Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2024 - 18. Januar)
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► Jahrestagung von dbb beamtenbund und tarifunion:

 

Starker Staat – wehrhafte Demokratie

 

Geopolitische Spannungen, schwindendes Vertrauen in die Demokratie und die Funktionsfähigkeit des Staates: Mit diesen Herausforderungen befasste sich die dbb Jahrestagung in Köln mit Gästen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Gesellschaft. dbb-Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach forderte umfangreiche Investitionen in den öffentlichen Dienst. Ein schwacher Staat gefährde die Demokratie.

Laut Umfragen gehen nur 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger davon aus, dass der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. Silberbach machte deutlich: „Wenn das Vertrauen in die Politik nicht weiter schwinden soll, dann müssen den Menschen im Land klare Perspektiven aufgezeigt werden. Kein Verwalten, sondern Gestalten!“

Alle Ausgaben müssen auf den Tisch

Zur Finanzierung müssten alle Staatsausgaben auf den Tisch. „Ob darüber hinaus die Schuldenbremse neu justiert oder neue Sondervermögen auf den Weg gebracht werden müssen, sei dahingestellt. Klar ist für mich: Es muss investiert werden.“ Beispielhaft nannte Silberbach mehr Geld für Bildung, Sicherheit und Infrastruktur. Seit der Gründung der Bundesrepublik habe es noch nie einen so großen Investitionsstau gegeben.

Eine aktuelle Umfrage im Auftrag des dbb habe gezeigt, dass die Bürgerferne der Politik für 64 Prozent der Bevölkerung eine der größten Gefahren für die Demokratie ist. Um das Vertrauen sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch gerade der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den Staat wiederherzustellen, sei daher auch ein Wandel in der politischen Kultur notwendig. Silberbach: „Zur Wahrheit über den Vertrauensverlust gehört für mich nämlich auch, dass es oft gar nicht die konkreten Entscheidungen in Sachfragen sind, die die Menschen erschüttern, sondern das Gefühl, dass es viele Verantwortliche nicht allzu genau nehmen mit der Achtung vor dem Rechtsstaat. Verfassungswidrige Besoldung, verfassungswidrige Haushalte, immer mehr von Karlsruhe kassierte Gesetze… jede Nachwuchskraft im öffentlichen Dienst fragt sich doch, ob sie in der Ausbildung etwas verpasst hat, was da lautet ‚kreativer Umgang mit dem Recht‘.“

Mangelhafte Digitalisierung

Auch die immer noch mangelhafte Digitalisierung der Verwaltung ist für den dbb Chef eine Ursache für den verbreiteten Frust in der Bevölkerung: „Menschen, die mit digitalen Verwaltungsangeboten zufrieden sind, bewerten auch die Leistungsfähigkeit des Staates höher – da sind wir wieder beim Punkt ‚Vertrauen‘. Allerdings halten Deutschland aktuell nur drei Prozent der Bürgerinnen und Bürger bei der Digitalisierung für gut aufgestellt.“ Hier erwartet der dbb-Chef endlich Fortschritte, denn die Probleme seien alle längst bekannt. „An den Beschäftigten im öffentlichen Dienst wird es jedenfalls nicht scheitern“, stellte Silberbach klar. „Ganz im Gegenteil: Die Kolleginnen und Kollegen sehen in erster Linie die Chancen für ihre Arbeit. Digitalisierung ist natürlich nicht per se besser, wenn sie schlecht umgesetzt wird. Sie ist aber ein Gewinn, wenn sie für die Beschäftigten wirklich zu einer Arbeitserleichterung führt und damit Personalressourcen für andere Aufgaben frei werden.“

Enorm viele neue Stellen

Bernd Krösser, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, würdigte die Leistung des öffentlichen Dienstes in Deutschland. Auch wies er darauf hin, dass im Bereich des Bundes zuletzt enorm viele Stellen geschaffen worden seien, gerade im Bereich der Bundespolizei und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Die Arbeit für den Staat sei auch weiterhin für Nachwuchs- und Fachkräfte attraktiv, zeigte sich Krösser überzeugt. Trotzdem wolle der Bund bei Aus- und Fortbildung sowie Digitalisierung noch mehr tun und besser werden. Eine Absage erteilte der Staatssekretär dagegen der Forderung nach der generellen Absenkung der Wochenarbeitszeit für Beamtinnen und Beamte des Bundes, weil diese die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes einschränken würde.

Permanente Aufgabenkritik

Die Frage „Braucht Deutschland eine Staatsreform zur Stärkung der Kommunen?“ stand im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion. Nach Auffassung von DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. André Berghegger ist permanente Aufgabenkritik ein Bestandteil gelingender kommunaler Planung. Dezentralisierung und Föderalismus müssten mit Leben gefüllt werden. Dazu bedürfe es keiner perfektionistischen Überregulierung, sondern praktischer Lösungen vor Ort sowie einer leistungsfähigen Verwaltung mit ausreichender Personal- und Finanzausstattung.

