Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2024 - 18. Januar)
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► DStGB-Jahrespressekonferenz:

 

Deutschland zukunftssicher aufstellen

 

Städte und Gemeinden verweilen im Krisenmodus. Die Infrastruktur bröckelt, die Wirtschaft ist in einer schwierigen Lage, als einzige große Volkswirtschaft befindet sich Deutschland in der Rezession. Der immense Investitionsbedarf auf kommunaler Ebene wird sich in den nächsten Jahren auf knapp eine Billion Euro belaufen. „Diesen Bedarf werden die Kommunen, erst recht in Zeiten knapper Kassen, nicht einmal im Ansatz bewältigen können“, betonten DStGB-Präsident Dr. Uwe Brandl und der neue Hauptgeschäftsführer Dr. André Berghegger in Berlin und stellten klar: „Ohne ein beherztes Eingreifen der Politik kann es keine Kehrtwende geben.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund erwartet von Bund und Ländern, die finanzielle Ausstattung der Kommunen nachhaltig zu verbessern. Im Rahmen der Jahrespressekonferenz des Kommunalverbands plädierten Brandl und Berghegger dafür, umzusteuern und mehr Geld in die Investitionen zu lenken. Dazu sei ein Bündel an Maßnahmen erforderlich, etwa ein Moratorium bei neuen Leistungsversprechen und eine Neuausrichtung der Förderprogramme des Bundes. Neben dem Erhalt der bestehenden Infrastrukturen würden auch für Klimaschutz, Klimaanpassung und den Umbau der Energieversorgung hohe Milliardensummen benötigt. Dabei handle es sich um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen aller föderaler Ebenen, die vor Ort umgesetzt, aber nicht allein vor Ort finanziert werden könnten.

Verdoppelte Sozialausgaben

Mittlerweile geben die Städte und Gemeinden mehr als 70 Milliarden Euro pro Jahr für soziale Leistungen aus. Damit haben sich diese Ausgaben seit dem Jahr 2005 verdoppelt und es ist zu erwarten, dass sie weiter steigen. „In Zeiten knapper Kassen müssen diese steigenden Kosten mit dem Verzicht auf Investitionen teuer erkauft werden. Diese Entwicklung darf so nicht weitergehen. Es muss gelingen, den dringend notwendigen Investitionen Vorrang einzuräumen“, forderten die DStGB-Repräsentanten.

Dazu sei es notwendig, über alle staatlichen Ebenen hinweg die Ausgaben zu konsolidieren, Sparpotenziale auszuschöpfen und keine neuen Leistungsversprechen abzugeben. „Wir müssen den Menschen klar signalisieren, dass nicht alles, was wünschenswert ist, kurzfristig oder auch nur mittelfristig finanzierbar sein wird. Der Staat kann nur das verteilen, was er vorher an Steuern eingenommen hat“, erklärten Brandl und Berghegger.

Die Kommunen fordern daher, das Konnexitätsprinzip nach dem Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“ im Grundgesetz zu verankern. „Das wäre ein klares Stoppschild für neue und höhere soziale Leistungen ohne ausreichende Gegenfinanzierung. Zurzeit haben wir vielfach die Situation, dass der Bund Leistungen beschließt, die durch die Kommunen dann zu finanzieren sind. Das schnürt den Kommunen die Luft ab und es sind für Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung keine Mittel mehr verfügbar. Das muss ein Ende haben“, forderten die Verbandsvertreter.

Förderprogramme neu ausrichten

Gleichzeitig sei es notwendig, die bestehenden Förderprogramme des Bundes neu auszurichten und für Städte und Gemeinden besser und unbürokratischer nutzbar zu gestalten. Derzeit existieren mehr als 100 kommunalrelevante Förderprogramme des Bundes, die zum Teil sehr komplex in ihrer Anwendung sind. Erheblicher Aufwand bei der Beantragung parallel zu immer weiter anwachsendem Fachkräftemangel auch vor Ort in den Verwaltungen führen dazu, dass jene Kommunen, die Unterstützung besonders dringend benötigen, am wenigstens von den Fördertöpfen profitieren können.

„Der Förderdschungel muss gelichtet werden. Wir erwarten daher, dass die bestehenden Förderprogramme neu ausgerichtet und leichter zugänglich gemacht, aufeinander abgestimmt und besser verzahnt werden. Ideal wäre eine integrierte Förderung im Sinne eines Pauschalprogrammes. Dann können die Gelder schneller fließen und auch kleinere Kommunen werden nicht von zu viel Bürokratie überfordert“, unterstrichen Brandl und Berghegger. Erst kürzlich habe die Bundesregierung wichtige Akzente zum Bürokratieabbau beim Fördermittelverfahren gesetzt, etwa bei der Festbetragsförderung sowie in Richtung vereinfachte Nachweis- und Prüfverfahren. Hier gelte es, flächendeckend und zeitnah mehr Vertrauen in die Kommunen zu wagen und überbordende Bürokratie durch zusätzliche Handlungsspielräume der Städte und Gemeinden zu ersetzen.

