Kommunalverbändezurück

(GZ-23-2023 - 7. Dezember)
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Plädoyer für Modernisierung

 

Die Mobilitätswende, die geplante EU-Luftqualitätsrichtlinie und die Kindergrundsicherung standen im Zentrum der jüngsten virtuellen Präsidiumssitzung des Deutschen Städtetags. Nach Ansicht des Kommunalverbands sollen Bund und Länder gemeinsam mit den Kommunen möglichst schnell den geplanten Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV zum Laufen bringen. Dafür brauche es dringend mehr finanzielle Mittel. Außerdem müsse die Finanzierung des Deutschlandtickets schnell und dauerhaft geklärt werden.

„Die Mobilitätswende darf kein leeres Versprechen bleiben. Wir wollen mehr Menschen dafür gewinnen, auf Busse und Bahnen umzusteigen. Wir wollen Strecken ausbauen, den Takt verbessern und mehr klimaneutrale Fahrzeuge einsetzen“, erläuterte der Vizepräsident des Deutschen Städtetags, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung. Je attraktiver das Angebot des ÖPNV sei, desto mehr Menschen stiegen vom eigenen Auto um.

Dies sorge für weniger Staus, bessere Luft und sei ein elementarer Beitrag zum Klimaschutz. Bereits heute trügen die Kommunen über 4 Milliarden Euro pro Jahr zur Finanzierung des ÖPNV bei – „ein großer Kraftakt“, wie Jung bemerkte.

Nötig wären massive ÖPNV-Investitionen

Um das aktuelle Angebot auszubauen und attraktiver zu gestalten, müsse massiv in den öffentlichen Personennahverkehr investiert werden. Jedoch stockten die Gespräche zwischen Bund und Ländern zum angekündigten Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV seit Monaten. „Damit steht die Verkehrswende aktuell auf dem Abstellgleis“, machte der Städtetagsvize deutlich.

Jung fordert mehr Tempo

Jung zufolge wollen sich die Landesverkehrsminister erst im kommenden Jahr weiter über die Finanzierung des ÖPNV unterhalten; zudem habe der Bund deutlich gemacht, dass er frühestens ab 2025 weitere Finanzzusagen machen wird. Damit sei schon jetzt klar, dass es bis zur nächsten Bundestagswahl keinen Ausbau des ÖPNV geben kann, der für die Bürger mehr Qualität und bessere Verbindungen bringt. Denn selbst wenn die Städte morgen investieren könnten, dauerten allein Ausschreibungen für neue Strecken oder Fahrzeuge mindestens zwei Jahre. Vor diesem Hintergrund forderte Jung „deutlich mehr Tempo“: Bund und Länder müssten sich schnell auf eine Finanzierungslösung für den ÖPNV-Ausbau einigen, die dann spätestens ab dem 1. Januar 2025 gilt.

Regionalisierungsmittel erhöhen

Darüber hinaus plädiert der Deutsche Städtetag unter anderem, die Regionalisierungsmittel ab sofort jedes Jahr um 1,5 Milliarden Euro gegenüber dem jeweiligen Vorjahr zu erhöhen und diese Steigerung bis mindestens 2030 abzusichern. Außerdem müsse es zusätzliche Mittel für Investitionen in den ÖPNV geben. Jung: „Die Städte stehen für den Ausbau von Bus und Bahn in den Startlöchern und haben ihren Teil geliefert. Jetzt sind Bund und Länder dran.“

Bund und Länder in der Pflicht

Auch beim Deutschlandticket seien Bund und Länder in der Pflicht. „Wenn das Ticket als ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende dauerhaft ein Erfolg sein soll, dann muss es auch langfristig und verlässlich finanziert sein“, erklärte der Städtetags-Vizepräsident. Stattdessen sei die Finanzierung weiter in der Schwebe: Bund und Länder konnten sich nicht darauf verständigen, die tatsächlichen Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen durch das Deutschlandticket auch im kommenden Jahr komplett auszugleichen. Nach Jungs Worten müssen sich Bund und Länder jetzt schnell verständigen, wie es mit der Finanzierung des Deutschlandtickets weitergeht, und diese Finanzierung dann auch langfristig absichern. Denn für die Zeit nach 2024 haben wir aktuell noch gar keine Zusagen für die Finanzierung. So ist die nächste Hängepartie zur Zukunft des Deutschlandtickets vorprogrammiert.“

