Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2024 - 18. Januar)
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Klarer Kompass bei Staatsausgaben!

 

Die Themen Staatsausgaben, Bürokratie und Krankenhäuser standen auf der Agenda der jüngsten Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistags im Landkreis Diepholz. Laut DLT-Präsident Reinhard Sager hat das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts dem Bund vor Augen geführt, dass er mehr darauf achten muss, wofür Steuermittel ausgegeben werden. „Vor diesem Hintergrund sollte er einem klaren Kompass folgen, anstatt kostenintensive Verabredungen des Koalitionsvertrages umzusetzen, die man nach heutigem Kenntnisstand nicht mehr oder anders angehen würde.“

„Die beschworene Zeitenwende muss auch beinhalten, die Staatsaufgaben und öffentlichen Ausgaben neu zu sortieren“, unterstrich Sager. Als Beispiel nannte er die Schaffung einer eigenständigen Kindergrundsicherung, die einer kritischen Prüfung unterzogen werden müsse. „Würde man dieses Projekt mit den aktuellen Erkenntnissen zu Umsetzbarkeit, Kosten und Fallstricken noch einmal von Anfang an diskutieren, müsste man es auch ohne Nachhilfe aus Karlsruhe schnell verwerfen: kein Mehrwert für bedürftige Familien, zu teuer durch den Aufbau neuer Bürokratie und die Schaffung paralleler Behördenstrukturen. Am Ende werden viele Familien die Kindergrundsicherung sogar als Belastung empfinden, weil eine ohnehin bisweilen umständliche Verwaltung noch undurchsichtiger wird.“

Nichts ist zu Ende gedacht

Auch das Deutschlandticket sei nicht zu Ende gedacht, obwohl die Landkreise und die anderen kommunalen Aufgabenträger von Anfang an die dauerhaft nicht belastbare Finanzierung kritisiert hätten. „Auch hier hat der Bund von verschiedener Seite vorgebrachte Vorbehalte in den Wind geschlagen. Nun droht Heulen und Zähneklappern, weil – wenig überraschend – 49 Euro im Monat nicht ausreichen, um einen bedarfsgerechten Nahverkehr zu bezahlen, und Bund und Länder das Ticket offenbar nicht ausfinanzieren wollen oder können.“

Eigentlich müsse der ÖPNV modernisiert und ausgebaut werden, allerdings streiche der Bund parallel auch noch die Regionalisierungsmittel für die Länder um 350 Mio. Euro, obwohl diese bereits zugesagt gewesen seien. „Diese Sprunghaftigkeit der Bundespolitik“, so der Verbandspräsident, „ist ein Graus für die Verkehrsträger vor Ort und den Menschen ebenso wenig vermittelbar. In gewisser Weise ist das auch eine Verkehrswende, allerdings in die falsche Richtung mit Investitionsstau und Rückbau von Angeboten und Netzen.“

Sager zufolge bedarf es einer ehrlichen Bestandsaufnahme, was sich der Staat leisten könne und was nicht. „Dabei sollte vom Status quo ausgegangen werden, also von den Dingen, die derzeit verpflichtend finanziert werden müssen. Dazu gehört es, Bund, Ländern und Kommunen diejenigen Steueranteile zuzuteilen, die sie für die Erledigung ihrer jeweiligen Aufgaben benötigen. Erst dann können weitere Vorhaben angegangen werden. Das ist eine Binsenweisheit – und doch erscheint es notwendig, dies in Erinnerung zu rufen. Schuldenberge treffen schließlich vor allem unsere Kinder und Enkel. Dabei verfügt der Staat über sprudelnde Steuereinnahmen.“

Aus Sicht der Landkreise bedeute das, kommunale Strukturen mit dem Nötigen auszustatten. „Die Finanzsituation vor Ort wird immer schwieriger. Wir haben auf absehbare Zeit keinen Spielraum für neue Aufgaben und haben immer mehr Probleme, die vielen bestehenden Aufgaben zu finanzieren und zu administrieren. Uns geht es deshalb seit vielen Jahren um eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, aus der auch Investitionen eigenfinanziert werden können. Wir wollen wegkommen von den leidigen Anschubfinanzierungen über Förderprogramme, die die Kommunen dann nach ein paar Jahren mit einer begonnenen Aufgabe finanziell allein lassen.“