Zusätzliche Finanzmittel

Neben den notwendigen Erhaltungsinvestitionen würden dringend zusätzliche Finanzmittel für Klimaschutz, Klimaanpassung, den Umbau der Energieversorgung, die Mobilitätswende und die digitale Transformation gebraucht. Ein Großteil der dafür notwendigen Maßnahmen muss nach Auffassung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes vor Ort in den Kommunen auf den Weg gebracht werden. Um diese Aufgaben dauerhaft und nachhaltig zu finanzieren, schlägt der Verband eine Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung in Art. 91a des Grundgesetzes vor. „Unser Grundgesetz kennt dieses Instrument bereits, etwa zur Finanzierung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. Wir sollten diesen Katalog erweitern, denn bei Klimaschutz und Klimaanpassung handelt es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die von Bund und Ländern gemeinsam zu finanzieren sind.“

Migrationspolitik ordnen

Städte und Gemeinden sind auch bei der Unterbringung, Versorgung und Integration der nach Deutschland geflüchteten Menschen an ihrer Belastungsgrenze angelangt und werden ebenso in den kommenden Jahren enorm gefordert sein. Laut Brandl und Berghegger haben die wachsenden Herausforderungen rund um die konstant hohe Zahl zu versorgender und zu integrierender Personen in den vergangenen Jahren sehr deutlich gezeigt, dass Deutschland Menschen nicht unbegrenzt aufnehmen kann. Deshalb sei sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene ein Umsteuern in der Migrationspolitik dringend geboten. Notwendig sei zudem eine neue Finanzierungsgrundlage, um die Kommunen dauerhaft von den Flüchtlingskosten zu entlasten.

Deutschland habe in den vergangenen zwei Jahren eine sehr hohe Zahl von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen zu verzeichnen. Im Jahr 2022 sind mehr als eine Million Menschen vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen. Mit über 300.000 nach Deutschland gekommenen Menschen war im Jahr 2023 zudem der höchste Wert von Asylsuchenden seit dem Jahr 2016 zu verzeichnen. „In sehr vielen Kommunen stehen keine Unterbringungsmöglichkeiten mehr zur Verfügung, die Situation in vielen Kitas und Schulen ist höchst angespannt und die Integrationskurse sind überlastet“, stellten die DSTGB-Repräsentanten fest. Von besonderer Bedeutung sei daher, dass sich Bund und Länder im November 2023 auf Entlastungen für Städte und Gemeinden verständigt haben. „Es ist anzuerkennen, dass Bund und Länder erste Anstrengungen unternommen haben, um Migrationspolitik zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen. Das allein wird allerdings nicht reichen.“

Gemeinschaftsaufgabe Migration

Neben einer Steuerung und Reduzierung des Zuzugs nach Deutschland sei vor allem die finanzielle Entlastung der Kommunen der Schlüssel für ein funktionierende Integration überall in Deutschland. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund schlägt zu diesem Zweck die Schaffung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe Migration in Art. 91a des Grundgesetzes vor. „Wir müssen neue, langfristig tragfähige Wege gehen. Dazu gehört, die Migrationspolitik im Grundgesetz als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu etablieren.

Gesamtgesellschaftliche Herausforderungen müssen auch gesamtgesellschaftlich getragen und finanziert werden“, stellten Brandl und Berghegger klar und forderten „ein Ende des ‚Zuständigkeitsbingos’ zwischen Bund und Ländern, wenn es um diese wichtigen Fragen und deren Finanzierung geht. Dafür haben weder die Bürgerinnen und Bürger noch die Kommunen Verständnis.“

Unterstützung der Bürger

Eine Neuausrichtung der Migrationspolitik sei auf europäischer und auf nationaler Ebene unverzichtbar, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht gefährdet werden soll. Damit Aufnahme und Integration der geflüchteten Menschen gelingen, sei die Unterstützung der Bürger unumgänglich. Seit vielen Jahren sei zwar ein vorbildliches bürgerschaftliches Engagement für die nach Deutschland geflüchteten Menschen zu beobachten, jedoch müsse man feststellen, dass die Unzufriedenheit wächst. Vor diesem Hintergrund müsse es gelingen, die zahlreichen Anstrengungen auf die Menschen, die eine Bleibeperspektive in Deutschland haben, zu konzentrieren und Asylsuchende ohne Bleiberecht in ihre Herkunftsländer zurückzuführen oder die freiwillige Rückkehr zu gestalten.

Kommunale Ebene als Konjunkturmotor nutzen

Fazit: Es gilt, die kommunale Ebene als Konjunkturmotor zu nutzen und sie entsprechend auszustatten. „Die Menschen erleben ihren Staat vor Ort in den Städten und Gemeinden. Nur wenn es gelingt, dort handlungsfähig zu sein und die Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, werden wir Vertrauen zurückgewinnen und die Demokratie dauerhaft stärken. Gerade in Zeiten der Krise und des Umbruchs steht fest: Ohne Kommunen ist kein Staat zu machen, bemerkten Brandl und Berghegger abschließend.

DK

 

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