Luftqualität im Blick

Mit Blick auf die geplante EU-Luftqualitätsrichtlinie fordert der Deutsche Städtetag, dass dort strengere Grenzwerte für saubere Luft gleichzeitig auch an verschärfte Vorgaben zu reduzierten Emissionen gekoppelt werden, „denn Schadstoffe müssen an der Quelle bekämpft werden“. Dafür müssten sich Bund und Länder bei der EU stark machen. Der Verband warnt davor, die Verantwortung für saubere Luft einseitig den Städten zuzuschieben und lehnt ein Sammelklagerecht und individuelle Schadenersatzansprüche gegen die Städte ab.

„Wenn die EU nun plant, die Luftqualität weiter zu verbessern, sind alle gefordert, die tatsächlich Emissionen produzieren – und das sind nicht in erster Linie die Städte selbst. Vor allem die Industrie, Automobilhersteller, Energiewirtschaft und Landwirtschaft tragen erheblich zur Luftverschmutzung bei. Sie müssen ihre Emissionen drastisch reduzieren, denn Schadstoffe lassen sich am besten an der Quelle vermeiden“, betonte Markus Lewe, Verbandspräsident und Münsteraner Oberbürgermeister. Allein an den Grenzwerten in den Städten zu schrauben, ohne die Emissionsgrenzwerte für die unterschiedlichen Verursacher zu verschärfen, ergebe keinen Sinn. Deshalb müsse bei der Industrieemissions-Richtlinie ebenso nachgeschärft werden wie bei den EURO-Normen für neue Fahrzeuge und für die Landwirtschaft. Dafür müssten sich Bund und Länder bei der EU stark machen.

In Kürze beginnt das sog. Trilog-Verfahren zur Richtlinie zwischen Europäischem Rat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament. Die EU-Kommission will die Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub in der Luft bis 2030 noch einmal halbieren. Das EU-Parlament fordert sogar, die noch niedrigeren Grenzwerte der WHO bis 2035 verpflichtend zu machen.

Angst vor Sammelklagen

Als besonders problematisch erachtet der Städtetag die Einführung eines Sammelklagerechts für Schadenersatzansprüche. „Wir haben die große Sorge, dass die Städte erneut mit Klagen und Verfahren überzogen werden, ohne selbst vor Ort Einfluss auf den Schadstoffausstoß von Industrie, Fahrzeugen oder Landwirtschaft nehmen zu können“, so Lewe. Die Luftqualität hänge von vielen örtlichen und überörtlichen Begebenheiten und geographischen Faktoren ab. Liege eine Stadt etwa an einem Fluss mit viel Schiffsverkehr, werde es allein mit örtlichen Maßnahmen niemals gelingen, Grenzwerte einzuhalten.

Die ohnehin vorhandene Hintergrundbelastung allein reiche aus, dass in vielen Städten die vom EU-Parlament für 2030 und 2035 geplanten Grenzwerte überschritten werden – ohne dass auch nur ein Autoauspuff oder Hausschornstein in der Stadt dazu beitragen. „Wenn Grenzwerte absehbar nicht zu halten sind, müssen gemeinsam mit den Ländern und dem Bund Maßnahmen entwickelt werden – und das mit ausreichend zeitlichem Vorlauf“, machte der Präsident deutlich.

Das Städtetags-Präsidium bekräftigte außerdem seine Erwartung, dass die neue Kindergrundsicherung durch ein einfaches und verständliches Antragsverfahren den Zugang zu familienpolitischen Leistungen deutlich verbessert und gleichzeitig unnötige Bürokratie in der Verwaltung vermeidet. Der vorliegende Referentenentwurf der Bundesregierung wird dieser Erwartung aus Sicht des Kommunalverbands nicht gerecht.

Insbesondere auch der Wechsel von Zuständigkeiten bei Personen mit schwankendem Einkommen müsse auf ein Minimum reduziert werden.

DK

 

 

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