Schieflage korrigieren

Die Kommunen trügen mehr als 25 Prozent der Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushalts, bekämen aber nur 14 Prozent des Steueraufkommens, erläuterte Sager. „Diese Schieflage muss deutlich korrigiert werden. Gerade in der aktuellen Situation zeigt sich erneut die fehlende Widerstandsfähigkeit der kommunalen Haushalte. Die Kommunen sind schon in Normalzeiten unterfinanziert und können sich nicht gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben wie z. B. die Kulturförderung, die Tourismusentwicklung oder die Wirtschaftsförderung immer weniger leisten. Wir fordern deshalb eine Aufstockung des kommunalen Umsatzsteueranteils. Dieses zusätzliche Geld sollte nach Einwohnern verteilt werden, um die kommunale Steuerbasis gerade auch in der Fläche zu stärken.“

Überall bestünden erhebliche Investitionsbedarfe, zum Beispiel bei den Schulen, den Straßen und im Nahverkehr, die durch die Energiewende noch verstärkt würden. Außerdem beteilige sich der Bund nach wie vor nicht hinreichend an der Flüchtlingsfinanzierung. Das seien die Aufgaben, die oben auf die Prioritätenliste gehörten. „Stattdessen leben wir einerseits immer mehr von der Substanz, tun aber andererseits so, als ob für jedwedes politische Projekt Geld da wäre. Man muss dem Bundesverfassungsgericht danken, dass es verbindlich geltendes Recht richtig ausgelegt und damit dafür gesorgt hat, dass sich der Bund endlich ernsthaft mit grundlegenden Finanzierungsfragen auseinandersetzen muss“, hob Sager hervor.

Schwierige Planungsprozesse

Mit Blick auf die Schwerfälligkeit von Planungsprozessen und den damit verbundenen bürokratischen Vorgaben machte der DLT-Chef deutlich: „Wir müssen beim Abbau bürokratischer Hemmnisse und von Aufgabenstandards wesentliche Schritte vorankommen. Wir können es uns schon allein wegen des Personalmangels nicht erlauben, immer aufwändigere Anforderungen festzulegen. Jede Gesetzesnovelle macht die behördlichen Abläufe komplizierter, die Digitalisierung kommt zu langsam voran, immer mehr Stellen in der Verwaltung bleiben unbesetzt.“ Das betreffe nicht nur den weit ausgebauten und komplexen Sozialstaat, sondern vor allem Planungsprozesse im Baubereich.

Das politische Mantra des Bürokratieabbaus müsse endlich so konkret werden, dass vor Ort eine Entlastung spürbar werde. „Die Landkreise fordern eine Verschlankung und Vereinfachung von Abläufen. So sollten zum Beispiel baurechtliche Verfahren substanziell vereinfacht, entbürokratisiert und beschleunigt werden. Vor diesem Hintergrund sind einfachere Genehmigungen, zum Beispiel über den Gebäudetyp E oder in serieller Bauweise zu begrüßen. Damit kann von kostenintensiven Standards abgewichen werden.“ Die zahllosen Vorgaben in Form von DIN- oder sonstigen Normen müssten auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden. Dies betreffe beispielsweise Vorschriften bei Stellplätzen, bei der Barrierefreiheit oder bei Aufzugsanlagen.

Wohnraum schaffen

Das sei auch der richtige Weg in der Wohnungsfrage, die neben dem Neubau vor allem die Ertüchtigung von leerstehenden Gebäuden im Blick haben müsse. „Gerade in der Fläche verfügen wir über viel ungenutztes Potenzial. Diesem Gedanken folgend geht es um die Umwidmung und Aufstockung von Bauten, die Nachverdichtung und den Umbau funktionslos gewordener Gebäude“, erklärte Sager.