Fairer Finanzausgleich

Hinterfragt werden müsse in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Beispiel Kinderbetreuung: Trotz Mehreinstellungen fehle es vielen Kommunen an allen Ecken und Enden an Personal für diesen Bereich, weil auch dort immer neue Aufgaben geschultert werden müssten. „Für eine faire Verteilung im Finanzausgleich müssen die Kommunen wieder stärker einbezogen werden, denn ein Großteil politischer Entscheidungen wird dort umgesetzt.“

Andreas Hemsing, stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und Vorsitzender der komba gewerkschaft, verwies darauf, dass kommunale Aufgaben angesichts des Personalmangels nicht gestemmt werden könnten. Beispiel Gelsenkirchen: „Da gab es in den letzten Jahren aufgrund von Flucht und Migration 3.000 zusätzliche Kinder in der frühkindlichen Bildung, dabei war das Personal eh schon knapp. Das führt bei Bürgerinnen und Bürgern zu Frust.“ Abschließend stellte er die Frage der Verhältnismäßigkeit: „Die Kommunen tätigen 25 Prozent der staatlichen Ausgaben, bekommen aber nur 14 Prozent der Steuereinnahmen.“ Dies sei nicht hinnehmbar.

Vollzugsdefizite

Bundesverfassungsrichter a. D. Peter Müller zeigte sich überzeugt, dass es in den meisten Politikbereichen in Deutschland kein Regelungs-, sondern ein Vollzugsdefizit gibt. „Wir brauchen keine neuen Regelungen – im Gegenteil, teilweise haben wir eher zu viele“, erklärte Müller. Wichtig sei aber, dass die Regelungen auch für alle gelten würden. „Das Gewaltmonopol des Staats etwa ist nur glaubwürdig, wenn Recht auch durchgesetzt wird.“

Gegen das derzeitige Vollzugsdefizit helfe nur eine angemessene Personalausstattung sowie ordentliche Bezahlung im öffentlichen Dienst. „Das Bundesverfassungsgericht hat unter seinem ehemaligen Präsidenten Andreas Voßkuhle klare Regeln für die amtsangemessene Alimentation aufgestellt.

Trotzdem liegen in Karlsruhe 40 Vorlagen zum Thema“, betonte Müller und forderte, dass sich Politik hier und etwa auch in Haushaltsfragen an das geltende Recht hält. „Auch der Gesetzgeber muss sich an die Verfassung halten“, mahnte er. Mit Blick auf die zuletzt zahlreichen Demonstrationen ergänzte Müller: „Die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht müssen der Demokratie heilig sein. Aber auch hier muss Recht und Gesetz konsequent Anwendung finden, das gilt natürlich ebenso für die ‚Letzte Generation‘ wie für die Bauern.“

Allgemeine Dienstpflicht

Um die Identifikation gerade junger Menschen mit dem Staat zu stärken, kann sich der ehemalige Bundesverfassungsrichter eine allgemeine Dienstpflicht vorstellen: „Ich halte das für durchaus attraktiv, um das demokratische Gemeinwesen zu stärken.“ So könne Heranwachsenden auch vermittelt werden, dass das Leben in einer freiheitlichen Gesellschaft auch ein Bemühen um ihren Erhalt erfordert.

Rahmenbedingungen für KI

Künstliche Intelligenz (KI) wird die Arbeitswelt auch im öffentlichen Dienst revolutionieren. Welche Rahmenbedingungen notwendig sind, diskutierten renommierte Fachleute wie Carsten Köppl, Geschäftsführer der Beratungsagentur Next:Public. Er skizzierte, dass die Beschäftigten im öffentlichen Sektor nach umfassender Modernisierung verlangten und bereit seien, den digitalen Wandel voranzutreiben. „Der Digitalisierungsdruck kommt nicht mehr nur von außen – er kommt zunehmend von innen.

Wie attraktiv die Beschäftigten den öffentlichen Dienst dabei als Arbeitgeber einschätzen, welche Erwartungshaltung sie gegenüber der Verwaltungsdigitalisierung hegen und inwiefern sie sich im Bereich IT-Sicherheit auskennen, hat die im Dezember 2023 veröffentlichte Studie ´Barometer Digitale Verwaltung´ der Next:Public gezeigt. Demnach sind Beschäftigte der öffentlichen Verwaltungen keine Bremser digitaler Prozesse und Innovationen, sie sind vielmehr Treiber.“ Im Umkehrschluss müsse sich die Verwaltung als moderner, digitaler Arbeitgeber präsentieren, um die erforderlichen Fachkräfte zu binden, hob Köppl hervor.

Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten

Paradoxerweise sei die grundsätzliche Bindung der Beschäftigten zum öffentlichen Dienst hoch, während gleichzeitig die Strahlkraft des öffentlichen Dienstes abnehme. So würden nur noch 15 Prozent der Befragten ihren aktuellen Arbeitgeber weiterempfehlen. Obwohl der Staat in besonderem Maße auf qualifiziertes Personal angewiesen sei, nehme die Zufriedenheit der Beschäftigten mit den vorhandenen Rahmenbedingungen ab. Vor allem fehlende individuelle Entwicklungsmöglichkeiten würden kritisiert.

Wie weit der öffentliche Sektor in Sachen IT-Implementierung zurückliege, zeige sich am Fehlen einer öffentlichen Verwaltungs-Cloud. „Bis heute darf die Verwaltung keine Cloudlösung rechtssicher einsetzen. Sie soll jetzt nach 14-jähriger Diskussion entwickelt werden. Das darf uns bei der KI auf keinen Fall passieren!“, kritisierte Köppl.

DK

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