegen.“

Zudem werde das geplante Wachstumschancengesetz bis 2028 für weitere Steuerausfälle bei den Kommunen in Milliardenhöhe sorgen. Dies sei noch gar nicht eingerechnet. Das Wachstumschancengesetz müsse deshalb dringend angepasst werden. Es gelte, die geplanten Konjunktur- und Wachstumsimpulse auch vorrangig aus den eigenen Steuer- und Finanzmitteln des Bundes zu finanzieren, ohne den Kommunen weitere Steuereinnahmen zu streichen. Auch werde ein dauerhaft größerer Anteil an den Gemeinschaftssteuern, zum Beispiel der Umsatzsteuer, benötigt.

DK

 

 

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