Auch die Digitalisierung würde erhebliche Mehrwerte bieten. „Ziel muss es sein, dass digitale Anträge eingereicht, digital von allen Beteiligten bearbeitet und in den Baubehörden durchgängig digital beschieden werden.“ Dafür wäre der gesetzliche Rahmen anzupassen, denn Ursachen für lange Verwaltungsverfahren seien die hohen rechtlichen Voraussetzungen und oft schlechte oder unvollständige Antragsunterlagen. „Bauherrn haben es zusehends schwer, prüfungsreife Anträge einzureichen. Das liegt an den komplizierten rechtlichen Vorschriften.“

Prozesse beschleunigen

Vor diesem Hintergrund sei es richtig, dass sich Bund und Länder Regelungen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen verständigt haben, so Sager. So soll ein Bau-Turbo-Pakt dafür sorgen, dass für eine befristete Zeit in Orten mit hohem Bedarf schneller Bauvorhaben geplant und umgesetzt werden können.

Ein weiterer Bereich sei die Planung und Umsetzung von Klimamaßnahmen. „Der Deutsche Bundestag hat im vergangenen November den Entwurf für ein Bundes-Klimaanpassungsgesetz beschlossen. Damit werden auch die Kommunen zur Erarbeitung von integrierten Klimaanpassungskonzepten verpflichtet.“

Allerdings denke der Bund hierbei zu wenig an die finanziellen und personellen Notwendigkeiten: „Allein für die Konzeptionen werden Kosten von bis zu 2 Milliarden Euro prognostiziert. Und darin sind noch keineswegs die Ausgaben für die Anpassungsmaßnahmen selbst enthalten.“

Zumindest brauche es ein gemeinsames Verständnis von Bund, Ländern und Kommunen darüber, wie sich diese Lasten stemmen lassen, und zwar ohne Förderprogramme. „Wir wollen eine Finanzierungszusage der Länder, in deren Verantwortlichkeit die Umsetzung fällt und die deshalb gegenüber den Landkreisen und Städten in der Finanzierungspflicht stehen.“ Die Landkreise würden stets die kommunale Schlüsselfunktion bei der Klimaanpassung unterstreichen, allerdings müssten sie auch personell und finanziell in der Lage sein, die mit der Klimafolgenanpassung verbundenen Herausforderungen zu bewältigen, bemerkte der Präsident.

Vor einem wirtschaftlichen Flächenbrand warnt der Deutsche Landkreistag beim Thema Krankenhäuser. „Die finanzielle Lage der Krankenhäuser ist prekär. Bund und Länder müssen daher dringend Lösungen finden, um zu verhindern, dass sich die Situation im Jahr 2024 weiter zuspitzt. Jedes weitere Zögern der Politik bei der Unterstützung der Kliniken verschlimmert die Situation angesichts der Kostenentwicklung im Jahr 2024 noch weiter. Die Schließung von Standorten aufgrund von drohenden Insolvenzen darf nicht hingenommen werden.“

Im Übrigen würden die Landkreise die Forderungen privater und freigemeinnütziger Krankenhäuser ablehnen, kommunale Mittel zur Stützung von deren aufgelaufenen Defiziten bereit zu stellen. „Das ist keine kommunale Aufgabe und würde nicht weniger als eine Gewinngarantie aus Steuergeld bedeuten.“

Trägerverantwortung

Die Trägerverantwortung schließe auch die Verantwortung mit ein, auflaufende Defizite zu tragen, fuhr der DLT-Präsident fort. „Damit die schwierige Situation beendet werden kann, muss ein Inflationsausgleich durch Anpassung der Landesbasisfallwerte geschaffen werden. Es muss zusätzliches Geld ins System, anders geht es nicht.“

Aber auch strukturell müsse es darum gehen, die Kliniken zu stabilisieren: „Die Krankenhausreform sollte zügig zum Abschluss gebracht werden, wobei die Versorgungsinteressen des ländlichen Raumes maßgeblich Berücksichtigung finden müssen. In der derzeitigen Form lehnen wir die geplante Krankenhausstrukturreform jedenfalls ab.“ Auch wenn die Krankenhauslandschaft um eine Reform nicht herumkomme, sei zuallererst bei der Überversorgung in den Ballungsräumen anzusetzen.

Darüber hinaus hätten sich Bund und Länder beim Krankenhaustransparenzgesetz verhakt, kritisierte Sager: „Der Bund möchte hier ebenfalls in die Planungshoheit der Länder eingreifen, wogegen sich diese zu Recht verwahren. Daher gibt es ein Vermittlungsverfahren, das nun zügig beginnen muss. Denn eines haben die Krankenhäuser nicht: Zeit. Vielen Standorten steht das Wasser bis zum Hals.“

DK

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